2 Entwicklung der Rahmenbedingungen

2.1 Die Bevölkerungsentwicklung in der Gemeinde Meran: Zuwanderung und Alterung der Gesellschaft

Die Entwicklung der Gesellschaft ist durch einige konstante Trends gekennzeichnet, aber auch durch Veränderungen, die auf unterschiedlichen Wirkungsfaktoren beruhen. Die Menschen erwarten dann von den Institutionen Antworten auf neue Problemsituationen. Die Politik und die Verwaltung nehmen die Wandlung und verschiedentlich eine Verschärfung der sozialen Bedarfslagen wahr. Zeitreihen der Daten zur Zusammensetzung der Bevölkerung und zu den Charakteristiken der verschiedenen Altersgruppen und der Haushalte liefern empirische Nachweise zu den entsprechenden Entwicklungen. In diesem Kapitel werden Daten der Bevölkerungsstatistik und anderer Erhebungen präsentiert, die eine Grundlage für die Erfassung der Problemlagen und die Ausrichtung der Sozialpolitik in Meran liefern.
Der Trend einer kontinuierlichen Zunahme der Wohnbevölkerung hält, wie auch in den anderen größeren Zentren Südtirols, auch in der Gemeinde Meran weiter an. Zum 31.12.2017 waren laut Daten des Meldeamtsregisters 40.594 Personen in Meran ansässig, das entspricht einer Zunahme von 21% im Vergleich zum Jahr 1987.
Abbildung 2-1: Bevölkerungsentwicklung in den größten Städten Südtirols 1921 - 2016
Quelle: Daten Astat 2017, Bevölkerungsstand am 31.12 des jeweiligen Jahres, eigene Ausarbeitung
Für diesen Anstieg der Wohnbevölkerung ist die Zuwanderung der letzten drei Jahrzehnte von zentraler Bedeutung. Dies wird umso deutlicher, wenn man berücksichtigt, dass in Meran die Geburtenbilanz (Differenz zwischen Lebendgeborenen und Verstorbenen) nach 20 Jahren erst seit 2006 wieder fast kontinuierlich positive Zahlen aufweist. Ausschlaggebend sind hierfür die Zuwanderung direkt mit einem positiven Wanderungssaldo1 im drei- bis vierstelligen Bereich seit 15 Jahren, aber auch die höhere Geburtenrate unter den in der Provinz Bozen lebenden ausländischen Frauen: Eine Ausländerin bringt im Laufe ihres Lebens im Schnitt 2,5 Kinder zur Welt, bei den Inländerinnen liegt die Gesamtfruchtbarkeitsziffer bei 1,6 Kindern2.
Zum 31.12.2017 hatten ein Meraner bzw. eine Meranerin unter 20 Jahren auf fünf eine ausländische Staatsbürgerschaft; etwas höher war die Quote der ausländischen Kinder unter den Kindern im Vorschulalter. Unter den zehn meistvertretenen Nationen unter der ausländischen Wohnbevölkerung stammte zum 1. Jänner 20173 der absolut größte Teil aus Albanien (fast 1.000 Personen), gefolgt von Deutschland, Mazedonien, Kosovo, Marokko, Pakistan, Rumänien, Indien, Slowakei und der Ukraine. Insgesamt lag der Anteil ausländischer MitbürgerInnen in der Gemeinde Meran Ende 2017 bei 16,3 %, um 4% höher als zehn Jahre zuvor. Damit liegt Meran unter den zehn Gemeinden Südtirols mit dem höchsten Ausländeranteil an fünfter Stelle nach Franzensfeste, Salurn, Waidbruck und Brenner und hat einen höheren Ausländeranteil als andere große Zentren wie Bozen (14,1%), Brixen (10,1%) oder Sterzing (10,9%)4.
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1 Der Wanderungssaldo ist die Differenz zwischen Ab- und Zuwanderung.
