Kommentar

Volksabstimmungen in Mals

Volksabstimmung – das müssen wir in Südtirol erst lernen. Mit der Art und Formulierung von Fragestellungen, mit der Art und Weise der Diskussionen im Vorfeld, mit dem Umgang und mit dem Umsetzen des jeweiligen Ergebnisses. Die Gemeinde Mals bzw. die dortige Bevölkerung hat mit Volksabstimmungen bereits Erfahrungen gemacht.

Erwin BernhartErwin Bernhart

Zwei Volksabstimmungen – eine über die hydroelektrische Nutzung des Rambaches und eine über ein Pestizidverbot auf dem Gemeindegebiet – sind über die Bühne gegangen.
Verschiedener hätten diese Volksabstimmungen nicht sein können, im Inhalt und vor allem auch in der Wahrnehmung nach außen.
Während es bei der Abstimmung über ein E-Werk beim Rambach um eine begrenzt lokale Angelegenheit gegangen ist, hat die „Pestizidabstimmung“ in Summe eine gigantische Diskussionswelle ausgelöst, die wohl noch einige Zeit andauern wird. Auch weil die Abstimmung über ein Pestizidverbot elementare wirtschaftliche Interessen des gesamten Bauernstandes – weit über die Gemeindegrenzen von Mals hinaus – betreffen.
„Pestizidabstimmung“ zieht weite Kreise
Die Promotoren der Volksabstimmung haben für ihr Anliegen des Pestizidverbotes eine „einführende Volksabstimmung“ gewählt – das heißt, dass der Text, über den abgestimmt wird bzw. worden ist, bei entsprechendem Ausgang der Volksabstimmung in der Gemeindesatzung aufgenommen werden soll.
Die Fragestellung lautete nämlich: „Sind Sie dafür, dass in die Satzung der Gemeinde Mals folgender Artikel eingefügt wird: ... “ In der Fragestellung bzw. in der Formulierung waren die Promotoren radikal – mit einem in der öffentlichen Wahrnehmung und in den der Volksabstimmung vorausgehenden Diskussionen verkürzten Schlagwort eines „Pestizidverbotes auf dem Gemeindegebiet“.
Rechtliche Bedenken – ein Gutachten der Staatsadvokatur von Trient bewertete die Fragestellung mit Hinweisen auf die staatliche und europäische Gesetzgebung als nicht zulässig auf dem Gemeindegebiet – gab es bereits vor der Genehmigung der Fragestellung durch eine dreiköpfige Kommission. Die Entscheidung fiel in dieser Kommission auch nicht einstimmig.
Erst einen Tag vor der Abstimmung wurden die rechtlichen Bedenken in einer außerordentlichen Gemeinderatssitzung etwas entschärft. Man wolle „im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten“ den Ausgang der Volksabstimmung umsetzen.
Durch die Zulassung der Fragestellung war a priori ein „Schwarz oder Weiß“ gegeben, eine radikale Einteilung in „Pestizidgegner“ und in „Pestizidbefürworter“. Graustufen, eine Art langsames Mitnehmen der konventionell wirtschaftenden Bauern auf den Diskussionsweg, waren aufgrund dieser Ausgangslage nicht zugelassen.
Ein „Aber“ wurde im Laufe der Diskussionen deshalb auch als „Pestizidbefürworter“ eingeteilt. Die Bevölkerung der Gemeinde Mals hat bei einer 70%igen Wahlbeteiligung mit einer 75%igen Mehrheit einem „Pestizidverbot“ zugestimmt. Nimmt man die Intention des Promotorenkomitees zum derzeitigen Wortlaut des Gemeindestatutes (Art. 40 (Die Volksabstimmungen) Abs. 1 „Volksabstimmungen haben bindende Wirkung ...“) und nimmt man das eindeutige Abstimmungsergebnis der Malser Bevölkerung – dürfte es wohl keine Zweifel geben, dass der Bürgermeister Ulrich Veith und der Gemeinderat von Mals den Abstimmungstext eins zu eins in die Gemeindesatzung aufnehmen müssen. Oder? Volksabstimmung – von der Fragestellung der Promotoren über die Diskussionen im Vorfeld bis zum Umgang mit Abstimmungsergebnissen – wird man in Südtirol erst lernen müssen..

TEXT: Erwin Bernhart

KVW Aktuell

Senioren-Dasein in Südtirol

Potential der älteren Menschen wird zu wenig wertgeschätzt
Unter dem Titel „Senioren-Dasein in Südtirol“ hat das Landesinstitut für Statistik Astat gemeinsam mit der Freien Universität Bozen und dem Amt für Senioren und Sozialsprengel eine Seniorenstudie vorgelegt. Dabei wurden über 1800 Personen über 65 Jahren befragt. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen ein umfangreiches Bild der Lebenswelt älterer Menschen in Südtirol und zugleich wirft sie Fragen auf und verweist auf Bedürfnisse und Notwendigkeiten, denen es nun zu begegnen gilt.

