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Vom Fallen und Aufstehen

Meinhard Feichter und sein neues Leben – Gezählte Tage sind kostbare Tage


Ein Buch hat er schon geschrieben. Er hält Vorträge. Das Thema? Seine Geschichte, die auch die Geschichte vieler anderer ist und sein kann und viele kleine Wege. Mut machen. Vertrauen schaffen. All das vermitteln, was ihm auf seinem Weg geholfen hat. Leicht war er nicht, steil, mit vielen Stolpersteinen. Aber er ist ihn nicht alleine gegangen, sondern im Gleichschritt mit seiner Frau Bernadette und mit seinen Kindern. Vor elf Jahren änderten ein banaler Sturz und die daraus resultierende Diagnose sein Leben. Von heute auf morgen. Multiples Myelom im 3. Stadion. Knochenmarkkrebs. Unheilbar.
Ein Sturz im Sturz. Aus einem durch und durch organisierten Leben, einem vollen Terminkalender. Einem Leben, das erfüllt scheint. Mitten im Leben. Ein verantwortungsvoller Job, Geschäftsführer der Athesia-Buchhandlung in Bruneck. Drei Kinder und ein Sternenkind, eine Frau, mit der er alles teilt, auch den Traumberuf, Buchhändler, den er bis zu seiner Pension vor einem Jahr ausgeübt hat. Ein Freundeskreis. Sport. Reisen. Musik. Und dann eine gebrochene Wirbelsäule. Schmerzen jenseits der Schmerzgrenze. Im Krankenhaus. Eine Diagnose, die im ersten Augenblick nur verschreckt. Alles anders. Lebenserwartung vier bis fünf Jahre. Das Ende. Angst. Hadern.
Aufstehen. Und bei allem Leid, der Anfang von etwas Neuem. Ein Paradigmenwechsel. Etwas an sich Negatives kann sich zum Positiven wenden. Der Wert des Alltäglichen. Des Unspektakulären. Neue Horizonte, andere Horizonte. Andere Wege. Kleine Wege, wie Meinhard Feichter sie gerne nennt. Auswege. Seitenwege. Kreuzwege. Ein neues Zeitgefühl. Aber auch in der Krankheit bleibt Meinhard Feichter ein leistungsorientierter Mensch. Nur dass es jetzt andere Leistungen sind. Leistungen, die aus einem neuen, kreativen Denken entstehen. Der Buchhändler beginnt selbst mit Worten zu spielen. Sucht nach Worten, die Halt geben. Die es mit Leben zu erfüllen gilt. Und es gelingt ihm. Bewegung, Bildung, Beziehung sind solche Worte. Oder Leben, Lieben, Lachen, Leiden. Das Leben aufteilen in Körper, Geist, Soziales, Spirituelles.
Mittlerweile sind über elf Jahre vergangen. Meinhard Feichter fühlt sich als Teil eines kleinen Wunders. Er hat Glück gehabt. Eine Frau, die ihn auf seinen Wegen begleitet. Deren einzige Bedingung die Wahrheit ist. Immer. Dreimal schon gab es im rechten Augenblick eine neue Therapie, die neue Wege eröffnete. Zwei Nahtod-Erlebnisse erfuhr er als befreiend. Der Tod macht heute weniger Angst. Auf hohe Berge steigt er nicht mehr, dafür erobert er Weitwanderwege. Pilgerwege. Auch der Glauben und das daraus resultierende Vertrauen spielen eine wichtige Rolle in seinem neuen Leben.
