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Man kann etwas dagegen tun!

Inkontinenz ist kein Schicksal – Beckenbodentraining und chirurgische Eingriffe
Eine Prostataoperation aufgrund eines bösartigen Tumors ist ein schwerwiegender Eingriff in das Leben jedes Mannes. Neben der erektilen Dysfunktion ist es vor allem der Aspekt der Inkontinenz, der den Männern sehr zusetzt. In den ersten Monaten nach einer Prostatektomie sind ein Großteil der Patienten mit einer Inkontinenz konfrontiert. Je nach Alter, Kondition und Befund (frühdiagnostiziert bzw. fortgeschrittenen) kann das Ausmaß sehr variieren. In Bozen werden diese Patienten vom Dienst für Uro-Rehabilitation betreut. Dr. Christian Ladurner ist spezialisiert auf Neuro-Urologie und Inkontinenz.
Die Harnröhre des Mannes verfügt über zwei Schließmuskeln. Der innere umgibt den Blasenausgang, reguliert den Harnfluss und verschließt die Harnblase. Bei einer radikalen Prostataentfernung aufgrund eines fortgeschrittenen Befundes wird dieser mit entfernt. Der verbleibende äußere Muskel muss lernen, dessen Funktion zu übernehmen und im Allgemeinen muss sich das gesamte Operationsumfeld vom Stress des Eingriffs erholen und das braucht Zeit. Aber mehr noch: Eine mehr oder weniger ausgebildete Inkontinenz hängt nicht nur vom Befund, sondern auch vom Alter des Patienten und vor allem von dessen körperlicher Verfassung ab. Trainierte Männer, die regelmäßig Sport treiben, erholen sich schneller. In jedem Fall braucht es Zeit, bis sich das empfindliche Gleichgewicht dieses delikaten Bereichs neu reguliert und umstellt.
In jedem Fall werden die Patienten neben der onkologischen Betreuung auch mit den Folge-Erscheinungen des chirurgischen Eingriffs nicht allein gelassen! Um der Inkontinenz vorzubeugen, werden die Patienten bereits zwei bis drei Wochen vor der Operation zu einem aufklärenden Gespräch eingeladen, der Status ihrer Beckenbodenmuskulatur wird erfasst und sie werden von Stoma- und Inkontinenz-TherapeutInnen zu einem spezifischen Training dieser so wichtigen Muskelgruppe angehalten. Kein leichtes Unterfangen. „Es gibt Patienten, die überhaupt nicht wissen, wie sie das bewerkstelligen sollen oder die sogar denken, diese Muskulatur hätten nur Frauen“, erklärt Dr. Ladurner.
Regelmäßiges Beckenboden-Training bereitet die Muskulatur auf den Operationsstress vor. Je besser der Beckenboden, desto schneller kann der Patient seine Funktionen wiedererlangen. Abgesehen davon, dass viele Männer erst lernen müssen, wie man diese Muskeln überhaupt anspannt, liegt das Ergebnis nicht vor Augen wie beispielsweise, wenn man einen Bizeps anspannt. „Es gibt ein eigenes Gerät dafür, mit dem die Anspannung gemessen und auf einem Monitor grafisch dargestellt werden kann“, erklärt Dr. Ladurner. „Eine große Hilfe für unsere TherapeutInnen und eine zusätzliche Motivation für die Männer. Wir sind der Südtiroler Krebshilfe sehr dankbar, dass sie uns dieses Pelvic-Tool finanziert hat!“
Ziel ist in jedem Fall die Wiederherstellung der kompletten Kontinenz. „Inkontinenz ist für einen Mann extrem belastend“, betont Dr. Christian Ladurner. „Männer sind es nicht gewöhnt, Einlagen zu tragen, sie haben Angst, dass es bemerkt werden könnte, sind unsicher wegen des Kontrollverlusts und ziehen sich aus dem sozialen Leben zurück.“ Spezifische Zahlen aus Südtirol, die zwischen Inkontinenz je nach Befund unterscheiden, liegen zurzeit nicht vor. Aber, so Dr. Ladurner, internationale Studien sprechen von 80% bis 90% Prozent der Männer mit einem frühdiagnostizierten Befund, die nach 3 – 6 Monaten die Kontrolle der Blase (fast) vollständig zurückgewinnen.Während die Männer vor und in den Monaten nach der Operation sehr motiviert sind, ihren Beckenboden regelmäßig zu trainieren, lässt das nach, sobald die Blasenkontrolle zurückerlangt ist. „Hier warnen wir aber, denn mit dem Alter erschlafft die Muskulatur, die Inkontinenz kann sich wieder einstellen.“ Der Beckenboden sollte deshalb, und das gilt für Männer wie für Frauen, kontinuierlich stimuliert und trainiert werden. Und das schon in jungen Jahren.
Mit einem fortgeschrittenen Prostatakrebs ändert sich die Sachlage. Wenn nach der Operation noch eine Strahlentherapie durchgeführt werden muss, kann sich auch das negativ auf die Kontinenz auswirken, da die Strahlen das Gewebe verhärten und damit die Muskelfunktion beeinträchtigt wird. Dem verbleibenden äußeren Schließmuskel gelingt es nicht immer, die Funktion des inneren Schließmuskels komplett aufzufangen.
