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mRNA-Impfung gegen Krebs bald schon Realität

Interview mit dem Kliniker und Forscher Dr. Niels Halama
Foto: unsplash - Diana Polekhina


Impfungen sind in den letzten Jahren vor allem aufgrund der Corona-Pandemie in den Mittel­punkt der Aufmerksamkeit gerückt. Die Möglichkeit, auf konkrete Erkrankungen mit neuen, ad hoc hergestellten Impfstoffen zu reagieren. Und wenn das auch gegen Krebs möglich wäre? Tatsächlich stehen derzeit bereits zwei Impfungen gegen durch Viren verursachte Krebs­erkrankungen zur Verfügung, allerdings handelt es sich um Impfungen nach traditionellem Schema: die HPV-Impfung gegen Krebserkrankungen, die durch das Papilloma-Virus verursacht werden, allen voran der Muttermund-Krebs und die Impfung gegen Hepatitis-B, eine Erkrankung, die zu Leberkrebs führen kann. Impfungen mit messenger RNA eröffnen neue Wege.
Einer der vielversprechendsten Impfstoffe gegen Corona beruht auf Forschungen, die schon lange vor Corona begonnen haben und die durch die Pandemie entsprechend intensiviert werden konnten: messenger RNA, ein Impfstoff, der auf den Bauplan ganz bestimmter Zellen einwirkt. Ein Impfstoff, der auf ganz spezifische Merkmale im Erbgut einer Zelle zielt, der dem Körper, dem Immunsystem, mithilfe der mRNA Sequenz mitteilt, was er tun muss. Die Ergebnisse der Corona Impfstoff-Forschung haben auch der Krebsforschung zugespielt und diese um Jahre vorangebracht. Heute liegen Ergebnisse vor, die noch vor zwei Jahren als absolute Zukunftsmusik galten. Und: Zumindest ein Impfstoff gegen einen ganz spezifischen Krebs steht kurz vor der Zulassung.

