Primar Dr. Antonio Frena und Dr. Romano Polato
Genetisch bedingte Tumorerkrankungen sind ein immer relevanteres Thema, sowohl in der onkologischen Forschung als auch in der klinischen Praxis. Die Gene BRCA1 und BRCA2 gehören zu den bekanntesten und sind mit einem erhöhten Risiko verbunden, Brust- und Eierstockkrebs zu entwickeln. Gesunde Frauen oder bereits diagnostizierte Brustkrebspatientinnen, die Trägerinnen dieser Mutationen sind, werden einem engeren Überwachungsprogramm mit häufigeren Kontrollen unterzogen. Im September organisierte die Breast Unit Bozen eine öffentliche Konferenz, um dieses Thema näher zu beleuchten.
Präsident der Konferenz war der Primar der Chirurgie am Krankenhaus Bozen, Dr. Antonio Frena. Wissenschaftlicher Leiter des Tages war der Chirurg Dr. Romano Polato, Direktor der Breast Unit Bozen. Weitere Teilnehmer waren der Primar der Onkologie des Krankenhauses Bozen, Dr. Luca Tondulli, seine Stellvertreterin Dr.a Eva Haspinger, Dr. Alberto Caldart, Leiter der neuen Ambulanz für Patienten mit BRCA-Mutationen, sowie der plastische Chirurg Dr. Davide Pino vom Krankenhaus Brixen. Als besondere Gäste waren der Direktor der chirurgischen Onkologie am Nationalen Krebsinstitut Mailand, Dr. Secondo Folli, und der plastische Chirurg des Krankenhauses San Bortolo in Vicenza, Dr. Leonardo Sartore, eingeladen. Wir sprachen mit Dr. Romano Polato, seit 2012 Direktor des Brustzentrums in Bozen, das seit 2011 EUSOMA-zertifiziert ist. Polato ist spezialisiert auf Mammachirurgie sowie laparoskopische Kolonchirurgie und hat mehr als 3.600 Eingriffe als Hauptoperateur und über 1.000 Kolonoperationen durchgeführt.
Sind Sie zufrieden mit dem Verlauf der Konferenz und der Resonanz des Publikums?
Dr. Romano Polato: Unser Ziel war es, alle zu erreichen – nicht nur Fachleute oder Patienten – und ich glaube, das ist uns gelungen. Im Saal waren über 50 Personen, was angesichts der Spezifität des Themas eine sehr ermutigende Zahl ist.
Ihr Zentrum ist eines von 20 EUSOMA-zertifizierten Brustzentren in Italien (von insgesamt 140 Brustzentren) und zusammen mit Brixen und Meran, die von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert sind, eines von drei zertifizierten Zentren in Südtirol. Welche Vorteile haben Patientinnen, wenn sie sich an ein zertifiziertes Zentrum wenden?
Dr. Romano Polato: Sie haben die Sicherheit, nach den höchsten und modernsten Standards diagnostiziert und behandelt zu werden – mit einem multidisziplinären Ansatz. Ein ganz entscheidender Punkt ist, dass die Heilungschancen hier um 10 % höher sind. Zertifizierte Zentren werden regelmäßig strengen Audits unterzogen, um ihre Exzellenz zu überprüfen.
Die Zertifizierung fordert eine ständige Weiterentwicklung und Weiterbildung?
Dr. Romano Polato: Absolut. Es handelt sich nicht um ein einmal zu erreichendes Ziel, sondern um einen kontinuierlichen Prozess. Es gibt so viel zu lernen, und das macht diesen Bereich ja auch so faszinierend. Neben den therapeutischen Aspekten musste ich, ursprünglich als allgemeiner Chirurg ausgebildet, eine sehr präzise und feinfühlige Chirurgie erlernen. Bei der onkoplastischen Chirurgie, zum Beispiel, wird mit Blick auf die Ästhetik gearbeitet. Schnitte werden nach den Regeln der plastischen Chirurgie ausgeführt, um optimale Voraussetzungen für die spätere Implantation der endgültigen Prothese durch den plastischen Chirurgen – bei uns Dr. Pino vom Krankenhaus Brixen – zu schaffen.
