Thema

Ausschreibungen im Sozialbereich

Vergabe sozialer Dienstleistungen
Ausschreibungen im Sozialbereich stellen eine besondere Herausforderung dar. Soll lokalen Anbietern der Vorzug gegeben werden oder soll es einfach dem billigsten Anbieter zufallen? Im Sozialbereich spielt der persönliche Bezug zum Anbieter der Dienstleistung eine große Rolle. Deshalb sorgte im vergangenen Sommer die Ausschreibung für den Transport behinderter Kinder für große Diskussionen und Kritiken.

Dienste wurden auf Initaitive Betroffener ins Leben gerufen und aufgebaut. - FOTO: LebenshilfeDienste wurden auf Initaitive Betroffener ins Leben gerufen und aufgebaut. - FOTO: Lebenshilfe

In Zeiten knapper werdender Geldmittel scheint es sinnvoll bei den anstehenden Ausgaben Preisvergleiche anzustellen. Rein rechnerisch gesehen wird sich für den Konsumenten sicher eine Gewinnsituation ergeben. Allerdings könnte es sich um einen Schuss nach hinten handeln. Wie schaut es mit der Nachhaltigkeit einer solchen Entscheidung aus? Kann der billigste Anbieter den erforderlichen Standard sicher gewährleisten? Mit welchen Mitteln ist der billigste Preis errechnet worden? Viele Fragen mit nicht immer eindeutigen Antworten.

Andererseits:
Als Sozialverband sind wir der Meinung, dass soziale Dienstleistungen nicht mit wirtschaftlichen Dienstleistungen gleichgesetzt werden können. Soziale Dienstleistungen haben eine andere Dynamik, es geht auch um zwischenmenschliche Beziehungen. Im konkreten Fall geht es um den Transport behinderter Kinder. Diese werden daheim abgeholt und in die Schulen gebracht. Die Eltern wollen wissen, wem sie ihr Kind anvertrauen, wer es auf dem Schulweg begleitet. Ein persönliches Gespräch zählt zur normalen Beziehung und dafür muss Zeit sein. Es ist eine Sache des Vertrauens und nicht eines reinen Liefervertrages von A nach B.
Sogar die in vielen Bereichen recht bürokratisch agierende EU sieht für die Bereiche Gesundheit und Wohlfahrt Ausnahmen vor. Sozialarbeit darf nicht dem freien Markt anvertraut werden. Lebensqualität steht vor Gewinnoptimierung. Wenn wir uns in Zukunft nur mehr am Profit-Denken orientieren, ist Lohndumping der nächstfolgende Schritt. Als KVW geht es uns um den Dienst am Kunden. Wir, die es gewohnt sind, in unserer Arbeit den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, können nicht einverstanden sein, wenn der Preis als alleiniges Kriterium gesehen wird. Qualität und Professionalität müssen im Vordergrund stehen. Die Herausforderung ist groß, denn auch verbandsintern haben wir uns diesen Vorgaben zu stellen. Dabei müssen auch wir aufpassen nicht in die Rolle zu geraten, dass wir Wasser predigen und Wein trinken.
Dass es auch anders gehen kann, zeigen andere Regionen in Italien wie z.B. die Emilia Romagna. Dort gibt es bereits ein Akkreditierungsmodell, das nach Qualitätsstandards funktioniert. Auch bei der Ausschreibung der Autobahn A22 legt man Wert darauf, dass die Konzession nicht an völlig Fremde übergeht, sondern der Bezug zu Region bzw. Provinz bleibt.
Die Bevölkerung wünscht sich den Mut zu politischen Entscheidungen. Es wird auch nicht verstanden warum Vereine und Verbände so links liegen gelassen werden, sie haben in jahrzehntelanger Arbeit aus ihrer Betroffenheit, ihren Erfahrungen soziale Dienste mit aufgebaut, sie geführt und kontinuierlich den veränderten Bedürfnissen der Schwächsten im Lande angepasst. Wollen wir ihre wertvolle Aufbauarbeit nun dem günstigsten Anbieter überlassen und dabei den Blick auf die Betroffenen völlig außer Acht lassen? Als Sozialverband mit vielen freiwillig und ehrenamtlich arbeitenden Mitgliedern ist es uns auch wichtig, dass dieses Engagement weiterhin anerkannt und gefördert wird. Viele von uns sind bereit sich einzusetzen. Nun ist die Politik gefordert uns als Partner der Sozialpolitik ernst zu nehmen und auch wie Partner zu behandeln. Sonntagsreden allein genügen nicht mehr, die Menschen übernehmen ihren Teil der Verantwortung, wenn sie partnerschaftlich angenommen werden.

