Kommentar

Reformen, Reformen, ...

Über Matteo Renzis Pläne Italien aus der Krise zu führen

Katharina TasserKatharina Tasser

Was Italien bitternötig hat, so hört man dieser Tage überall in Rom, sind Reformen, Reformen und nochmals Reformen. Wahrlich stimmt das. Nur welche Reformen soll man zuerst angehen, damit sie der Bürger dann auch in der Tat spürt und Italien auf Augenhöhe mit den anderen europäischen Staaten hievt?
Die Reform des Senats, die Neufassung des Abschnittes V der Verfassung, die Wahlreform, die Verwaltungsreform, die Arbeitsreform, die Justizreform? Reformen, auf die die Bevölkerung seit Jahrzehnten wartet.
Einen Teil umsetzen
Renzi hat eine ganze Menge versprochen - und auch, alles in kürzester Zeit zu verwirklichen. Wir wünschen uns alle, dass zumindest ein kleiner Teil davon auch tatsächlich umgesetzt wird. Ob die Wahlreform, die als erste auf der Liste Renzis steht, auch grundlegende Änderungen für die Allgemeinheit mit sich bringt, bleibt dahingestellt.
Meiner Meinung nach sind die Reform der öffentlichen Verwaltung und die Justizreform die einzigen, die für Italien unabdingbar und so schnell wie nur möglich umzusetzen sind, damit sich auch effektiv etwas ändert und neue Investitionen möglich gemacht werden.
Ohne diese Reformen wird Italien niemals wettbewerbsfähig sein. Um neue Arbeitsplätze zu schaffen, braucht es Unternehmer die investieren. Investieren tun sie aber nur dort, wo es auch eine Planungssicherheit gibt. Die Verwaltungsabläufe und –zeiten müssen festgelegt und aucheingehalten werden. Warum sollte ein Unternehmer in Italien investieren, wenn er Jahre auf eine Genehmigung warten muss, und von einem Amt zum anderen geschickt wird?
Dasselbe gilt für die Justiz. Die „biblischen“ Zeiten der italienischen Justiz, mit drei Instanzen, die nicht selten immer wieder von vorne beginnen, kennt ein jeder, der einmal ein Verfahren angestrebt hat. Die italienischen Justizzeiten sind ja als die längsten Europas bekannt.
Qualitativ gute Arbeitsplätze
Arbeit muss geschaffen werden. Sie fällt nicht vom Himmel und auch der Staat kann nur bis zu einem bestimmten Punkt mit öffentlichen Geldern Arbeitsplätze schaffen. Die Zeiten, in denen der Staat immer alles aufgefangen hat, sind, so glaube ich, endgültig vorbei. Das merkt man auch an der Arbeitslosenquote, die konstant steigt - mittlerweile auch bei uns in Südtirol.
Wird Renzi es schaffen, die dürren Äste des Baumes Italien zu schneiden, damit wieder qualitativ gute Arbeitsplätze geschaffen werden können, ohne die Absicherung der Sozialleistungen einbüßen zu müssen? Denn nurqualitativ wertvolle Arbeitsplätze sind auch mit guten Absicherungen für die Arbeitnehmerschaft verbunden.
Wir wollen alle hoffen. Etwas anderes bleibt uns ja nicht übrig.

Text: Katharina Tasser

KVW Aktuell

Papst Franziskus und seine vier Neins

Den Armen schenkt man nicht, den Armen gibt man zurück
Um Solidarität und Gerechtigkeit ging es im Vortrag von Erzbischof Giancarlo Bregantini, den er auf Einladung des Patronats KVW-ACLI und der Kommission für soziale Gerechtigkeit in Bozen hielt. Ausgehend von der Enzyklika „Evangelii Gaudium“ von Papst Franziskus sprach sich Bregantini gegen eine Wirtschaft der Ausschließung und der Ungleichheit der Einkommen aus.

Erzbischof Bregantini im Gespräch mit den Generalvikaren Josef Matzneller und Michele Tomasi.Erzbischof Bregantini im Gespräch mit den Generalvikaren Josef Matzneller und Michele Tomasi.