2 Astatinfo 32/2018, Ausländische Wohnbevölkerung 2017.
3 Istat, online Datenbanken.
4 Astatinfo 32/2018, Ausländische Wohnbevölkerung 2017.
Abbildung 2-2: Altersstruktur der Wohnbevölkerung in der Gemeinde Meran nach In- und Ausland (Melderegister, Stand 31. Dezember 2017)
Quelle: Daten Astat 2018, Melderegister zum 31.12.2017, eigene Ausarbeitung
Der Beitrag der jungen ausländischen Wohnbevölkerung kann dem generellen demografischen Trend der Alterung der Gesellschaft nur bedingt entgegenwirken. Der Anstieg der Lebenserwartung einerseits und die stagnierenden Geburtenraten andererseits führen zu einer kontinuierlichen Zunahme der älteren Altersgruppen. Diese ganz Europa betreffende demografische Entwicklung ist in der Gemeinde Meran stärker ausgeprägt als auf dem restlichen Landesgebiet.
Abbildung 2-3: Altersstruktur der Bevölkerung in der Gemeinde Meran 1997, 2007 und 2017 Stand 31. Dezember 2017)
Quelle: Daten Astat 2018, Melderegister zum 31.12 des jeweiligen Jahres, eigene Ausarbeitung
Abbildung 2-4: Bevölkerungsentwicklung in der Gemeinde Meran 1997, 2007 und 2017, Alterspyramiden
Quelle: Astat 2018, Melderegister zum 31.12 des jeweiligen Jahres, eigene Berechnungen
Einen klaren Überblick über das Verhältnis zwischen den Generationen liefern Indikatoren wie der Abhängigkeitsquotient und der Alterungsindex. Der Alterungsindex, der die Zahl der SeniorInnen (von 65 aufwärts) auf 100 junge Menschen (unter 15 Jahren) ausdrückt, ermöglicht es, den Alterungsgrad der EinwohnerInnen eines Gebiets zu messen. Meran hat Ende 2017 einen Alterungsindex von 153,5 erreicht, + 6,8 Prozentpunkte im Vergleich zu 1997. Auf jeden jungen Menschen unter 15 Jahren leben 1,5 SeniorInnen in Meran. Dieser Wert liegt um über 30 Punkte höher als der Landesdurchschnitt, obwohl dieser Index zwischen 1997 und 2017 auch auf Landesebene um fünfunddreißig Punkte angestiegen ist. Wie aus dem Zeitvergleich ersichtlich, wohnen in der Gemeinde Meran jedoch schon historisch gesehen wesentlich mehr SeniorInnen als im Landesgebiet im Durchschnitt.
Abbildung 2-5: Alterungsindex Stadt Meran und Südtirol, Jahre 1997, 2007, 2017
Quelle: Astat 2018, Melderegister zum 31.12 des jeweiligen Jahres, eigene Berechnungen
Der strukturelle Abhängigkeitsquotient hingegen spiegelt das prozentuelle Verhältnis zwischen der erwerbsfähigen und der finanziell abhängigen Bevölkerung wider und drückt somit das Verhältnis zwischen der Bevölkerung von 0 - 14 Jahren und über 65 Jahren einerseits und der Bevölkerung im Alter von 15 - 64 Jahren andererseits aus. Dieses Verhältnis bringt die soziale und finanzielle Belastung der erwerbsfähigen Bevölkerung zum Ausdruck. Werte über 50 Prozent weisen auf ein Ungleichgewicht zwischen den Generationen hin: wie auch im restlichen Landesgebiet ist der Abhängigkeitsquotient in der Stadt Meran in den letzten Jahren angestiegen und hat Ende 2017 einen Wert von fast 60 nicht erwerbsfähiger Personen je 100 erwerbsfähige Personen erreicht.
Abbildung 2-6: Struktureller Abhängigkeitsquotient Stadt Meran und Südtirol, Jahre 1997, 2007, 2017
Quelle: Astat 2018, Daten Melderegister zum 31.12 des jeweiligen Jahres, eigene Berechnungen

2 Entwicklung der Rahmenbedingungen

2.2 Haushalte und Wohnen

Mit der langsamen aber stetigen Zunahme der Wohnbevölkerung steigt zwar die Anzahl der registrierten Haushalte, die durchschnittliche Haushaltsgröße hat sich jedoch in den letzten zwei Jahrzehnten in der Gemeinde Meran, wie auch in Bozen, auf 2,1 Haushaltsmitglieder stabilisiert. Ende 2017 gab es in Meran 18.787 Haushalte, davon waren 42,1% Einpersonenhaushalte (Bozen 41,2%). Der Südtiroler Landesdurchschnitt von 2,4 Personen pro Haushalt ergibt sich durch die höhere Anzahl an Haushaltsmitgliedern in den Familien der ländlichen Gemeinden.
