Kommentar

Synode im Endspurt

Aufbruch oder Flop?
Die katholische Kirche in unserem Land ist wie auch anderswo seit längerem in Schwierigkeiten. Zwar gibt es viele Pfarrgemeinden, in denen der Glaube lebendig gehalten wird und in denen sich viele für ein lebendiges Gemeindeleben engagieren. Die Gotteshäuser werden aber fast überall zunehmend leerer, die Zahl der aktiven Priester nimmt rapide ab.

Heinz Zanon, SynodaleHeinz Zanon, Synodale

Angesichts der Brisanz hat Bischof Ivo Muser im Jahr 2013 eine Diöze­sansynode einberufen. Es war wohl sein Anliegen, damit möglichst viele Gläubige in die Suche nach Auswegen aus dem Abwärtstrend einzubinden und dadurch unserer Ortkirche neue Schubkraft zu verschaffen.
Darauf lässt nicht zuletzt schließen, dass Bischof Muser von Beginn an ausdrücklich erklärt hat, auch Diskussionen der Synode über heikle (weil nur auf gesamtkirchlicher Ebene zu entscheidende) Probleme zulassen zu wollen und zu erwarten.
Durch effiziente Medienarbeit und durch eine Vielzahl offener Veranstaltungen konnten schließlich landesweit Tausende Kirchenmitglieder in die Sichtung der zu bearbeitenden Themen und in die Überlegungen der Synode einbezogen werden.
Dies alles ließ eine durchaus erwünschte Erwartungshaltung entstehen.
Jetzt, nach bald eineinhalb Jahren, nähert sich die Diözesansynode ihrem Ende: sie soll am 8.12.2015 zum Abschluss kommen. Und verständlicherweise warten nunmehr viele auf die Ergebnisse der gemeinsamen Anstrengungen.
Wie werden diese beschaffen sein?
Die bisherige Ausbeute der Synode besteht in sogenannten „Visionspapieren“, in welchen die zwölf Unterkommissionen in einem ersten Arbeitsdurchgang unter Bezugnahme auf die verschiedensten Bereiche (beispielsweise in Fragen der Liturgie, der Katechese, der Spendung der Sakramente, der Organisation) Wünsche für zukünftige Entwicklungen in unserer Diözese zu formulieren hatten. Die meisten dieser „Visionspapiere“ wurden mittlerweile auch im Plenum diskutiert und verabschiedet.
Eine kritische Prüfung dieser Papiere ergibt allerdings, dass viele von ihnen sehr allgemein gehaltene oder wenig realistische Wunschvorstellungen enthalten oder den zu bearbeitenden Sachbereich nur lückenhaft abdecken.
In der jetzt angelaufenen Endphase der Synode soll es darum gehen, die zusammengetragenen Wünsche durch Vorschläge für konkret zu ergreifende Maßnahmen umzusetzen.
Die Herausforderung, der sich die Unterkommissionen in den nächsten Monaten zu stellen haben, wird es sein, auf der Grundlage der „Visionspapiere“ Vorschläge zu erarbeiten, welche in den kommenden Jahren dem Glaubensleben und der Seelsorge in unserer Diözese neue Kraft verschaffen können.
Neuausrichtung als Ziel
Bei der Bewältigung dieser Aufgabe sollte sich die Synode nicht verzetteln, sondern möglichst nur über die wesentlichen und für das zukünftige Gedeihen der Kirche in unserem Land vordinglichsten Anliegen einer Neuausrichtung eingehender beraten, beispielsweise über die Voraussetzungen für das zukünftige Funktionieren kleiner kirchlicher Gemeinschaften ohne häufige Präsenz eines Priesters, über den Inhalt und den Umfang des Dienstes, der von den wenigen noch tätigen Priestern erwartet werden kann und soll, über die zukünftige zentrale Bedeutung und Gestaltung von sonntäglichen Wort-Gottes-Feiern, über den Aufbau eines Netzes von hauptamtlichen kirchlichen Mitarbeitern, über die Schaffung einer dazu nötigen Basis der Finanzierung, über Voraussetzungen und Formen einer Einflussnahme unserer Ortskirche auf Entscheidungen der Zivilgesellschaft in wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Angelegenheiten.
Sollte dies nicht gelingen, würde die Synode nutzlos Zeit und Papier verschwendet haben.
Als jedenfalls bereits weitgehend und ergebnisorientiert abgeschlossen dürfen allerdings die Beratungen über die durch Rom zu entscheidenden heiklen Themen angesehen werden (namentlich jene zu Fragen nach der Zulassung von Frauen und von Verheirateten zu den kirchlichen Weiheämtern, über die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten, über die Spendung des Sakramentes der Krankensalbung auch durch Laien). In allen bezeichneten Angelegenheiten hat die Synode nämlich bereits am 31.1.2015 nach eingehender Diskussion in der Form der Erhebung eines „Stimmungsbildes“ mit jeweils deutlichen Mehrheiten und mit Nachdruck den Wunsch nach einer Aufgabe der bisherigen traditionellen Lehre und restriktiven kirchlichen Praxis zum Ausdruck gebracht.
Zwar steht die Verabschiedung eines förmlichen Dokuments zu den bezeichneten Fragen (also des „Visionspapiers“ der Unterkommission 12) noch aus und ist derzeit unklar, ob und in welcher Form Bischof Muser eine Verabschiedung des Papiers zulassen können wird, doch wird an der Entschiedenheit und Unzweideutigkeit der in der Synode zustandegekommenen Willensäußerung wohl nicht mehr gerüttelt werden können.

