Thema
Für die Rechte der Bürger
Die Institution des Patronats hat gerade das 70-jährige Jubiläum gefeiert
1945 wurde das Patronat ACLI italienweit gegründet. 1948 wurde in Südtirol die Zusammenarbeit mit dem KVW beschlossen. Aufklärung, Information und Antragstellung waren von Beginn an die Schwerpunkte der Patronatstätigkeit. Trotz der Digitalisierung der Anträge ist die persönliche Beratung immer noch wertvoll und nicht zu ersetzen. Dennoch werden die Beiträge für die Patronatstätigkeit seit Jahren kontinuierlich gekürzt.
Elisabeth Scherlin
Im landwirtschaftlichen Arbeitsbereich war es noch möglich, für alte und kranke Arbeiter zu sorgen, im Industriebetrieb hingegen nicht mehr. Die Regierungen mussten über eine Pflichtversicherung für Alter, Invalidität, Arbeitslosigkeit und für die Hinterbliebenen nachdenken. In Italien trat die Sozialversicherungsgesetzgebung mit 15. Juli 1920 in Kraft. Für jene Provinzen, die nach dem Ersten Weltkrieg Italien angegliedert wurden, erst mit 1. März 1926. Italien wurde damals von den Faschisten regiert und die einheimischen Arbeiter hatten kein Vertrauen in das neue Versicherungssystem. Die rein italienischsprachigen Gewerkschaftsvertreter hatten keine Möglichkeit, die Arbeitnehmer über die Notwendigkeit der Sozialversicherung aufzuklären. Dies war der Grund, dass bis nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges die Mehrheit der Südtiroler Bevölkerung nicht sozial- und somit auch nicht rentenversichert war.
Seit 1948 auch in Südtirol
1945 wurde das Patronat ACLI italienweit gegründet. 1948 wurde in Südtirol die Zusammenarbeit mit dem KVW beschlossen. Nun hielten die Mitarbeiter des Patronats KVW-ACLI in allen Orten Südtirols Versammlungen ab und klärten die Bevölkerung über die Wichtigkeit der Sozialversicherung auf. In diesen Versammlungen wurden die Arbeiter auch über ihre Rechte und Pflichten informiert und wie man in den Genuss der vorgesehenen Leistungen kommt. Aufklärung, Information und Antragstellung sind also von Beginn an die Schwerpunkte der Patronatstätigkeit. Die Kontrolle der Bescheide darf aber auch nicht vergessen werden. Vermittler sein zwischen Bürger, die sich im Gesetzeswirrwarr nicht zurechtfinden, und öffentlichen Körperschaften war und ist die Tätigkeit des Patronats.
Der persönliche Kontakt zählt
Seitdem einige öffentliche Körperschaften den Schalterdienst und somit den Parteienverkehr sehr eingeschränkt haben, Anträge nicht mehr in Papierform sondern nur mehr online gestellt werden können, sind die Patronate weiterhin wichtige Ansprechpartner in der sozialen Für- und Vorsorge. In den landesweit vertretenen Patronatsbüros können die Bürger noch mit Mitarbeitern sprechen, die zuhören und in einem persönlichen Gespräch die entsprechenden Verwaltungsvorgänge vorbereiten. Der lapidare Hinweis „Fordern Sie einen PIN an und machen Sie alles selber“ gilt für die Patronate nicht. Die Telematisierung der Anträge und der Zugriff zu den verschiedenen Datenbanken erleichtern die Arbeitsabläufe der Körperschaften und der Patronate. Die Anträge werden vollständig in die Datenbanken der Körperschaften gespeist, die MitarbeiterInnen des Patronats können den Bearbeitungsstand der Anträge auch online abrufen. Technische Hilfe ist auch notwendig, wenn die 26 MitarbeiterInnen des Patronats KVW-ACLI über 69.725 statistisch erfasste Aktenvorgänge verwalten müssen. Konkret wurden im Jahr 2015 bis Mitte Februar 2016 folgende Anträge positiv abgeschlossen: 440 Invalidenrenten, 920 Alters-, Früh- und Zusatzrenten, 645 Hinterbliebenenrenten, 2.104 Neufestsetzungen der Renten, 9.042 Anträge um Arbeitslosengelder, 2.137 Anträge um Mutterschaftsgelder, 6.697 Überprüfungen Versicherungspositionen, 173 Beratungen Zusatzrentenfonds, 776 Anträge um Pflegegeld, 5.387 Anträge um Familiengeld über den Lohnstreifen, 11.563 Anträge um Familiengeld der Region und des Landes sowie etwa 300 fachärztliche Untersuchungen.
Kostenlose Tätigkeit
Die oben angeführten Anträge wurden vom Patronat KVW-ACLI für die Antragsteller kostenlos eingereicht. Nicht angeführt wurden die vielen Beratungsgespräche und Telefonate, die nicht zu einer positiven Antragstellung geführt haben. In den vergangenen Jahren konnte festgestellt werden, dass die Anzahl der Bürger, die sich an die Patronate wenden, ständig steigt. Dies kann auf verschiedene Ursachen zurückgeführt werden: neue unübersichtliche, teilweise vereinbare Leistungen, Gesetzesänderungen auf nationaler, regionaler und provinzieller Ebene, fehlende Erreichbarkeit der öffentlichen Körperschaften und natürlich die Fachkompetenz, Erfahrung und territoriale Erreichbarkeit der Patronatsmitarbeiter.