Die ersten Monate nach der Diagnose standen im Zeichen der Trauer. Abschiednehmen von allem, was jetzt nicht mehr ging. Nach und nach gelang es Feichter seine Sichtweise zu ändern und sich auf das zu konzentrieren, was noch ging, was neu hinzukam. Es gelang ihm, seinen neuen Zustand zu akzeptieren und schließlich sogar die Chancen zu entdecken, die sich ihm durch die Krankheit boten, die schöpferische Kraft, die aus einer solchen Grenzsituation erwachsen kann. Neue Sichtweisen, neue Erkenntnisse. Auch Dankbarkeit gehört dazu. Wie Vertrauen ist sie für ihn heute eine tägliche Medizin für Zuversicht und Glücksempfinden.
Meinhard Feichter lebt mit der Krankheit, aber seine Krankheit ist nicht sein Leben. Er hat ihr nie erlaubt, Oberhand zu gewinnen. Sie bestimmt zum Teil seinen Tagesablauf, jede Woche ist er einen Tag im Day-Hospital in Bruneck, aber sie bestimmt nicht sein Denken. Er hat gelernt, die von ihr gesetzten Grenzen zu akzeptieren und hat innerhalb dieser viel Freiraum entdeckt. Raum zum Leben. Eine wichtige Rolle spielt auch der Begriff Manipulation in seinem Leben. Das eigene Denken steuern. „Ich fühle mich gesünder als ich bin, tue so, als sei ich fit und schmerzfrei, so geht es mir emotional besser.“ Und das gelingt. Nicht immer, aber meist. Und heute kann Meinhard Feichter zurückblickend sagen, dass er nicht sicher ist, ob er überhaupt zurück wollte in sein altes, von zu vielen Sachzwängen bestimmtes Leben.
Aus seiner Dankbarkeit heraus kommt auch der Wunsch, seine Erfahrungen zu teilen. Dies hat dazu geführt, dass er zusammen mit einem Freund, dem bekannten Dichter und Fotografen Ulrich Schaffer das Buch „Gezählte Tage sind kostbare Tage – Ein Erfahrungs- und Mutmachbuch“ geschrieben hat. Und dies bewegt ihn auch, seine Erfahrungen mit anderen zu teilen. Um Mut zu machen, Angst zu nehmen, Zuversicht zu pflanzen. Manches, was er sagt, könnte abgehoben klingen, aus einem anderen Mund. Bei ihm ist es durch authentisches Leben belegt und dadurch glaubwürdig und Mut-machend.
Am 13. März hat Meinhard Feichter auf Einladung des Bezirks Unterpustertal der Südtiroler Krebshilfe einen Vortrag im Vereinshaus St. Georgen gehalten. Anstelle der erwarteten 20 – 30 Personen füllte sich der Saal, mehr als achtzig Personen folgten in gespannter Stille und mit großem Interesse seinen Ausführungen. Betroffene, Angehörige oder einfach am Thema interessierte Menschen. Viele nutzten im Anschluss die Möglichkeit zu einem direkten Gespräch mit Meinhard Feichter.