TEXT: Werner Steiner

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Öffentlich ausschreiben. Wozu?

In den letzten Monaten kam es in Südtirol immer wieder zu heftigen Diskussionen über öffentliche Ausschreibungen. Dabei werden öffentliche Ausschreibungen oft als Hindernis oder unnötige Last bei der Vergabe von Dienst- oder Bauleistungen dargestellt. Die öffentliche Hand sollte, so mahnen viele an, möglichst ohne Ausschreibungen frei vergeben und damit absichern, dass öffentliche Aufträge möglichst von heimischen Anbietern ausgeführt werden. Dabei sollte man bedenken, welchen Sinn öffentliche Ausschreibungen haben.

Herbert Dorfmann ist seit Juni 2009 Abgeordneter des Europäischen Parlaments und in mehreren Ausschüssen tätig, u.a. im Ausschuss für Wirtschaft und Währung Herbert Dorfmann ist seit Juni 2009 Abgeordneter des Europäischen Parlaments und in mehreren Ausschüssen tätig, u.a. im Ausschuss für Wirtschaft und Währung

Öffentliche Einrichtungen, wie Staaten, Länder und Regionen, Gemeinden oder internationale Organisationen sind im Rahmen ihrer Tätigkeiten angewiesen Dienstleistungen oder Waren anzukaufen, damit sie ihre Ziele und Funktionen in der Gesellschaft wahrnehmen können. Das Interesse der öffentlichen Körperschaften muss dabei sein, die besten Leistungen oder Waren zum besten Preis zu erzielen. Ihnen gegenüber stehen Unternehmen, die ihre Waren und Dienstleistungen auf dem Markt an den „Mann bringen“ wollen. Es liegt in ihrem Interesse lukrative und attraktive öffentliche Aufträge zu gewinnen. Wichtig für sie ist ein Rechtsrahmen und Ausschreibungsregeln, die nachvollziehbar und gerecht sind. Vergleichbar ist die Situation mit jener eines Bewerbers, der bei einem Job-Auswahlverfahren darauf baut, dass dieselben Kriterien bei allen Kandidaten angewandt werden und der Beste dann zum Zug kommt. Weiteres vergleichbar wäre unser Kaufverhalten in einem Geschäft oder Online. Ein großes Angebot an unterschiedlichster Qualität steht uns zur Verfügung. Wir versuchen einen bestimmten Geldwert auf Basis unserer Kaufmuster und Vorlieben bei der Auswahl eines Produktes oder Leistung entgegenzubringen. Wenn beispielsweise ein Bürgermeister oder ein Gemeindeausschuss ohne Preis- und Leistungsvergleich einfach Aufträge vergeben könnte, würde das nicht bedeuten, dass immer der Beste den Auftrag erhält. Öffentliche Einrichtungen kaufen mit öffentlichem Geld, also Steuergeld, und haben die Aufgabe, dieses Geld im Sinne der Steuerzahler bestmöglich einzusetzen.
Öffentliche Aufträge machen zirka ein Fünftel der gesamten Einkäufe und Leistungen unserer Wirtschaft aus. Deshalb gibt es seit langem Regeln über die öffentliche Auftragsvergabe. Die Welthandelsorganisation (WTO) und die Europäische Union haben sich in den 80er Jahren mit zunehmender Öffnung des Welthandels und des Binnenmarktes Gedanken gemacht, wie gemeinsame Regeln für die öffentliche Auftragsvergabe aufgebaut werden können. Die Europäische Union hat diese dann über Richtlinien in den 90er Jahren zur Vergabe von öffentlichen Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträgen umgesetzt.
Die neuen Richtlinien der öffentlichen Auftragsvergabe
Im Europäischen Parlament haben wir mit einem Beschluss im Jänner 2014 die vorhergehenden Richtlinien im öffentlichen Auftragswesen grundlegend überarbeitet. Die neuen Regeln enthalten eine Reihe von Punkten, die immer wieder in Südtirol gefordert worden sind und die ich in den Arbeitsausschüssen vertreten habe. Dazu gehört die Aufteilung der Bauaufträge in Lose bzw. Gewerke. Der Auftraggeber entscheidet zukünftig, ob er einen Auftrag als Ganzes übergeben oder in Lose unterteilen will. Tut er Letzteres nicht, so muss er seine Entscheidung rechtfertigen. Dieser Ansatz gibt den kleinen und mittleren Unternehmen neuen Spielraum. Weiteres