Broschüre des Astat: Senioren-Dasein in Südtirol.Broschüre des Astat: Senioren-Dasein in Südtirol.

Auffallend ist, dass die Lebenszufriedenheit der Senioren sehr hoch ist. Am höchsten ist sie betreffend der Wohnsituation und der eigenen Familie. Etwas weniger, besonders mit steigendem Alter, die Bereiche Freundschaften und Gesundheit. Schaut man etwas genauer hin, wird das Bild jedoch etwas weniger eindeutig. In der Einschätzung ihrer Lebenszufriedenheit beziehen sich Senioren oftmals auf die Vergangenheit und auf die früheren Lebensverhältnisse. Manches Mal auch auf die Zukunft und ihre Einschätzung derselben. Beide Bezüge bringen sie zum Schluss, dass es ihnen relativ gut geht, da es in der Vergangenheit „schlechter“ war und in der Zukunft „schlechter“ sein wird. Dies kam auch schon bei den im Vorfeld an der Universität durchgeführten qualitativen Interviews zum Vorschein. So haben Senioren in dieser Vorstudie erzählt, dass sie gerne in den Urlaub fahren würden, dass dies aber ein Luxus sei, den man nicht haben müsse. So ist die hohe Lebenszufriedenheit eine relative.
Renten nicht kürzen
Dieser skeptische Blick in die Zukunft wird auch dadurch bestätigt, dass knapp 90 Prozent der Senioren der Auffassung sind, dass die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird und die Altersarmut zunehmen wird. Und die größten Wünsche der Senioren an die Gesellschaft sind, dass die Renten nicht gekürzt werden und die soziale Grundsicherung garantiert wird. (Zukünftige) Altersarmut wird von dem Großteil der Senioren als Problem gesehen. So zeigt diese Studie, dass knapp 20 Prozent der Senioren armutsgefährdet sind. Wichtig wäre es, den Themenbereich der Altersarmut noch verstärkt unter die Lupe zu nehmen. Diese Studie ist dazu eine wichtige Grundlage, müsste allerdings noch vertieft und ergänzt werden.
Mehr als die Hälfte der Senioren geben an, dass sie sich noch aktiv in die Gesellschaft einbringen möchten, sie möchten einen Beitrag leisten, die Erfahrungen des eigenen Lebens weitergeben und sich noch einmischen, den Mund aufmachen. Hier zeigen sich einerseits der Wunsch nach Anerkennung und Beteiligung und andererseits das Potential der älteren Menschen, das in der Gesellschaft noch zu wenig wertgeschätzt wird. Zwar engagieren sich viele in ehrenamtlichen Vereinen, am häufigsten verbreitet ist jedoch die Hilfe unter Nachbarn. Verständlich wird dies auch, wenn man bedenkt, dass für ältere Menschen der soziale Nahraum wieder an Bedeutung gewinnt, nachdem die Berufs- bzw. die Familienrolle abnimmt. Zugleich betonen rund ein Viertel der „nicht ehrenamtlich Engagierten“, dass ihnen die Gelegenheiten für sinnvolles Engagement fehlen. So zeigt diese Studie, dass Senioren sich engagieren, sich noch mehr in die Gesellschaft einbringen möchten, dass die derzeitigen Möglichkeiten des Engagements ihren Bedürfnissen aber oft nicht entsprechen. Auch zu diesen Fragestellungen wären noch Vertiefungen sinnvoll.
Selbständiges Wohnen
Die Wohnwünsche der Senioren sind auch im Alter an die Familie gebunden. So wünschen sich die meisten, falls sie nicht mehr selbstständig in einer Wohnung wohnen können, ein Zusammenleben mit der Familie (Kinder, Enkel, …) oder eine Unterstützung durch den Hauspflegedienst. Andere Wohnformen sind weniger gewünscht, sei es das Alters- oder Pflegeheim oder auch alternative Wohnformen wie Mehrgenerationenhäuser. Diese scheinen allerdings auch wenig bekannt zu sein, da sie in Südtirol nicht verbreitet sind. Dabei zeigt sich auch hier die Orientierung am sozialen Nahraum, da die älteren Menschen im eigenen Ort wohnen bleiben möchten.
Die seit kurzem vorliegende Seniorenstudie gibt einen guten Einblick in die Lebenswelt der älteren Menschen in Südtirol. Es gibt in Europa wenig vergleichbare Studien, die ein solch differenziertes Bild geben. Diese Studie sollte aber erst der Anfang der Auseinandersetzung zum Thema sein. Vertiefende Folgestudien zu einzelnen Aspekten und Schlussfolgerungen und Angebote um die Lebenssituationen älterer Menschen zu verbessern wären wünschenswert. So bietet diese Studie eine gute Grundlage zur Weiterarbeit für Verbände, öffentliche Einrichtungen und auch für politische Entscheidungsträger.

TEXT: Armin Bernhard

Armin Bernhard Armin Bernhard