Aber auch hier gibt es Hilfen für die Patienten. Je nach Ausmaß der Inkontinenz stehen zwei chirurgische Eingriffe zur Verfügung. Der erste, das Einsetzen eines sogenannten Schlingenbands, das die Beckenbodenmuskulatur und die Blase anhebt, kann bei andauernder leichter bis mittlerer Blasenschwäche Abhilfe schaffen. „Der zweite, komplexere Eingriff – eine Art hydraulisches System - wird jenen Patienten empfohlen, die keine Kontrolle mehr über die Blase haben.“ Hierbei wird die Blase mit einer mit Wasser gefüllten Manschette (ähnlich jener des Blutdruckgeräts) umschlossen. Über eine Art Pumpe im Hodensack, kann der Mann alle zwei - drei Stunden den Harn für wenige Minuten abfließen lassen; anschließend schließt sich die Manschette wieder.
Keine Frage, dass auch diese Fragen sehr sensibel und aufklärend mit den Männern besprochen werden. Schon heute, unterstreicht Dr. Ladurner, sind in der Regel mindestens drei Begegnungen und Gespräche mit den Patienten durch Fachkräfte mit spezifischen Kompetenzen vorgesehen: Urologen, die spezialisiert sind auf Prostata, bzw. Impotenz oder Inkontinenz, Onkologen, StomatherapeutInnen, Psychologen sowie Uro-, Sexual- bzw. BeckenbodentherapeutInnen. Vor dem Eingriff, während des Krankenhausaufenthaltes sowie drei bis vier Wochen nach dem Eingriff. „Selbstverständlich können die Patienten sich bei Fragen und Problemen auch darüber hinaus jederzeit an uns wenden“, so Dr. Ladurner.
Ab September soll die Zusammenarbeit, die es heute de facto schon gibt, in einem interdisziplinären Parcours institutionalisiert und in einem eigenen Dienst zusammengefasst werden. Dr. Christian Ladurner: „Schon heute läuft die Betreuung von Patienten mit Inkontinenz und erektiler Dysfunktion parallel, aber nicht getrennt zur onkologischen Therapie“, so werden z. B. die ersten Gespräche drei bis vier Wochen nach der Operation, wo es um das allgemeine Befinden, Fragen der Inkontinenz und Impotenz geht, bewusst mit dem ersten onkologischen Kontrollgespräch nach der Operation zusammengelegt. Im Fokus steht in jedem Fall – und zusammen mit der bestmöglichen Therapie – die Lebensqualität der Patienten.“
Der Eingangsbereich der Urologie in Bozen

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An der Seite der Männer

Androcheck Ambulatorium: Nach der Krebs-Therapie gilt es die Lebensqualität zu wahren.
Ein Ambulatorium nur für Männer nach einer Prostataoperation. In dieser Phase und in diesem spezifischen Ambulatorium stehen nicht mehr der Krebs im Vordergrund, sondern die Lebensqualität der Betroffenen. Es geht um eine der belastendsten Folgen der chirurgischen Prostataentfernung: Impotenz.
Jeder Mann ist in den ersten Wochen nach der Operation impotent und auch inkontinent. Die Entfernung der Prostata ist ein invasiver Eingriff in ein empfindliches Gleichgewicht. Je nach Operation, ist ein Mann für immer impotent oder nur zeit- oder teilweise. Ähnliches gilt für die Inkontinenz. In jedem Fall kann ihm bedingt geholfen werden.
Dr. Decio Maria Folchini, hat sich in den sechs Jahren seiner Facharztausbildung intensiv mit dem Thema Impotenz auseinandergesetzt. Was ihn daran besonders reizt, ist die Möglichkeit, mit den Patienten eine effektive und auch lang dauernde Bindung aufzubauen. Sein Ziel ist es, als Arzt den Patienten nicht nur auf ein zu behandelndes Organ herunterzubrechen, sich nicht nur an nüchternen Prozentzahlen und Statistiken zu orientieren, sondern dem einzelnen Mann mit seinem Schicksal, seiner ganz besonderen Situation und seiner spezifischen Problematik helfen zu können. Sein Vertrauen zu gewinnen.
Grundsätzlich lassen sich die Patienten des Bozner Androcheck-Ambulatoriums in zwei Kategorien einteilen. Jene die einen früh-diagnostizierten Befund aufweisen, am Anfangsstadium der Krankheit stehen und ein begrenztes Tumorareal aufweisen und jene, die sich in einem mittleren bis fortgeschrittenen Stadium der Krankheit befinden, mit einer mehr oder weniger verbreiteten kanzerösen Läsion und nicht klar definierbaren Tumorrändern. Je nach Konstitution und Alter des Patienten werden beide Kategorien einer Prostataresektion unterzogen oder aber, aufgrund der Gefahr von möglichen, altersbedingten Komorbitäten mit Strahlentherapie behandelt. Die Operationstechnik hängt vom Befund ab.
