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Besser früh als spät

Diagnosen: Pandemie verlangsamt Screening – Zu geringe Teilnahme an HPV-Impfung
Die Teilnahme an den Screening-Programmen und der HPV-Impfkampagne in Südtirol lässt zu wünschen übrig! Der Primar der Abteilung für Anatomie und pathologische Histologie, Dr. Guido Mazzoleni, nahm die traditionelle Pressekonferenz der ATAA am 4. Februar, dem Weltkrebstag, zum Anlass, um Kritik zu üben. Zahlenmäßig sind die Südtiroler italienweit fast das Schlusslicht.
Die Woche um den 4. Februar ist immer eine Gelegenheit für die Medien, sich mit den neuesten Daten über die Gesundheit der Südtiroler zu versorgen, zumindest was die Krebserkrankungen betrifft. Dr. Mazzoleni, der auch Leiter des Südtiroler Krebsregisters ist, ist Dauergast dieser Veranstaltung, denn er hat alle Zahlen in der Hand und vor Augen, und über seinen Schreibtisch laufen alle Ergebnisse der in Südtirol durchgeführten Biopsien und Screenings. Das Jahr 2020 ist allerdings nicht mit anderen Jahren zu vergleichen. Die Covid-19-Pandemie hat indirekt auch den Trend der onkologischen Erkrankungen beeinflusst. Und das nicht nur wegen der Schwierigkeit, festzustellen, wer im Jahr 2020 an Krebs und wer an Covid gestorben ist. „Es herrscht allgemein große Unklarheit“, bekräftigte der Chefarzt.
Aber nicht alles ist schwarz, es gibt auch wichtige positive Trends zu vermelden: Zum ersten Mal seit Jahren ist die Zahl der Melanome rückläufig; tatsächlich verzeichnet Südtirol seit Jahren die höchste Pro-Kopf-Zahl in ganz Europa. Mazzoleni: „Wir haben es hier eindeutig mit einer Trendwende zu tun, das bedeutet, dass die Menschen endlich vorsichtiger sind und sich angemessen schützen.“ Ein weiterer signifikanter Rückgang betrifft gut differenzierte Schilddrüsenkarzinome bei Frauen, die Südtiroler Zahlen liegen unter dem nationalen Trend. Italien hält zusammen mit Südkorea den Rekord für die weltweite Inzidenz was diesen Krebs anbelangt. "Es handelt sich allerdings um gut differenzierte Neoplasmen, an denen die Patienten in der Regel nicht sterben, und die Daten sind vermutlich auf Überdiagnosen zurückzuführen", erklärte Dr. Guido Mazzoleni.
Eine sehr interessante Zahl, auch aus soziologischer Sicht, ist der Rückgang der Krebs-Inzidenz in der männlichen Bevölkerung, während sie bei den Frauen nahezu stabil bleibt. Der Grund hierfür liegt vor allem in der Tatsache, dass bei Frauen der Lungenkrebs zunimmt. Dieser äußerst aggressive Krebs steht sowohl bei Männern (10,2%) als auch bei Frauen (7,4%) immer noch an dritter Stelle, aber während die Zahlen bei Männern tendenziell rückläufug sind, weil sie weniger rauchen, nimmt dieser Krebs bei Frauen zu, weil sie mehr und früher damit beginnen, zu rauchen. Rauchen ist nach wie vor der größte Risikofaktor nicht nur für Lungenkrebs , sondern für eine Vielzahl onkologischer Erkrankungen. In Bezug auf das Rauchen sind die Südtiroler allerdings vorbildlich. Nur in der Lombardei wird laut Statistik weniger geraucht. Anders sieht es beim Alkoholkonsum aus. Hier nimmt die Provinz Bozen mit 37,3% den ersten Platz in Italien ein, gefolgt von Trentino (31,5%) und Molise (29,3%); am tugendhaftesten, auf dem letzten Platz, sind die Kalabresen mit nur 7%.
Die Beteiligung am Brustkrebs-Screening ist, laut Dr. Mazzoleni, „akzeptabel", aber sie könnte viel höher sein, zumal die Frauen in der entsprechenden Altersgruppe in Südtirol zusammen mit der Aufforderung zur Mammographie auch einen Termin erhalten. 2019 haben 65,6% der Frauen, diesen Termin wahrgenommen. "2020 hingegen", so Mazzoleni, "war eine Katastrophe." Was wie eine positive Zahl erscheinen mag - ein Rückgang der Brustkrebsdiagnosen um etwa 50% in Südtirol- gibt stattdessen Anlass zur Besorgnis. Nicht der Krebs ist zurückgegangen, sondern die Zahl der Vorsorgeuntersuchungen ist drastisch gesunken. Die Ursache? Die Angst vor einer Covidinfektion von Seiten der Frauen und die Schwierigkeiten der von der ersten Pandemiewelle überrannten Krankenhäuser, sich zu organisieren. Die Auswirkungen des Rückgangs der Früherkennungsuntersuchungen werden sich erst in fünf bis zehn Jahren zeigen und höchstwahrscheinlich zu einem deutlichen Anstieg der Sterblichkeit führen. Und das nicht nur im Zusammenhang mit Brustkrebs, sondern ganz allgemein.
Zufriedenstellend ist hingegen die Teilnahme am Pap-Test. 90% der Frauen in Südtirol nehmen dieses Screening wahr. Die Zahl der Gebärmutterhalskrebsfälle ist entsprechend gering. Aber es könnten noch weniger Fälle sein: Dank der Impfung gegen das Papillomavirus könnte dieser sehr aggressive Krebs, der in anderen Teilen der Welt immer noch zu den häufigsten bei Frauen gehört, ausgerottet werden. Zwischen 2016 und 2018 starben in Südtirol 16 Frauen an Gebärmutterhalskrebs, 2019 waren es 5. Die Vorstufe dieser Krebserkrankung, d. h. eine HPV-Infektion, kann in der Altersgruppe zwischen 35 und 40 Jahren eine Inzidenz von 20% erreichen.
Die HPV-Impfung ist für Mädchen zwischen 11 und 17 Jahren kostenlos, während Frauen zwischen 18 und 45 Jahren und Männer zwischen 11 und 26 Jahren die Impfung zu einem reduzierten Preis erhalten können. Beim Mann ist HPV für neoplastische Erkrankungen wie Tumore im Kopf- und Halsbereich, Tumore an der Zunge oder am Anus verantwortlich. Es ist der erste Krebs, der durch einen Impfstoff verhindert werden kann, aber die Reaktion der Bevölkerung auf das Impfangebot ist unbefriedigend. Von den Mädchen, die zwischen 2006 und Dezember 2018 geboren wurden, sind nur 18,95% geimpft, der italienische Durchschnitt liegt bei 40,34%. Bei den Männern sinkt die Zahl der Geimpften auf 5,69%, gegenüber einem italienischen Durchschnitt von 20,82%.
Ein weiteres wichtiges Screening ist die Untersuchung auf Blut im Stuhl zur Entdeckung von Dickdarmkrebs. Es handelt sich um eine nicht-invasive Untersuchung, der nur bei positivem Befund eine Koloskopie folgt. Eine sehr effektive Untersuchung, um einen Tumor in einem frühen Stadium zu stoppen. Aber auch hier haben sich nur 39,8% der Zielbevölkerung am Screening beteiligt (2019). Darmkrebs (11,6%) ist bei Männern nach Lungenkrebs (20,1%) die zweithäufigste onkologische Todesursache, ebenso bei Frauen mit 13,5%, nach Brustkrebs mit 15,3%.
Generell zeigen die von Dr. Mazzoleni präsentierten Statistiken einen Rückgang der Sterblichkeit durch Krebs bei Männern mit 671 Todesfällen im Jahr 2020 und eine im Wesentlichen stabile Situation bei Frauen mit 536 im Jahr 2020 (geschätzte Zahlen).
Was Covid betrifft, so der Direktor des Krebsregisters, werde es in Zukunft vieles zu untersuchen geben. Mehrere Studien belegen einen deutlichen Rückgang der Krebsdiagnosen. Eine in Reggio Emilia durchgeführte Studie spricht von einem Durchschnitt von minus 35% für alle Krebsarten. Minus 35% bei Brustkrebs, minus 22% bei Lungenkrebs, minus 53% bei Dickdarmkrebs, minus 32% bei Prostatakrebs und minus 49% bei hämatologischen Krebsarten. "Wir haben es nicht mehr mit frühzeitigen sondern mit späten Diagnosen zu tun, zum Jahresende werden wir untersuchen müssen, wie sich das auf die Stadien und damit auch auf die Therapien der diagnostizierten Krebsarten auswirkt." Viel Arbeit für Dr. Mazzoleni und sein Team vom Südtiroler Krebsregister!