war mir wichtig, dass Subunternehmer nicht vom Hauptauftragnehmer ausgenutzt werden. Die neue Regelung der Direktzahlung des Auftraggebers an den Subunternehmer garantiert, dass es keine verspäteten Zahlungen oder sogar Zahlungsausfälle - wie im Falle eines Konkurses des Hauptunternehmers - für nachgestellte Unternehmen gibt. Bei großen Ausschreibungen können lokale Kreisläufe gestärkt werden. Wenn beispielsweise öffentliche Stellen Großeinkäufe von Lebensmitteln machen, muss es möglich sein, besser als bisher einheimische Produkte zu bevorzugen. Die Lebenszykluskosten eines Produktes, welche beispielsweise Anschaffungs- und Transportkosten sein können, können nun Teil der Vergabekriterien sein. Neu sind auch die bürokratischen Erleichterungen für Unternehmen: Nehmen sie an einer Ausschreibung teil, so können sie durch Eigenerklärungen entsprechende Unterlagen bei einem eventuellen Zuschlag nachreichen und ersparen sich somit eine aufwendige Vorbereitung. Auch wird die Auftragsvergabe durch eine Reihe von Regelungen für jene Unternehmen einfacher, die grenzüberschreitend bieten wollen. Gerade hier liegt unglaubliches Wachstumspotenzial, da nur die wenigsten kleinen und mittleren Unternehmen diesen immer wichtiger werdenden Schritt wagen.
Ausnahmen im Sozialbereich
Wichtig zu berücksichtigen sind die Ausschreibungsschwellen, ab denen Aufträge auf europäischer Ebene ausgeschrieben werden müssen. Beispielsweise müssen Dienstleistungsaufträge ab einem Auftragswert von 207.000 Euro ausgeschrieben werden. Die Ausnahme stellen jedoch Dienstleistungen im Sozial-, Gesundheits-, Kultur- und Bildungsbereich dar. Dort liegt die Ausschreibungsschwelle bei 750.000 Euro. Erreichen Aufträge diese Summe nicht, kann der Mitgliedstaat oder das Land Regeln schaffen, wie der Auftrag vergeben wird. Grund dafür ist, dass Aufträge unter dieser Größenordnung meistens nur für Unternehmen in den jeweiligen Mitgliedstaaten interessant sind. Das heißt aber noch nicht, dass lokale öffentliche Verwaltungen nicht dennoch eine Ausschreibung vorsehen, über die der beste Leistungsbringer gefunden werden kann. Einen wichtigen Grundsatz gibt es aber bei jeder Ausschreibung: wer ausschreibt, muss sich nicht auf die Suche nach dem billigsten Produkt machen. Jede Verwaltung kann in einer Ausschreibung genau definieren, was sie kaufen möchte oder wie eine Dienstleistung ausschauen soll, so lange diese alle möglichen Anbieter gleich behandeln. So kann beispielsweise jemand, der Lebensmittel kauft, genau festlegen, welche Lebensmittel er möchte. Wer einen Transportauftrag vergibt, kann festschreiben, welche Qualität die benutzten Busse haben müssen oder kann vom Fahrer oder dem Begleiter verlangen, dass er einen Zweisprachigkeitsnachweis hat. Öffentliche Verwaltungen haben also viele Spielräume, um genau jene Leistung zum besten Preis zu bekommen, die sie möchten.
FOTO: Lebenshilfe; Rainer Sturm / pixelio.de FOTO: Lebenshilfe; Rainer Sturm / pixelio.de
Was jetzt auf Landesebene?
Die neuen EU-Vergaberegeln geben uns neuen Spielraum auf der Ebene der Landesgesetzgebung. Wir haben nun die Möglichkeit moderne Vergaberegeln nach EU-Vorgaben - noch bevor die Umsetzung im Mitgliedstaat stattfindet - einzuführen. Dies betrifft Bauaufträge, Lieferaufträge aber auch Dienstleistungsaufträge im Sozialbereich, vor allem wenn es um benachteiligte Personen oder Bevölkerungsgruppen geht. Dabei gilt es in den Ausschreibungskriterien genau zu definieren, welche Bedürfnisse der zukünftige Dienstleistungsgeber liefern soll. Aus Südtiroler Sicht ist deshalb in den Vergabekriterien besonders auf die Besonderheiten in geografischer, kultureller und sprachlicher Hinsicht Rücksicht zu nehmen, damit wir eine gerechte und qualitätsorientierte Vergabe garantieren können.

TEXT: Herbert Dorfmann