Erzbischof Bregantini begann seinen Vortrag im Pastoralzentrum in Bozen mit einer Geschichte. Robertino spielt mit anderen Kindern im Wald und sie finden den Weg nach Hause nicht mehr. Ein Vogel gibt ihnen den Rat, den goldenen Schlüssel zu suchen, dann würden sie den Weg finden. Die Kinder suchen, jeder will den goldenen Schlüssel finden, um wieder nach Hause zu kommen. Es kommt zu einem Streit zwischen ihnen, einer verletzt sich, blutet, die andere Kinder achten nicht darauf, konzentrieren sich auf die Suche nach dem goldenen Schlüssel. Nur Robertino hört das Schreien, kniet sich beim Verletzten nieder, nimmt ihn in den Arm, und da sieht er den Weg nach Hause. Glücklich kehrt er heim zur Mutter, will dann aber wieder zurück, um auch den anderen zu erklären, wie man den richtigen Weg findet.
Ausgehend von dieser Geschichte erklärte Erzbischof Bregantini einige Kapitel des „Evangelii Gaudium“, das Papst Franziskus im November 2013 veröffentlicht hat.
Der goldene Schlüssel in der Geschichte und die blinde Suche nach ihm sind vergleichbar mit dem Gewinnstreben ohne Regeln, ohne Ethik, das wir heutekennen. Dies sei eine große Illusion.
Papst Franziskus setzt dem vier Neins entgegen:
Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung (von der Arbeit ...) und der Disparität der Einkommen;
Nein zur neuen Vergötterung des Geldes;
Nein zu einem Geld, das regiert, statt zu dienen (nur der Markt hat das Wort);
Nein zur sozialen Ungleichheit, die Gewalt hervorbringt.
Hören wir das Schreien der Armen?
In der Geschichte hört Robertino den Schrei des Verletzten, er hat ein Herz voller Mitgefühl. Bregantini stellt dem Publikum die Frage, ob wir den Schrei der Arbeitslosen, der Armen, der Flüchtlinge von Lampedusa hören. Hierher gehört auch die Diskussion um die goldenen Politiker-Renten, dieder gebürtiger Trentiner Bregantini in den Medien verfolgte. „Fast ohne es zu merken, werden wir unfähig, Mitleid zu empfinden gegenüber dem schmerzvollen Aufschrei der anderen, wir weinen nicht mehr angesichts des Dramas der anderen, noch sind wir daran interessiert, uns um sie zu kümmern, als sei all das eine uns fern liegende Verantwortung, die uns nichts angeht. Die Kultur des Wohlstands betäubt uns, ...“ schreibt Papst Franziskus.
Robertino hört den Schrei des Verletzten, der fühlt mit ihm, umarmt ihn, er ist mit ihm solidarisch. Ethik und die Achtung für Gott passen nichtin das auf reinen Profit ausgerichtete Wirtschaftsdenken von heute.
„Die Ethik wird gewöhnlich mit einer gewissen spöttischen Verachtung betrachtet. Sie wird als kontraproduktiv und zu menschlich angesehen, weil sie das Geld und die Macht relativiert“, heißt es in der Enzyklika. Deshalb haben Diktaturen – egal ob politisch rechts oder links einzuordnen – Angst vor Gott, der nicht kontrollierbar und nicht manipulierbar ist.
Es fehlt nicht an Geld, es fehlt an Zielen
Bregantini analysierte die Krise von heute nicht als ein Fehlen des Geldes. Vielmehr fehlen die Ziele und dadurch der Mut, in die Zukunft zu investieren. „Die Krise ist aufgrund vom Fehlen von Zielen entstanden, und nicht weil die Mittel fehlen“, erklärte der Erzbischof.
Deshalb sehe er es als eine wichtige Aufgabe von Lehrern, Eltern und Erziehenden, zu lehren und vorzuleben, die Stimme wieder zu hören.
So wie Robertino die Stimme gehört und entsprechend gehandelt hat. Während die anderen sich bei der Suche nach dem goldenen Schlüssel von nichts ablenken ließen.
Und so hat Robertino auch den Weg nach Hause gefunden.
Bregantini schloss mit dem Wunsch, dass die Zuhörer so handelnwie Robertino in der Geschichte: zurückgehen um zu sagen, dass es den goldenen Schlüssel nicht gibt.

Text: Ingeburg Gurndin