Abbildung 2-7: Haushaltsgrößen Gemeinde Meran, Gemeinde Bozen und Südtirol in %, 2017
Quelle: Daten Astat 2018, Daten Melderegister zum 31.12.2017
Neben der Alterung der Gesellschaft nimmt auch die sich wandelnde Familienstruktur Einfluss auf die Fragmentierung der Haushalte: Ehetrennungen und –scheidungen sind in ganz Südtirol in den letzten Jahren in beachtlichem Maße gestiegen. Im letzten Jahrzehnt stehen drei neuen Ehen zwei neue Trennungen oder Scheidungen gegenüber. Bis 1995 lag das Verhältnis zwischen Eheschließungen und -auflösungen hingegen im Landesdurchschnitt noch bei drei zu eins. Eine gesellschaftliche Entwicklung die nach heutigem Stand und bei gleich bleibendem Scheidungsverhalten bedeutet, dass im Laufe der Zeit 40% aller ehelichen Gemeinschaften geschieden werden5.
Der Zunahme der Haushalte steht ein steigender Bedarf an Wohnraum gegenüber.6 Das menschliche Grundbedürfnis nach sicherem und bezahlbarem Wohnen ist auch in Südtirol in den letzten zehn Jahren eine Priorität für die Bevölkerung geblieben.7 Den Daten folgend scheint die Bereitstellung von preiswertem Wohnraum auch für die Stadtgemeinde Meran eine Herausforderung. Nach den vom Astat veröffentlichten Daten war Meran im Jahr 2015 unter den Gemeinden mit der stärksten Zunahme der Markthöchstpreise für den Wohnungskauf8 und - obwohl Meran im Durchschnitt nicht die Quadratmeterpreise und Mieten von Bozen und Brixen erreicht - so gesellt es sich doch zu den urbanen Zentren Südtirols mit hohen Wohnungskaufpreisen und Mieten
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5 Quelle: Astat, Astatinfo Nr. 38, 7/2017, Ehetrennungen und Ehescheidungen 2016.
6 Siehe AFI, Forschungsbericht Wohnen 2030 - Neue Perspektiven für Südtirols Wohnpolitik. Publikation Nr. 1|2017, August
7 Siehe AFI, AFI Barometer, Frühjahr 2017, Wieviel darf Wohnen kosten?, 19. April 2017 und Astat, Gesellschaftliche Probleme aus Sicht der Südtiroler (Mehrzweckerhebung der Haushalte 2007), Astat INFO, Nr. 32, Juli 2008, S.2.
8 Astat, Schriftenreihe 2016, Bautätigkeit und Immobilienmarkt in Südtirol, 2015, S. 116
Abbildung 2-8: Markt und Mietwerte der Wohnungen in sehr gutem Erhaltungszustand nach Art der Lage, Auswahl an Gemeinden - 2015
Quelle: Astat, Schriftenreihe 2016, Bautätigkeit und Immobilienmarkt in Südtirol, 2015, S. 230, Tab. 14
Auch die Wohnnebenkosten sind in der Stadtgemeinde Meran eher hoch. Laut den Abgabentarifen für Gebäude nach Art und Gemeinde der Beobachtungsstelle für Preise und Tarife geben Familien in der Stadtgemeinde Meran fast drei Mal so viel für Trinkwasser, Abwasser und Hausmüllentsorgung aus wie Familien im Südtiroler Gemeindedurchschnitt. Auch im Vergleich zu Bozen sind diese Spesen insgesamt um fast 30% höher. Ins Auge fällt besonders, dass eine Familie mit zwei Kindern pro Kopf fast gleich viel bezahlt wie eine nur aus Erwachsenen zusammengesetzte Familie.9
Abbildung 2-9: Abgabentarife für Gebäude nach Art und Gemeinde – 2017
Quelle: Daten Beobachtungsstelle für Preise und Tarife, Meldungen der Gemeinden | Auswertung: ASTAT, eigenen Berechnungen.