Gruppe 1 wird nervensparend operiert, das heißt, fast alle für die Erektion des Penis verantwortlichen Nerven, im Idealfall beidseitig, können dem Patienten belassen werden. Der zweiten Gruppe hingegen werden nicht nur die Prostata mit der Samenblase und einem Teil der Samenleiter entfernt, sondern auch die für die Erektion verantwortlichen Nerven, die sich wie ein feines Geflecht über die Oberfläche der Prostata ziehen. „Das Risiko, mit den Nerven auch einen Mikro-Herd im Operationsfeld zu belassen, wäre in diesem Fall zu groß“, erklärt Dr. Folchini.
Im Allgemeinen werden die Patienten sechs Wochen nach dem Eingriff zur ersten Visite eingeladen, so Folchini. Den Patienten wird empfohlen, bereits vier Wochen nach der Operation mit der Einnahme von potenzfördernden Mittel zu beginnen, die eine Erektion des Penis fördern. Es gibt mehrere gleichwertige Medikamente, die aber unterschiedliche Nebenwirkungen hervorrufen können und die individuell unterschiedlich wirken können. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen: Kopfschmerzen, Gesichtsrötungen, verstopfte Nase, Verdauungsstörungen und Schwindel. Selten, aber schwerwiegender können Sehstörungen, Hörstörungen, Dauererektionen oder Herz-Kreislauf-Probleme sein. „Auch aus diesem Grund, raten wir unseren Patienten rechtzeitig, d. h. zwei Wochen vor der ersten Visite mit der Einnahme zu beginnen, um Wirksamkeit und Verträglichkeit zu testen.“
Der Verschreibung des Medikaments – Viagra ist das bekannteste dieser Kategorie – gehen intensive Patienten-Gespräche voraus, in dem es um so intime Dinge wie sexuelle Gewohnheiten geht. „Der Arzt muss einschätzen können, welche Bedürfnisse und Gewohnheiten der Patient hat; nicht immer ist es eine reine Frage des Alters.“ Von diesem Gespräch hängt die Entscheidung für oder gegen eine Therapie ab und je nach Ergebnis muss die Uhrzeit der Einnahme festgelegt werden. Eine konsequente Regelmäßigkeit ist angebracht, will man Erfolg mit der Therapie haben. „Diese Art Medikamente wirken am besten etwa eine Stunde nach Einnahme“, unterstreicht Dr. Folchini, „anschließend bleibt die Konzentration des Wirkstoffs noch eine Zeitlang im Blutkreislauf, um sich dann innerhalb von 3 Tagen aufzulösen.“
„Es gibt zwei Methoden“, so Folchini. „Eine besagt, das Medikament alle drei Tage zu nehmen und nach einer gewissen Zeit, wenn es eine gute Wirkung zeigt, nur noch bei Bedarf. In diesem Fall trägt in Italien, dank der Arzneimittelverschreibungsbestimmung Nr. 75 die staatliche Krankenkasse die Kosten. Die andere Methode plädiert für eine tägliche Einnahme in geringerer Konzentration, in diesem Fall erstattet die Versicherung die Kosten allerdings nicht. Das Androcheck Ambulatorium empfiehlt die Einnahme alle drei Tage.
Die Dauer der Behandlung ist individuell sehr unterschiedlich und der Erfolg hängt ebenfalls von unterschiedlichen Faktoren ab, u. a. von der erektilen Funktion vor dem Eingriff, vom Alter des Patienten, von seinem Lebensstil. Es gibt Männer, die nach drei bis sechs Monaten das Medikament absetzen, andere nach einem Jahr, wieder andere fühlen sich zu unsicher und nehmen es über Jahre hinweg.
Ein weiterer, sehr wichtiger Faktor, unabhängig vom Alter der Patienten, ist die Beschaffenheit der Beckenbodenmuskulatur, die ja auch im Zusammenhang mit dem Problem der Inkontinenz eine wichtige Rolle spielt. „Eine Muskulatur, die sehr wohl Frauen, aber nicht Männer trainieren.“
Die zweite Gruppe der Patienten, mit einem fortgeschrittenen Befund, denen die Nerven mit entfernt werden mussten, sind auf Dauer impotent, Medikamente zeigen bei ihnen keine Wirkung. Aber sie können im Ambulatorium lernen, sich selbst intrakavernöse Injektionen in die Schwellkörper des Penis zu spritzen. „Dieses Medikament, erklärt Folchini, bewirkt eine Erektion auch ohne Nerven und muss etwa eine halbe Stunde vorher injiziert werden. Zusätzlich zur pharmakologischen Therapie der Impotenz werden den Männern im Androcheck Ambulatorium auch verschiedene Hilfsmittel erklärt, wie zum Beispiel elektrische oder manuelle Pumpen.
„Wichtig ist uns, den Männern zu vermitteln, dass wir ihre Not verstehen und sie nicht alleine sind“, unterstreicht Dr. Decio Maria Folchini. Die Therapie des Krebses ist eine Sache, die Erhaltung der Lebensqualität eine andere. Beides ist Teil des Arbeitsfeldes eines Urologen.
Ein Pelvic-Tool (links) sowie Hilfsmittel für die Therapie bei erektiler Dysfunktion wie Vakuumpumpen.