Es gibt Eulen und es gibt Lerchen. Der Schlaf ist eine sehr individuelle Angelegenheit. Eine feste Regel gibt es nicht, aber einige Anhaltspunkte, die helfen, zur besten persönlichen Schlafqualität zu finden.
Dr. Harald Ausserer
Wir tun es jeden Tag, unser ganzes Leben lang, aber was es mit dem Schlaf auf sich hat und wie Schlafen funktioniert, wissen nur die wenigsten.
Gut schlafen heißt nicht unbedingt lang schlafen. Es gibt Menschen, die mit fünf Stunden auskommen, andere brauchen acht Stunden, um aktiv und frisch ihren Tag zu bewältigen. Zu viel Schlaf ist ebenso problematisch wie zu wenig Schlaf. Je älter wir werden, desto weniger Schlaf brauchen wir. Gut schlafen heißt nicht, ungestört durchzuschlafen. Ein paar Mal aufwachen während der Nacht ist der Schlafqualität absolut nicht abträglich, vorausgesetzt, man schläft gleich wieder ein.
Schlaf ist nicht gleich Schlaf. Der Schlaf ist eine stete Abfolge von mehreren Zyklen, mehr oder weniger lange, leichte und tiefe Phasen wechseln sich ab und es ist genau diese Abfolge, die einen guten und erholsamen Schlaf kennzeichnet.
Der Neurologe Dr. Harald Ausserer hat sich intensiv mit dem Thema Schlaf auseinandergesetzt. Weitere Spezialgebiete seiner Tätigkeit sind Epilepsie sowie Berg-, Höhen- und Expeditionsmedizin.
Chance: Gut schlafen heißt also nicht, sofort einschlafen und schlafen wie ein Stein?
Dr. Ausserer: Nein, gut schlafen heißt, mehrfach wellenförmige Leicht- und Tiefschlafphasen während der Nacht zu durchlaufen. Viele Menschen beklagen sich, sie hätten schlecht geschlafen, seien mehrmals aufgewacht während der Nacht, aber dann bewältigen sie ihren Tagesablauf ohne Probleme. Da kann der Schlaf so schlecht nicht gewesen sein, der Körper holt sich den Schlaf, den er braucht! Der schlecht empfundene Schlaf ist oft nur eine falsche Idee von Schlaf, eine Fehleinschätzung also.
Chance: Schlafen ist ja eigentlich ganz schön anstrengend…
Dr. Ausserer: Das stimmt. Warum schlafen wir eigentlich? Was passiert da? Das ist längst nicht zur Gänze erforscht und beschäftigt die Wissenschaftler immer noch. Eines steht fest: Der Schlaf ist im Grunde eine psychologische Angelegenheit und Notwendigkeit. Das Gehirn braucht diese Zeit, um unserer Erlebnisse aufzuarbeiten und um zu sortieren, um das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen, um zu entscheiden, was behalten werden muss und was vergessen werden kann.
Chance: So gesehen ist die Nacht ja alles andere als geruhsam!
Dr. Ausserer: Für das Gehirn ist der Schlaf harte Arbeit und deshalb verbraucht der Körper auch sehr viel Energie in der Nacht.
Chance: Sie sprechen von zwei Schlaftypen, Eulen und Lerchen.
Dr. Ausserer: Das ist natürlich ein sehr vereinfachtes aber sehr effizientes Bild für die beiden Schlaftypen. Es gibt nachtaktive Menschen, die am frühen Morgen nicht sehr leistungsfähig sind und frühaktive Menschen, die am Abend Mühe haben, die Augen offen zu halten. Das ist genetisch bedingt, da kann man nichts dagegen tun. Was man tun kann, ist hingegen gemäß seiner Veranlagung und nicht dagegen zu leben. Im Berufs-Alltag ist es leider so, dass wir oft gegen diese Veranlagung leben müssen. In großen Betrieben gibt es Mitarbeiterstudien wonach die Angestellten in die unterschiedlichen Kategorien eingeteilt werden und einen entsprechenden Arbeitsstundenschlüssel, bzw. Turnusse erhalten, die dieser Veranlagung Rechnung tragen. Das Ergebnis ist eindeutig: Wer nach seinem inneren Rhythmus arbeiten kann, leistet mehr und wird weniger krank!
Chance: Was sollte man beachten, um gut zu schlafen?
Dr. Ausserer: Zunächst einmal eines: Nur dann zu Bett gehen, wenn man wirklich müde ist. Wer sich beklagt, dass er lange braucht, um einzuschlafen, ist vielleicht einfach nicht müde genug! Genauso wie Personen, die um 21 Uhr zu Bett gehen, sich nicht zu wundern brauchen, wenn sie ab 4 oder 5 Uhr früh nicht mehr schlafen können. Der Körper hat genug Schlaf gehabt!
Chance: Die famose innere Uhr!
Dr. Ausserer: Genau. Wer seinen Körper kennt und auf diesen hört, findet von ganz allein den richtigen Rhythmus.
Chance: Wie sieht es aus mit dem Mittagsschläfchen? Viele schwören darauf, andere wiederum sind danach nur noch müder.
Dr. Ausserer: Die aktuelle Empfehlung liegt bei 15 bis maximal 20 Minuten. Auf keinen Fall länger, sonst kann nämlich eine Tiefschlafphase eintreten und wird man aus dieser herausgerissen, dann fühlt man sich tatsächlich müder als vorher. Aber da ist noch etwas zu beachten: Wer mittags schläft, dem fehlt es am Abend an Müdigkeit und damit fällt das Einschlafen wieder schwer. Man sollte sich deshalb gut überlegen, ob es den Mittagsschlaf tatsächlich braucht!
Chance: Sollte man einen regelmäßigen Schlafrhythmus haben?
Dr. Ausserer: Besser wäre es, aber Ausnahmen z. B. am Wochenende oder während des Urlaubs schaden nicht. Wichtig ist, dass ich Tag und Nachtphasen einhalte und diese entsprechend gestalte. Das heißt, dass ich den aktiven Tagesbereich im Hellen verbringe, die Nacht- bzw. Schlafphase im Dunkeln. Es empfiehlt sich z. B. nicht im Bett zu lesen, noch schnell Mails und WhatsApp zu checken oder Fernsehen zu schauen. Das Schlafzimmer sollte wirklich eine Schlafhöhle sein!
Chance: Schlafstörungen sind oft ein Hinweis auf tiefer liegende Störungen?
Dr. Ausserer: Das stimmt. Ein zu großes Schlafbedürfnis oder Nichtschlafenkönnen ist oft auch ein Hinweis für das Vorliegen einer Depression. Hier kann eine medikamentöse Therapie hilfreich sein. Es gibt Medikamente, die den Schlaf verbessern, tagsüber zu mehr Energie verhelfen und dabei - das ist entscheidend - nicht abhängig machen. Wer Schlafstörungen hat, sollte sich an seinen Arzt wenden, dies ist insbesondere dann nötig, wenn eine gesteigerte Tagesmüdigkeit vorliegt.