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Es ist nicht leicht auszusteigen

Nach 40 Jahren in der Abteilung für Gastroenterologie ist Dr. Michele Comberlato in den Ruhestand getreten
FOTO: Othmar Seehauser
Vierzig Jahre in der Abteilung für Gastroenterologie, die letzten dreieinhalb Jahre als Primar. Ein ganzes Leben im Krankenhaus. Es ist nicht leicht, von einem Tag auf den anderen alles hinter sich zu lassen, vor allem, wenn man sich immer am richtigen Platz gefühlt hat, überzeugt, vom Glück begünstigt zu sein und zudem Tag für Tag seine Kompetenzen erweitern zu können. Dr. Michele Comberlato war immer mit Begeisterung Arzt, auch in schwierigen Zeiten. Seit März ist er im Ruhestand.
Nach vierzig Jahren von einem Tag auf den anderen aufzuhören, geht das?
Dr. Michele Comberlato: Ich muss zugeben, dass ich mir den Abschied leichter vorgestellt hatte, in den ersten Monaten war es nicht leicht. Keine täglichen Besprechungen mehr, kein Austausch mit Kollegen, Ärzten, dem Pflegedienst, mit dem gesamten Personal der Abteilung oder mit den Patienten. Ich habe anfangs oft angerufen, um zu fragen, wie es bestimmten Patienten geht.
Was war für Sie in all diesen Jahren entscheidend?
Dr. Michele Comberlato: Abgesehen von der großen Chance, wie alle Kollegen meiner Generation, die Revolution miterlebt haben zu dürfen, die die Medizin in den letzten 20 Jahren völlig verändert hat, war für mich die Fürsorge entscheidend.
Sie meinen die Beziehung zu den Patienten?
Dr. Michele Comberlato: Ja. Ein Bereich, in dem ich mich fortlaufend fortgebildet habe, auch in England, wo eine besondere Kultur der Fürsorge gepflegt wird. Ich habe mein Verhalten im Laufe der Jahre geändert. Zum Besseren. Es ist mir immer leichtgefallen, auf Menschen zuzugehen. Ich spreche gerne mit Menschen, und ich habe immer viel mit meinen PatientInnen geredet. Mich um eine einfache Sprache bemüht. In England habe ich mir angewöhnt, mit Bleistift und Papier zu arbeiten, zu skizzieren. Zu zeigen, wie das Organ aussieht. Wie und wo der Eingriff verläuft, wo wir schneiden, wie die Nähte gesetzt werden. Wenn die PatientInnen sehen, können sie besser verstehen und haben weniger Angst.
Es ist nicht leicht, die richtigen Worte zu finden, wenn man das Schlimmste mitteilen muss...
Dr. Michele Comberlato: Nein. Aber das gehört auch dazu. Du allein mit dem Patienten, der sich eine positive Botschaft erhofft, einen Hoffnungsschimmer... Aufrichtigkeit war mir immer das erste Gebot. Den Patienten ernst nehmen. Vermitteln, dass wir uns voll engagieren, auch wenn der Weg schwierig, sehr schwierig ist. Dass wir in jedem Fall etwas für ihn tun können.
Sie sprachen von der Revolution in der Medizin...
Dr. Michele Comberlato: In den letzten Jahren haben wir epochale, unglaubliche Veränderungen erlebt. Als ich nach dem Studium anfing zu arbeiten, hatten wir nur wenige Waffen zur Verfügung gegen einen sehr gefährlichen Feind. Heute ist das anders. Wir haben ein Arsenal an neuen Maschinen und Techniken, biotechnologische Medikamente... Wir können immer besser reagieren, und die PatientInnen leiden weniger, werden wieder gesund. Vor dreißig Jahren haben wir viele Schlachten verloren, wo wir heute Kriege gewinnen können!
Was geben Sie aus ihrer heutigen Sicht jungen Kollegen mit auf den Weg?
Dr. Michele Comberlato: Dass man trotz aller Schwierigkeiten immer ein klares Ziel vor Augen haben muss. Meine Generation hat am Morgen das Krankenhaus betreten, ohne zu wissen, wann sie es wieder verlassen würde. Heute haben sich die Dinge geändert. Aber noch immer gilt, wenn man nicht bereit ist, zurückzustecken, wird man nicht weit kommen. Man muss immer bereit sein, sich selbst aufs Spiel zu setzen, bereit sein, sich einzusetzen, auch wenn es Abend, Wochenende oder Feiertag ist.
Zahlt sich das am Ende aus?
Dr. Michele Comberlato: Und wie. Ich glaube, unser Beruf ist so reich an menschlicher und beruflicher Zufriedenheit wie kaum ein anderer. Man gibt viel, aber man bekommt auch viel. Ich gehe gerne in die Berge. Das ist wie ein harter, langer Aufstieg. Wenn man den Gipfel erreicht hat, spürt man nicht Müdigkeit, sondern eine immense Freude.
Und das alles fehlt jetzt? Das Adrenalin...?
Dr. Michele Comberlato: Die ersten drei Monate meines Ruhestandes habe ich ein paar persönliche Dinge geordnet und ins Gleichgewicht gebracht. Ich habe eine neue Lebensformel für mich gefunden. Ich arbeite auch ein wenig weiter, im privaten Sektor. Das ist natürlich anders als im Krankenhaus, ich bin jetzt hauptsächlich in der Prävention tätig. Früher habe ich einen frenetischen Rhythmus als die einzige Art zu leben angesehen, jetzt stelle ich fest, dass auch einfache Dinge befriedigend sein können und etwas Muße wohltuend ist.
Haben Sie jetzt begonnen, sich mit Dingen zu befassen, die sie vielleicht immer tun wollten, aber sie hatten nie die Zeit dafür? Neue Sportarten, neue Hobbies…?
Dr. Michele Comberlato: Nein. Auch wenn ich natürlich viel weniger Zeit zur Verfügung hatte, habe ich es doch geschafft, meine Interessen zu pflegen. Lesen, Sport, die Berge… Der Unterschied ist, dass ich jetzt alles mit mehr Ruhe angehen kann. Und ich pflege immer noch viele Beziehungen, die in den Jahren der Arbeit entstanden sind. Wenn ich zurückblicke, kommt es mir vor, als hätte ich gestern angefangen als Arzt zu haben. Was ich aus all diesen Jahren mitnehme, ist eine große innere Zufriedenheit, die Begeisterung für jeden Moment, auch für schwierige. Und das ist ein großer Schatz!

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RICHTIGSTELLUNG

Im Rahmen der Berichterstattung über die Brunecker Krebsgespräche hat sich leider ein Missverständnis bei der Wiedergabe der Patientengespräche ergeben. Barbara Stocker wollte darauf hinweisen, dass es vor allem aufgrund einer fehlenden Vernetzung zu Kommunikationsproblemen zwischen Onkologie und Komplementärmedizin gekommen sei, nicht aber, dass die beiden Abteilungen nicht zusammenarbeiten. „Meine Erfahrung war in dieser Hinsicht außerordentlich positiv“, so Barbara Stocker. „Meine Kritik bezog sich auf die Tatsache, dass es aufgrund des Fehlens eines einheitlichen EDF-Systems, mitunter kompliziert war, weil ich mir jedes Mal Fotokopien meiner Krankenakte mit den jüngsten Werten bzw. Untersuchungsergebnissen ausdrucken lassen musste, um sie mit nach Meran zu nehmen, da die Krankenhäuser in Südtirol und sogar auch Abteilungen in den gleichen Krankenhäusern nicht miteinander vernetzt sind.“ Wir bedauern diesen Fehler.
Nicole Dominique Steiner