Text: Heinz Zanon

KVW Aktuell

Was ist für den Papst „Solidarität“

Eine Erklärung des Evangeliums der Freude durch Fabiano Longoni
Monsignor Fabiano Longoni hielt auf Einladung des Patronats KVW-ACLI und der Kommission für Arbeit und Soziale Gerechtigkeit einen Vortrag über die Solidarität bei Papst Franziskus. Longoni ist Direktor der Kommission für Arbeit und soziale Gerechtigkeit in der italienischen Bischofskonferenz.

Mons. Fabiano Longoni bei seinem Vortrag in BozenMons. Fabiano Longoni bei seinem Vortrag in Bozen

Fabiano Longoni begann seinen Vortrag in Bozen mit einer Erklärung, was Solidarität ist. Solidarität ist nicht nur anderen Menschen in einer Notlage zu helfen oder für eine Umverteilung der wirtschaftlichen Ressourcen zu sorgen. Es ist vielmehr die Art in einer Gesellschaft zu leben, sie bedeutet, auf der Suche nach dem Wohl für alle zu sein und eine Kultur zu fördern, in der jede Person wertvoll ist, unabhängig von ihrer sozialen Situation, von Ideen, Religion, Sprache oder ethnischer Zugehörigkeit. „Solidarität ist die Überwindung des Individualismus durch Konfrontation und Respekt für die Unterschiede“, erklärte Longoni. Die Unterschiede seien kein Hindernis, sondern eine Ressource für das Wachstum und das Gemeinwohl.
Papst Franziskus schreibt dazu im Evangelii Gaudium: „Das Wort „Solidarität“ hat sich ein wenig abgenutzt und wird manchmal falsch interpretiert, doch es bezeichnet viel mehr als einige gelegentliche großherzige Taten. Es erfordert, eine neue Mentalität zu schaffen, die in den Begriffen der Gemeinschaft und des Vorrangs des Lebens aller gegenüber der Aneignung der Güter durch einige wenige denkt.“ (EG 188)
Monsignor Longoni hat hervorgehoben, dass die christliche Gemeinde Kirche in der Welt und für die Welt ist. Deshalb hat sie die Pflicht zu Solidarität, dies bedeutet sich nicht zu verschließen und die eigene Macht zu verteidigen, sondern sich zu öffnen um das Gute im Menschen und für die Menschen zu fördern. Dies geschieht in der Begegnung mit dem Menschen von heute und in seiner Begleitung hin zum Guten, unter Berücksichtigung der Freiheit von jedem Einzelnen.
Wie wird nun das Ziel ein solidarisches Volk zu werden erreicht?
Hier verwies Longoni auf die vier Prinzipien, wie sie Papst Franziskus im Evangelii Gaudium vorschlägt.
Die Zeit ist mehr wert als der Raum
Monsignor Longoni erklärte, dass es dem Papst wichtig ist, Prozesse in Gang zu setzen. Dies ist wichtiger, als Raum zu besitzen.