Bei meinen Nachforschungen im Internet zum Thema Impfen gegen Krebs bin ich auf ein Interview mit dem Kliniker und Forscher Dr. Niels Halama gestoßen, das auf der Seite des Deutschen Krebsforschungs-Zentrums bereits Ende 2021 veröffentlicht worden ist. In denkbar einfachster Sprache erklärt Halama dort, wie solch ein Impfstoff funktionieren kann. Da seither doch schon einige Jahre vergangen sind, habe ich versucht, den Wissenschaftler zu kontaktieren, um Informationen zum neuesten Forschungsstand zu erhalten. Ich hatte nicht nur Glück, ihn gleich am Telefon zu erreichen, er war auch sofort zu einem Interview bereit!
Dr. Halama, Impfung bei Krebs, das ist keine Science Fiction mehr, aber es funktioniert anders, als das Impfschema, das wir bisher kennen?
Dr. Niels Halama: Impfung bei Krebs heißt nicht, eine breite Bevölkerungsschicht im Voraus zu immunisieren, das wäre bei der Vielzahl der Mutationen, die die Zellen zu einem ungebremsten Wachstum bringen, unmöglich! Es geht vielmehr um eine Individualisierung und Unterstützung der Therapie bei einer schon bestehenden Erkrankung. Ein mRNA Impfstoff bringt den Körper dazu, ganz spezifische Merkmale, Proteine, im Erbgut einer Tumorzelle zu erkennen und darauf zu reagieren. Eine Therapie also, die ganz individuell auf die biologischen Merkmale eines spezifischen Tumors eines Patienten eingestellt werden kann und das in kurzer Zeit. Auch dies ein Aspekt, der bei Krebserkrankungen von größter Bedeutung ist. Krebspatienten haben keine Zeit zu verlieren! Bei einer Tumorerkrankung bedingt die Veränderungen der Zellen zudem sehr oft nicht nur ein unkontrolliertes Wachstum der Zellen, sondern auch die Errichtung einer Art von Mauer, die diese Zellen umgibt und an der die Zellen des Immunsystems abprallen bzw. die das Immunsystem daran hindert, mutierte Zellen zu erkennen und unschädlich zu machen oder die sogar die Zellen des Immunsystems zerstört. Eine mRNA-Impfung kann die mutierten Zellen für das Immunsystems sichtbar machen und diese Mauer durchbrechen, so dass die körpereigenen Kräfte wieder agieren können.
Wie konkret sind die Möglichkeiten, dass diese Art der individualisierten, ad hoc hergestellten Therapie zur baldigen und vor allem zur allgemeinen Anwendung kommt?
Dr. Niels Halama: Ja, das ist eine Frage, die Patienten immer stellen. Ist das schon zugelassen? Habe ich über das öffentliche Gesundheitssystem Zugang zu dieser neuen Therapieform? Die Antwort lautet zunächst Nein. Zugelassen ist bisher noch kein mRNA-Impfstoff gegen Krebs, aber in einem Bereich stehen wir tatsächlich kurz davor, sagen wir bis Ende des Jahres!
In einem Bereich, das heißt gegen einen ganz bestimmten Krebs?
Dr. Niels Halama: Genau, denn diese neue Therapieform wird ganz spezifisch, bei ganz bestimmten Krebsarten eingesetzt werden können. Krebs ist nicht gleich Krebs. Heute reden wir längst nicht mehr einfach von Darmkrebs oder Lungenkrebs, es gibt ganz viele Unterkategorien, die jede ihre ganz spezifischen Merkmale hat, auf die eine Therapie eingestellt werden muss. Der mRNA-Impfstoff gegen den schwarzen Hautkrebs, das Melanom, steht kurz vor der Zulassung. Die Daten der Forschung und der Versuche sind eindeutig und ausgesprochen vielversprechend, es ist nur eine Frage, welches Land in der EU zuerst reagiert.
Allerdings auch in diesem Fall nur in einer ganz spezifischen Situation?
Dr. Niels Halama: Das stimmt. Und diese Bedingungen gelten generell beim Einsatz eines mRNA-Impfstoffes. Der Tumor muss sichtbar entfernt sein, das heißt, es sind nur noch vereinzelte Krebszellen im Körper vorhanden und er darf noch nicht metastasiert sein. In dieser Situation liegen beim Melanom eindeutig positive Ergebnisse vor, die in einer Studie vom Krebs Zentrum New York im Juni 2023 vorgestellt wurden. Der individualisierte mRNA Impfstoff - und das ist ein weiterer Vorteil - wirkt dabei wie die Immuntherapie nur auf die Zellen, die diese bestimmten Merkmale tragen und eben nicht auf gesunde Zellen.
Die mRNA Impfung ist aber keine Therapie, die andere Therapien völlig ersetzt und alleine wirkt, oder?
Dr. Niels Halama: Nein. Die Impfung schließt sozusagen eine Lücke in der Therapie und reiht sich ein in die schon bestehenden Therapiesysteme. Der mRNA-Impfstoff greift dort ein, wo das Immunsystem blind ist und sagt ihm: „Hey, da musst du attackieren!“ Krebstherapie ist immer eine Kombination. Die Forschungen zum Corona-Impfstoff haben uns eine neue Strategie zur Verfügung gestellt: wir können das Immunsystem mithilfe der mRNA lenken. Das ist ein riesiges Potenzial! Das ist wie eine Werkzeugkiste, aus der bei Bedarf das passende Werkzeug gefischt werden kann. Das ermöglicht zukünftig in vielen Bereichen eine ganz neue Herangehensweise. Wir stehen erst am Anfang! Allerdings - das muss ich betonen - ist die Impfung wie gesagt, nur unter bestimmten Voraussetzungen einsetzbar. Eine weitere ist, dass das Immunsystem des Patienten in der Lage ist, zu reagieren und dass die Proteine der Krebszellen eindeutig definiert werden können.
Sie sagten in absehbarer Zeit sei auch mit anderen Ergebnissen, mit anderen mRNA-Impfstoffen zu rechnen, d. h. kann diese neue Technik bei anderen Krebserkrankungen zum Einsatz kommen. Absehbar, heißt das in 5 bis 10 Jahren?
Dr. Niels Halama: Absehbar heißt noch nicht jetzt, aber doch früher als der von ihnen angegebene Zeitrahmen. Es liegen sehr vielversprechende Daten vor beim Bauchspeicheldrüsenkrebs, ein Krebs, der bisher, wie auch der Darmkrebs, nicht auf die Immuntherapie angesprochen hat, und der trotz aller Maßnahmen meist tödlich verläuft, und das in relativ kurzer Zeit.
Pankreaskrebs, das ist auch eine Krebsart, die relativ häufig auch jüngere Menschen, also jünger als 50 oder 40 betrifft?
Dr. Niels Halama: Es ist tatsächlich auffällig, dass sich Bauchspeicheldrüsen und Darmkrebs erstaunlicherweise jetzt auch vermehrt bei jüngeren Patienten manifestieren. Ich stelle das auch in der Praxis fest. Mit Corona hat das allerdings nichts zu tun, da möchte ich gleich vorgreifen. Aber das ist ein anderes Thema, zurück zur mRNA Impfung. Es liegen erste Versuchsdaten zu Bauchspeicheldrüsenkrebs vor, die eine Tumorfreiheit nach zwei Jahren beschreiben! Die Datenmengen sind noch eingeschränkt, doch sie geben berechtigten Anlass zur Hoffnung, dass sich neue Türen öffnen werden! Und das in relativ kurzer Zeit!
Was ist mRNA
mRNA oder messenger RNA, auf Deutsch Boten RNA. Die Baupläne der körpereigenen Proteine sind im Erbgut – in der doppelsträngigen DNA im Zellkern – gespeichert. Sie werden dort in einsträngige mRNA umgeschrieben, ein natürlich vorkommendes Molekül mit gut erforschten Eigenschaften, das in allen Zellen vorkommt und geeignet ist für die Kodierung von Antikörpern, Antigenen, Zytokinen und allen anderen Proteinen. Boten-RNA kann pharmakologisch und immunologisch entwickelt und optimiert werden, wodurch es für eine große Bandbreite an Anwendungen geeignet ist. Eine schnelle und individualisierte Produktion für flexible Therapeutika (auch Impfstoffe) ist möglich.
Prof. Dr. Niels Halama
Seit 2023 Leiter des Helmholtz-Zentrums für Translationale Immuntherapie, HI-TRON, des Deutschen Krebsforschungsinstituts in Mainz. Internist und Onkologe, Studium der Medizin in Heidelberg, 1999-2005 und seither parallel in Forschung und Klinik involviert. Seit seiner Studienzeit ist er fasziniert von den Möglichkeiten der Immuntherapie. www.hi-tron.dkfz.de