Beiträge werden gekürzt
Die Arbeit wird aber nicht von jedem anerkannt und geschätzt. Der italienische Staat, der die Patronats
tätigkeit mit von den Sozialversicherten bezahlten Beiträgen finanziell unterstützt, kürzt seit Jahren. Im Stabilitätsgesetz 2015 wurde eine Kürzung der nationalen Patronatsfinanzierung von 35 Millionen genehmigt, im Stabilitätsgesetz 2016 ist eine weitere Kürzung von 15 Millionen enthalten. Berücksichtigt man, dass es sich bei der Patronatsfinanzierung um keine Steuergelder handelt, dass der Staat nur positive Anträge entschädigt, dass die Patronate zu 94 staatlichen Anträgen verpflichtet sind, davon aber nur 35 finanziell entschädigt werden, die Patronate Aufgaben der öffentlichen Verwaltung übernehmen und somit eigentlich eine Kosteneinsparung für die öffentliche Hand sind, versteht man die finanzielle Einschnitte nicht.
Die Rechte der Bürger einfordern
Will der Staat die Patronate „ausschalten“, da sie die Rechte und Leistungen der Bürger einfordern und verteidigen? Ohne fristgerechten und formalen Antrag verfällt nämlich das Anrecht auf eine finanzielle Leistung und somit entstehen Einsparungen für den Staatshaushalt. Soll die Patronatstätigkeit für die Hilfesuchenden kostenpflichtig und auch von Freiberuflern gegen Honorar angeboten werden? Dies hätte wiederum zur Folge, dass nicht alle Berechtigten die entsprechenden Informationen erhalten und Anträge einreichen. Die Finanzschwachen würden in ihren Rechten beschnitten.
Erstmals Finanzierung vom Land
Der Angriff auf die Patronate auf Staatsebene erfolgt mit ungerechtfertigten finanziellen Kürzungen. Auf regionaler Ebene werden die Patronate mit einem Fonds finanziell unterstützt, da auch für die Landesverwaltungen der Autonomen Region Trentino-Südtirol Anträge eingereicht werden. Das Land Südtirol hat erstmals den Patronaten eine Finanzierung in der Höhe von 300.000 Euro zugesichert. Über die Patronate werden nämlich auch Anträge zugunsten der Landesverwaltung eingereicht (zum Beispiel Familiengeld des Landes oder Pflegegeld). In Südtirol gibt es zwölf Patronate, die aufgrund dieser Beiträge ihre Dienste anbieten können. Das Patronat KVW-ACLI belastet die Antragsteller mit keinem Gewerkschaftsbeitrag, Bearbeitungsgebühr oder sonstigem. Der Antragsteller bekommt zu 100 Prozent die finanzielle Leistung von der öffentlichen Körperschaft gutgeschrieben.
Spenden unterstützen Patronate
Mit Spenden können die Antragsteller und Gönner das Patronat KVW-ACLI unterstützen, damit auch weiterhin der Dienst in der heute angebotenen Form weitergeführt werden kann und auch in Südtirol der 70. Jahrestag des Patronats KVW-ACLI mit Freude gefeiert werden kann.
Text: Elisabeth Scherlin
Tätigkeit des Patronats KVW-ACLI im Jahr 2015
Unfälle und Berufskrankheiten | 197 |
Invaliden-, Alters-, Dienstalters-, Hinterbliebenenrenten, Sozialrenten, Revision der Invalidenrenten, Auslandsrenten |
2.508 |
Neufestsetzung der Renten, Rentenzuschläge, Kriegsrenten, Leistungen an Zivilinvaliden |
2.090 |
Weitergewährung der Hinterbliebenenrente, Bonus Gesetz, Ansuchen um Auszahlung der angelaufenen und nicht behobenen Rentenraten, Familienzulagen, Ermächtigung zur Familiengeld, Krankheits- und Mutterschaftsgelder, Thermalkuren, Rentenneufestsetzungen einkommensbezogen, Begünstigung laut Gesetz 104, Bonus Bebè |
10.388 |
Anträge auf Arbeitslosengeld | 9.958 |
Eingaben wegen Schuldverschreiben, Versicherungsauszüge, freiwillige Weiterversicherung, freiwillige Aufzahlung der Pensionsbeiträge, Nachkäufe der Versicherungszeiten, Gutschrift von Ersatzzeiten, Zusammenlegung, Eintragungen und Richtigstellungen für Selbständige |
8.792 |
Überprüfungen bei NISF, Enpals, Sanitätseinheit, Enasarco, ausländische Institute, IPOST, FF.SS., Inarcassa, INPDAP, INPGI, ENPAF, MINISTERI, Familienprojekt, Arbeitsprojekt |
9.485 |
Eingaben beim Zusatzrentenfonds | 1.013 |
Anträge betreffend Aufenthaltsgenehmigungen und -scheine | 823 |
Pflegegeld | 816 |
Vorsorgepaket: Hausfrauenrenten Rückerstattung wegen Todesfall, angereifte und nicht behobenen Raten und anderes Integrierung zum Mindestbetrag, Reduzierung Beitrag, Einkommensmeldung Zuschuss an Rentenversicherung Erziehungsgeld, staatliche Mutterschaftsgelder - Gesetz 448/98 Staatliche Familiengelder – Gesetz 448/98 Familiengeld Region und Land |
25 428 234 390 125 289 10.710 |
Fachärztliche Untersuchungen | 208 |
Gerichtliche Eingaben | 1 |
Insgesamt | 58.480 |