Der Sozialstaat und seine Leistungen werden seit einigen Jahren schlechtgeredet. Sie sind jedoch notwendig und wir müssen sie uns weiterhin leisten, so die einhellige Meinung bei einer Diskussionsrunde des KVW in Brixen. Es braucht Transferleistungen an schwächere Menschen, damit die Gesellschaft nicht auseinanderdriftet.
„Soziales heute“ war Thema auf einer Podiumsdiskussion des KVW in Brixen. Es ging dabei um die Finanzierung des Sozialstaates und um die gerechte Umverteilung. KVW Landesvorsitzender Werner Steiner appellierte an die Eigenverantwortung des Einzelnen. Was der einzelne leisten kann, soll er auch leisten. Erst wenn das nicht mehr möglich ist, ist der Sozialsaat gefragt. Steiner nannte als Schwächen Südtirols das hohe Anspruchsdenken und die Unzufriedenheit. „Es braucht eine neue Denkweise“, sagte Steiner. „Das Ziel sollte sein: besser leben statt mehr haben wollen“.
Stärken und Schwächen Südtirols
Südtirol stehe aber auch gut da, als Stärken des Landes nannte Steiner die Autonomie, den Landeshaushalt, das ausgewogene Wirtschaftssystem und die gut ausgebauten Infrastrukturen.
Das hohe Anspruchsdenken der Südtiroler bestätigte auch Bürgermeister Albert Pürgstaller. Er sprach davon, dass es Kürzungen bei den Diensten geben werde. So werde man darüber nachdenken müssen, ob es bei der Schneeräumung, der Straßenreinigung oder dem Schülertransport auch mit weniger ginge.
Wirtschaftsberater Karl Florian und Afi-Direktor Stefan Perini appellierten daran, dass es die Leistungendes Sozialstaates brauche. Karl Florian warnte vor Kürzungen, da sie den allgemeinen Wohlstand in Gefahr bringen. Der Sozialstaat hat nicht Schuld an der Krise. „Es braucht Gerechtigkeit in der Umverteilung“, so Florian. Das lebenslange Lernen hat durch die Krise am Arbeitsmarkt an Bedeutung gewonnen. Die Bildung ist zu einer wichtigen Ressource geworden, bei der nicht gespart werden dürfe.
Sozialstaat muss bleiben
Den Sozialstaat müssen wir uns weiter leisten, so Stefan Perini. Es gebe sicher andere Bereiche, bei denen gespart werden könne. „Die Einkommensschere geht auseinander und es besteht die Gefahr, dass die Gesellschaft auseinanderdrifte“. Ziel des Sozialstaates ist es, möglichst vielen Menschen ein vernünftiges Leben zu ermöglichen. Transferleistungen sollen Menschen und Familien vor Armut schützen.
Ausgaben im europäischen Durchschnitt
Perini erklärte, dass Italien 30 Prozent des Bruttoinlandprodukts für den Sozialstaat ausgebe und damit im europäischen Durchschnitt liege. Von den Ausgaben des Sozialstaates machen die Renten jedoch rund die Hälfte aus und das sei sehr viel. Auf EU-Ebene liegt dieser Wert um ein Drittel desBIP. Dies bedeute, dass Italien für Familien, für die Arbeitslosen usw. weniger Geld zur Verfügung habe als andere Staaten in Europa. Perini regte an, eine Umverteilung innerhalb der Renten anzudenken, auch über eine Deckelung nach oben wäre nachzudenken.
Vor sozialem Zündstoff und Neid warnte Bauernbundobmann Leo Tiefenthaler. In den vergangenen Jahren habe es bei den Förderungen eine Umverteilung von den Obst- und Weinbauern hin zu den Bergbauern gegeben. Dadurch habe man es geschafft, dass die Bergbauern bei uns – im Gegensatz zu anderen Provinzen - nicht abgewandert sind.
Text: IngebUrg gurndin