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Neues Gerät für Magnetresonanz

Radiologie im Krankenhaus Bozen umgezogen in Neue Klinik
Erfreut über ihr neues Diagnose-Werkzeug: v.l. Giorgio Benati, Matteo Bonatti, Federica Ferro, Mayla Sartori und Nadia Oberhofer


Der Radiologische Dienst ist ein unverzichtbarer Bestandteil der gesamten Krankenhaus­struktur und spielt eine zentrale Rolle im diagnostischen Prozess für medizinisches Fachpersonal. Der Umzug vom Hauptgebäude „Lorenz Böhler“ in die Neue Klinik Anfang März, bot eine gute Gelegenheit, den 3-Tesla-Magnetresonanztomographen einzuweihen. Eine Investition in die Zukunft der Südtiroler Gesundheitsversorgung in Höhe von rund 2,5 Millionen Euro.
Dank seines stärkeren magnetischen Feldes ermöglicht der 3T-Tomograph detailliertere Bilder und trägt so zu einem verbesserten diagnostisch-therapeutischen Verlauf bei. Dieses hochmoderne Gerät ist besonders zur Diagnose von Erkrankungen des zentralen Nervensystems, des weiblichen Beckens und der Prostata geeignet und stellt eine signifikante Weiterentwicklung gegenüber früheren Tomographen dar. Während einer ersten Übergangsphase, so der Sanitätsbetrieb in einer Presseaussendung, werden sowohl der bisherige als auch der neue Magnetresonanztomograph parallel betrieben. Dies, um sicherzustellen, dass alle geplanten diagnostischen Untersuchungen ohne Unterbrechungen durchgeführt werden können.

Federica Ferro, Primarin der Radiologie, zeigte sich äußerst zufrieden über die technologische Weiterentwicklung: „Die Einführung der 3-Tesla-Magnetresonanztomographie-Technologie stellt einen bedeutenden technologischen Fortschritt dar. Gleichzeitig wirkt die Arbeit mit dem neuen Gerät motivierend und steigert die Attraktivität des gesamten Dienstes als Arbeitsplatz.“ Der radiologische Dienst des Krankenhauses Bozen zählt mehr als hundert MitarbeiterInnen, den Dienst für medizinische Strahlenphysik im Bereich Magnetresonanz leitet Matteo Bonatti. Der Dienst für Senologie wird, bis zu einer bevorstehenden Renovierung, im Gebäude Lorenz Böhler verbleiben.