Werden auch Patientinnen außerhalb der Provinz behandelt?
Dr. Romano Polato: Ja, insbesondere im Zusammenhang mit dem Thema BRCA. Zunächst ist es wichtig, zwischen gesunden Trägerinnen der Mutation (die den Test aufgrund einer erkrankten Angehörigen gemacht haben) und Patientinnen mit bereits diagnostizierter Erkrankung zu unterscheiden. Wir behandeln Frauen mit einer Diagnose. Ab dem Alter von 40 Jahren und bei Vorliegen der Mutation wird immer auch eine präventive Mastektomie der anderen Brust durchgeführt. Bei jüngeren Frauen hängt es von der individuellen Situation ab, etwa ob sie noch Kinder bekommen oder stillen möchten. Jede Patientin benötigt eine maßgeschneiderte Behandlung. In jedem Fall versuchen wir, die Brustwarze zu erhalten.
Was empfehlen Sie gesunden BRCA-Trägerinnen?
Dr. Romano Polato: Als Chirurg und Arzt befürworte ich die Mastektomie. Aber die Entscheidung liegt bei der Patientin, und wie gesagt, die Umstände müssen immer berücksichtigt werden. Unsere Patientinnen werden stets von Onkopsychologen begleitet. Es gibt Frauen, die mit dem Risiko leben können, und andere, die es vorziehen, kein Risiko einzugehen. Beide Entscheidungen verdienen Respekt.
Gesunde BRCA-Trägerinnen werden also nicht in Bozen operiert?
Dr. Romano Polato: Wir überweisen sie in der Regel an das Nationale Krebsinstitut in Mailand, ein Zentrum mit hoher Fallzahl, wo Dr. Secondo Folli auf brusterhaltende Mastektomien spezialisiert ist.
Wie sieht es mit der Brustrekonstruktion aus?
Dr. Romano Polato: Das hängt von der Entscheidung der Patientin ab. Es gibt die Rekonstruktion mit Silikonprothesen – ein kürzerer und weniger invasiver Eingriff. Alternativ gibt es die Rekonstruktion mit eigenem Fettgewebe, ein sehr komplexer und zeitaufwändiger Eingriff, der eine hochspezialisierte Fachklinik erfordert. Im öffentlichen Gesundheitssystem bieten wir beide Optionen an. Für die Rekonstruktion mit Eigengewebe überweisen wir Patientinnen nach Vicenza zu Dr. Leonardo Sartore, einem Experten für Mikrochirurgie.
Und das Ergebnis?
Dr. Romano Polato: Das Ergebnis ist hervorragend. Es ist wie ein Diamant – es hält ein Leben lang! Letztendlich liegt die Entscheidung bei der Patientin. Sie muss in alle Entscheidungen einbezogen werden, und es ist wichtig, stets im Gespräch zu bleiben – auch mit den PsychologInnen. Die Frauen dürfen sich niemals allein gelassen fühlen.
Wie ist die aktuelle Situation bei Brustkrebs? Haben Sie auch darüber gesprochen?
Dr. Romano Polato: Natürlich. Vor allem angesichts der Tatsache, dass Brustkrebs bei Frauen stetig zunimmt, und die Betroffenen immer jünger werden. In Italien sprechen wir von etwa 45.000 Fällen pro Jahr, in Südtirol sind es 400. Die Altersgruppe hat sich von 50–55 Jahren auf 40–45 Jahre verschoben. Auch das Screening sollte dieser Entwicklung angepasst werden und Frauen bereits ab dem Alter von 45 Jahren dazu eingeladen werden. Zudem kann man nicht oft genug betonen, wie wichtig die Selbstuntersuchung ist – idealerweise täglich.