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9 Die genaue Beschreibung der zur Berechnung der Beispiele herangezogenen Merkmale ist auf der Internetseite der Beobachtungsstelle für Preise und Tarife zu finden: www.provinz.bz.it/beobachtungsstelle-preise-tarife/tarife/abfrage-tarife-trinkwasser.asp
10 Angabe Beobachtungsstelle für Preise und Tarife: Die Beträge beziehen sich auf den direkten Wasserverbrauch. Aus Gründen der Vergleichbarkeit werden mögliche feste Spesenbestandteile sowie die Grundgebühren für Trinkwasseranschluss- und Zähler, die von einigen Gemeinden angewendeten werden, von der Tarifberechnung ausgeschlossen.
Das Institut für den sozialen Wohnbau verfügte am 31.12.2017 in Meran über 1.470 Wohnungen, von denen 1.379 mit MieterInnen besetzt waren. Die 414 vom letzten Bauprogramm vorgesehenen Wohnungen wurden bis zum 31.12. 2017 übergeben. Mit Beschluss der Landesregierung Nr. 1052 vom 16. Oktober 2018 ist ein neues Wohnbauprogramm für das Institut für den sozialen Wohnbau für den Zeitraum 2018 bis 2022 aufgelegt worden, wobei 30 Sozialwohnungen für die Stadtgemeinde Meran vorgesehen sind.
Die Zahl der Ansuchen ist in den letzten Jahren steigend, ein Trend der jedoch durchaus im Rahmen der Zunahme der Wohnbevölkerung liegt. Im Hinblick auf die Sprachgruppenzugehörigkeit der Gesuchsteller ist eine Zunahme der italienischsprachigen Antragsteller zu bemerken, besonders ins Auge fällt jedoch die starke Zunahme der ausländischen Antragssteller; diese haben im Jahr 2017 42,9% der gültigen Gesuche eingereicht.
Abbildung 2-10: Eingereichte gültige Gesuche beim Institut für den sozialen Wohnbau um Zuweisung einer Mietwohnung in Meran nach Sprachgruppe, 2003, 2007, 2016 und 2017
Quelle: Daten Wohnbauinstitut *n.v. = nicht verfügbar
In der Bearbeitung der gültigen Gesuche wird je nach Bedürftigkeit eine Punktezahl vergeben, wobei versucht wird, den Gesuchstellern mit 25 und mehr Punkten vorrangig eine Wohnung zuzuweisen, an SeniorInnen allerdings bereits mit 20 Punkten. Die Zahl der Zuweisungen hängt jedoch von der Verfügbarkeit der Wohnungen ab und unterliegt somit von Jahr zu Jahr starken Schwankungen. Für die Zuweisung der Wohnungen des WOBI gibt es verschiedene Rangordnungen. Die entsprechende Regelung ist mit Art. 100 Abs. 7 des LG Nr. 13/1998 festgelegt worden. Art. 101 Abs. 2 bis legt die Kriterien für die Quote der Sozialwohnungen fest, die Nicht-EU-BürgerInnen zugewiesen werden können. Die konkrete Anzahl wird jährlich mit Beschluss der Landesregierung festgelegt. 2018 sind es laut Beschluss der Landesregierung Nr. 190 vom 6. März 2018 für ganz Südtirol insgesamt 40 Sozialwohnungen.
2016 waren in Meran 467 gültige Gesuche und 2017 468 gültige Gesuche eingereicht worden. Davon erreichten 114 bzw. 103 25 und mehr Punkte. Von den zugewiesenen Sozialwohnungen entfielen auf Nicht-EU-BürgerInnen 5 im Jahr 2016 und 5 im Jahr 2017, was 11,6 bzw. 13,2 Prozent der Zuweisungen entspricht, also aufgrund der Quotenregelung einem weit geringeren Anteil als dem nachgewiesenen Bedarf
Abbildung 2-11: Erfolgte Zuweisungen durch das Institut für den sozialen Wohnbau in Meran 2016 und 2017 an GesuchsstellerInnen mit mehr als 25 Punkten
Quelle: Daten Wohnbauinstitut