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HPV - Die Schwedenstudie

Infolge der Impfung gegen die krebserregenden Viren deutlich
weniger Gebärmutterhalskrebs
Durch die Impfung gegen krebserregende humane Papillomviren (HPV) wird die Entstehung von hochgradigen Läsionen im Gebärmutterhals verhindert, aus denen sich Gebärmutterhalskrebs entwickeln kann. Wie eine in Schweden durchgeführte Studie zeigt, sinkt dadurch die Häufigkeit von Gebärmutterhalskrebs signifikant. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift New England Journal of Medicine veröffentlicht.
Die Forscher werteten die Daten von 1.672.983 Mädchen und Frauen im Alter von 10 bis 30 Jahren aus, die im schwedischen Gesundheitsregister zwischen 2006 und 2017 festgehalten worden waren. Sie untersuchten den Zusammenhang zwischen der HPV-Impfung und der Häufigkeit von Gebärmutterhalskrebs, wobei potenzielle Einflussfaktoren wie Alter und Lebensort berücksichtigt wurden.
538 Frauen, die die HPV-Impfung nicht erhalten hatten, erkrankten an Gebärmutterhalskrebs, ebenso 19 Frauen, die mit dem Impfstoff geimpft worden waren. Die Häufigkeit von Gebärmutterhalskrebs betrug 47 Fälle pro 100.000 Frauen bei den Geimpften und 94 Fälle pro 100.000 Frauen bei den Nicht-Geimpften. Besonders niedrig war die Krebsquote, wenn die HPV-Impfung vor dem 17. Lebensjahr erfolgt war.
Bei dem Impfstoff handelte es sich um einen quadrivalenten Impfstoff, der gegen vier HPV-Typen wirkt. Die Studie habe eine substanzielle Reduzierung des Risikos für invasiven Gebärmutterhalskrebs nachgewiesen, so die Studienautoren.
Quelle: Lei J et al. HPV Vaccination and the Risk of Invasive Cervical Cancer. New England Journal of Medicine 2020; 383:1340-8