„Dieses Prinzip erlaubt uns, langfristig zu arbeiten, ohne davon besessen zu sein, sofortige Ergebnisse zu erzielen. Es hilft uns, schwierige und widrige Situationen mit Geduld zu ertragen oder Änderungen bei unseren Vorhaben hinzunehmen, die uns die Dynamik der Wirklichkeit auferlegt. Es lädt uns ein, die Spannung zwischen Fülle und Beschränkung anzunehmen, indem wir der Zeit die Priorität einräumen. Eine der Sünden, die wir gelegentlich in der sozialpolitischen Tätigkeit beobachten, besteht darin, dem Raum gegenüber der Zeit und den Abläufen Vorrang zu geben. Dem Raum Vorrang geben bedeutet sich vormachen, alles in der Gegenwart gelöst zu haben und alle Räume der Macht und der Selbstbestätigung in Besitz nehmen zu wollen. Damit werden die Prozesse eingefroren.“ (EG 223)
Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee
„Die Seelsorge unter missionarischem Gesichtspunkt verlangt, das bequeme pastorale Kriterium des ‚Es wurde immer so gemacht‘ aufzugeben. Ich lade alle ein, wagemutig und kreativ zu sein in dieser Aufgabe, die Ziele, die Strukturen, den Stil und die Evangelisierungsmethoden der eigenen Gemeinden zu überdenken. Eine Bestimmung der Ziele ohne eine angemessene gemeinschaftliche Suche nach den Mitteln, um sie zu erreichen, ist dazu verurteilt, sich als bloße Fantasie zu erweisen.“ (EG 33)
Eine Methode, um die Solidarität als Ziel zu erreichen, ist nicht alleine zu gehen. Alle, Pfarreien, kirchliche Gruppen und Verbände sollen gemeinsam, als Gemeinschaft unterwegs sein. Der gemeinsam gegangene Weg schafft eine Kultur der Begegnung, des Dialogs.
Die Einheit wiegt mehr als der Konflikt
„Der Konflikt darf nicht ignoriert oder beschönigt werden. Man muss sich ihm stellen.“
Longoni zitiert aus dem Evangelii Gaudium was der beste Weg ist, um dem Konflikt zu begegnen: „ Es ist die Bereitschaft, den Konflikt zu erleiden, ihn zu lösen und ihn zum Ausgangspunkt eines neuen Prozesses zu machen“ (EG 227)
Es ermöglicht eine Gemeinschaft mit Unterschieden zu entwickeln, die nur von jenen edlen Menschen erzeugt werden kann, die den Mut haben über die Konflikte hinwegzugehen und den Anderen in seiner tiefsten Würde zu sehen/betrachten.
Das Ganze ist dem Teil übergeordnet
Für Longoni ist der Blick zu weiten um ein noch größeres Gemeinwohl zu erkennen, das alle einschließt und uns allen Gutes bringt. Und dies unabhängig von legitimen Meinungsverschiedenheiten.
„Das Ganze ist mehr als der Teil, und es ist auch mehr als ihre einfache Summe ... es ist die Gesamtheit der Menschen in einer Gesellschaft, die ein Gemeinwohl sucht, das wirklich alle einschließt.“ (EG 235, 236)
Diese vier Prinzipien hat Papst Franziskus im „Freude über das Evangelium“ als Weg zur Solidarität angeführt.

Text: Ingeburg Gurndin