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Sich seiner selbst bewusst sein

Entspannungsgymnastik mit Giorgio Cappelletto


Es herrscht Stille. Eine Stille, die nicht beängstigend ist, eine volle, eine warme Stille. Unterbrochen nur von der sanften, melodischen Stimme von Giorgio Cappelletto, der die Bewegungen erklärt. Ruhig. Die Teilnehmerinnen - bis jetzt nur Frauen - folgen schweigend, mit geschlossenen Augen. Die Gesichter sind entspannt, die Atmung langsam, die Bewegungen harmonisch und fließend. Der Kurs Entspannungsgymnastik hat gerade erst begonnen, aber die Teilnehmerinnen wollen die wöchentlichen Treffen schon nicht mehr missen und sind begeistert.
Jeden Donnerstag erwartet Giorgio Cappelletto die Kursteilnehmerinnen in der Turnhalle der Dante-Schule. Seit 1983 praktiziert und studiert er Tai Chi, und seit 1990 gibt er Kurse, die von dieser alten chinesischen Technik inspiriert sind, die darauf abzielt, das Gleichgewicht zwischen Körper und Geist wieder herzustellen, die Kraft und Flexibilität des Körpers zu steigern und den Geist zu beruhigen. Eineinhalb Stunden sind der Ruhe gewidmet. Am Anfang stehen immer Atemübungen, um eine Verlangsamung einzuleiten. Im Augenblick sind sie zu viert im Kurs, nur eine Teilnehmerin ist bereits im Ruhestand. Die anderen kommen von der Arbeit, den Kopf noch voll mit Gedanken, Zahlen, zu erledigenden und unerledigten Dingen. Dort, in der entspannten Atmosphäre der Turnhalle, merken sie erst, wie angespannt sie sind und wie sehr sie es brauchen, die Augen zu schließen, in sich zu kehren und das Tempo zu verlangsamen.
Die Bewegungen wirken wie in Zeitlupe oder unter Wasser ausgeführt. „Wir sammeln die Energie des Bauches und bringen sie nach oben. Beim Einatmen nehme ich Energie auf, beim Ausatmen lasse ich sie wieder ausströmen." Durch die Nase einatmen, die Arme über den Kopf heben, wobei die Hände die kostbare Energie schöpfen. Einatmen Hände nach oben. Beim Ausatmen werden die Handflächen zur Erde gewendet, die Energie fließt zu den Füßen, die fest auf dem Boden stehen. Kopf und Rücken sind gerade, die Augen geschlossen, aber auf einen imaginären Horizont gerichtet. Langsam. Schwierig sind die Übungen nicht, es braucht Konzentration. Oder besser: Bewusstsein, wie Giorgio Cappelletto es nennt. Sein Ziel ist es, jeder der Teilnehmerinnen mehr Körperbewusstsein zu vermitteln. Er ist sich ihrer Körpermuster bewusst und passt die Übungen entsprechend an. Er sieht, wo es Blockaden gibt, wo man eingreifen muss, um sie zu lösen. Das Körperbewusstsein wird durch das Dekonstruieren, durch das Aufbrechen der Bewegung erreicht.
Zu Beginn der Stunde, erklärt Cappelletto, „muss ich die Menschen zur Ruhe bringen, durch Atmung und inneres Hineinhorchen in sich selbst. Den Herzschlag, den Fluss des Atems, das Zirkulieren des Blutes, eventuelle Knoten und Schmerzen." Die erste Stunde des Kurses ist inspiriert von Qi Gong, Atemübungen und Dehnungen inspiriert, die letzte halbe Stunde von Tai Chi. Sequenzen runder, weicher Bewegungen. „Mit etwas Übung können die Bewegungen zu einer Art Tanz miteinander verbunden werden.“
Die vom Tai Chi inspirierte Entspannungsgymnastik hilft auch bei geistiger Ermüdung. Die Konzentration, die erforderlich ist, um sich die Bewegungsabläufe einzuprägen, hilft, den Kopf frei zu bekommen. „Jeder von uns hat dabei seinen eigenen Rhythmus", erklärt Cappelletto. „Es gibt keinen Stress, keinen Wettbewerb. Man muss Geduld mit sich haben, auf sich selbst hören können, den Atem fließen lassen und akzeptieren, was der Körper gerade geben kann." Die Gelassenheit, die von diesen Bewegungen ausgeht, fördert nicht nur das körperliche, sondern auch das geistige Gleichgewicht und ist ein hervorragendes Mittel gegen die Hektik des Alltags.
Leichte Übungen für zuhause: Auf und ab hüpfen, die Arme und den Kopf frei bewegen lassen, sich schütteln von rechts nach links drehen, wobei die entspannten Arme mit einem sanften „Klatsch" gegen die Hüften schlagen. Oder sanfter: Einatmend den Kopf nach unten beugen und sich langsam, ausatmend, Wirbel für Wirbel wieder aufrichten.
Wie oft kann man diese Entspannungsgymnastik, vereinzelte Übungen machen? „So oft es geht", antwortet Cappelletto. „Aber immer ohne Stress. Im Idealfall sollte es eine tägliche Gewohnheit werden, wie das Zähneputzen." Zehn Minuten morgens nach dem Aufwachen oder auch abends nach der Arbeit, um Geist und Körper zu trainieren, immer besser diesen Zustand wohltuender Ruhe zu erreichen.
Nach nur drei Treffen sind die Teilnehmerinnen jedenfalls begeistert. Für Vanda ist es die erste Erfahrung dieser Art. „Ich habe schon immer viel Sport getrieben, aber noch nie solche Übungen. Ich bin hyperaktiv und diese Gymnastik lässt mich besser verstehen, was mein Körper braucht."
Samantha hat schon an anderen Kursen von Giorgio Cappelletto teilgenommen. „Dank dieser Bewegungen bin ich mir und dem, was gerade um mich herum vor sich geht, bewusster und ich fühle mich insgesamt wohler in meiner Haut."
Elisabeth schließlich schätzt die Ruhe, die sich in Körper und Geist einstellt. „Ich habe noch nie solche Gymnastikkurse besucht, es hat mich gereizt und ich bin sehr froh, dass ich mich eingeschrieben habe. Nach den anderthalb Stunden am Donnerstagabend fühle ich mich rundum gut!"