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An der Seite der Männer

Androcheck Ambulatorium: Nach der Krebs-Therapie gilt es die Lebensqualität zu wahren.
Ein Ambulatorium nur für Männer nach einer Prostataoperation. In dieser Phase und in diesem spezifischen Ambulatorium stehen nicht mehr der Krebs im Vordergrund, sondern die Lebensqualität der Betroffenen. Es geht um eine der belastendsten Folgen der chirurgischen Prostataentfernung: Impotenz.
Jeder Mann ist in den ersten Wochen nach der Operation impotent und auch inkontinent. Die Entfernung der Prostata ist ein invasiver Eingriff in ein empfindliches Gleichgewicht. Je nach Operation, ist ein Mann für immer impotent oder nur zeit- oder teilweise. Ähnliches gilt für die Inkontinenz. In jedem Fall kann ihm bedingt geholfen werden.
Dr. Decio Maria Folchini, hat sich in den sechs Jahren seiner Facharztausbildung intensiv mit dem Thema Impotenz auseinandergesetzt. Was ihn daran besonders reizt, ist die Möglichkeit, mit den Patienten eine effektive und auch lang dauernde Bindung aufzubauen. Sein Ziel ist es, als Arzt den Patienten nicht nur auf ein zu behandelndes Organ herunterzubrechen, sich nicht nur an nüchternen Prozentzahlen und Statistiken zu orientieren, sondern dem einzelnen Mann mit seinem Schicksal, seiner ganz besonderen Situation und seiner spezifischen Problematik helfen zu können. Sein Vertrauen zu gewinnen.
Grundsätzlich lassen sich die Patienten des Bozner Androcheck-Ambulatoriums in zwei Kategorien einteilen. Jene die einen früh-diagnostizierten Befund aufweisen, am Anfangsstadium der Krankheit stehen und ein begrenztes Tumorareal aufweisen und jene, die sich in einem mittleren bis fortgeschrittenen Stadium der Krankheit befinden, mit einer mehr oder weniger verbreiteten kanzerösen Läsion und nicht klar definierbaren Tumorrändern. Je nach Konstitution und Alter des Patienten werden beide Kategorien einer Prostataresektion unterzogen oder aber, aufgrund der Gefahr von möglichen, altersbedingten Komorbitäten mit Strahlentherapie behandelt. Die Operationstechnik hängt vom Befund ab.
Gruppe 1 wird nervensparend operiert, das heißt, fast alle für die Erektion des Penis verantwortlichen Nerven, im Idealfall beidseitig, können dem Patienten belassen werden. Der zweiten Gruppe hingegen werden nicht nur die Prostata mit der Samenblase und einem Teil der Samenleiter entfernt, sondern auch die für die Erektion verantwortlichen Nerven, die sich wie ein feines Geflecht über die Oberfläche der Prostata ziehen. „Das Risiko, mit den Nerven auch einen Mikro-Herd im Operationsfeld zu belassen, wäre in diesem Fall zu groß“, erklärt Dr. Folchini.
Im Allgemeinen werden die Patienten sechs Wochen nach dem Eingriff zur ersten Visite eingeladen, so Folchini. Den Patienten wird empfohlen, bereits vier Wochen nach der Operation mit der Einnahme von potenzfördernden Mittel zu beginnen, die eine Erektion des Penis fördern. Es gibt mehrere gleichwertige Medikamente, die aber unterschiedliche Nebenwirkungen hervorrufen können und die individuell unterschiedlich wirken können. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen: Kopfschmerzen, Gesichtsrötungen, verstopfte Nase, Verdauungsstörungen und Schwindel. Selten, aber schwerwiegender können Sehstörungen, Hörstörungen, Dauererektionen oder Herz-Kreislauf-Probleme sein. „Auch aus diesem Grund, raten wir unseren Patienten rechtzeitig, d. h. zwei Wochen vor der ersten Visite mit der Einnahme zu beginnen, um Wirksamkeit und Verträglichkeit zu testen.“
Der Verschreibung des Medikaments – Viagra ist das bekannteste dieser Kategorie – gehen intensive Patienten-Gespräche voraus, in dem es um so intime Dinge wie sexuelle Gewohnheiten geht. „Der Arzt muss einschätzen können, welche Bedürfnisse und Gewohnheiten der Patient hat; nicht immer ist es eine reine Frage des Alters.“ Von diesem Gespräch hängt die Entscheidung für oder gegen eine Therapie ab und je nach Ergebnis muss die Uhrzeit der Einnahme festgelegt werden. Eine konsequente Regelmäßigkeit ist angebracht, will man Erfolg mit der Therapie haben. „Diese Art Medikamente wirken am besten etwa eine Stunde nach Einnahme“, unterstreicht Dr. Folchini, „anschließend bleibt die Konzentration des Wirkstoffs noch eine Zeitlang im Blutkreislauf, um sich dann innerhalb von 3 Tagen aufzulösen.“
„Es gibt zwei Methoden“, so Folchini. „Eine besagt, das Medikament alle drei Tage zu nehmen und nach einer gewissen Zeit, wenn es eine gute Wirkung zeigt, nur noch bei Bedarf. In diesem Fall trägt in Italien, dank der Arzneimittelverschreibungsbestimmung Nr. 75 die staatliche Krankenkasse die Kosten. Die andere Methode plädiert für eine tägliche Einnahme in geringerer Konzentration, in diesem Fall erstattet die Versicherung die Kosten allerdings nicht. Das Androcheck Ambulatorium empfiehlt die Einnahme alle drei Tage.
Die Dauer der Behandlung ist individuell sehr unterschiedlich und der Erfolg hängt ebenfalls von unterschiedlichen Faktoren ab, u. a. von der erektilen Funktion vor dem Eingriff, vom Alter des Patienten, von seinem Lebensstil. Es gibt Männer, die nach drei bis sechs Monaten das Medikament absetzen, andere nach einem Jahr, wieder andere fühlen sich zu unsicher und nehmen es über Jahre hinweg.
Ein weiterer, sehr wichtiger Faktor, unabhängig vom Alter der Patienten, ist die Beschaffenheit der Beckenbodenmuskulatur, die ja auch im Zusammenhang mit dem Problem der Inkontinenz eine wichtige Rolle spielt. „Eine Muskulatur, die sehr wohl Frauen, aber nicht Männer trainieren.“
Die zweite Gruppe der Patienten, mit einem fortgeschrittenen Befund, denen die Nerven mit entfernt werden mussten, sind auf Dauer impotent, Medikamente zeigen bei ihnen keine Wirkung. Aber sie können im Ambulatorium lernen, sich selbst intrakavernöse Injektionen in die Schwellkörper des Penis zu spritzen. „Dieses Medikament, erklärt Folchini, bewirkt eine Erektion auch ohne Nerven und muss etwa eine halbe Stunde vorher injiziert werden. Zusätzlich zur pharmakologischen Therapie der Impotenz werden den Männern im Androcheck Ambulatorium auch verschiedene Hilfsmittel erklärt, wie zum Beispiel elektrische oder manuelle Pumpen.
„Wichtig ist uns, den Männern zu vermitteln, dass wir ihre Not verstehen und sie nicht alleine sind“, unterstreicht Dr. Decio Maria Folchini. Die Therapie des Krebses ist eine Sache, die Erhaltung der Lebensqualität eine andere. Beides ist Teil des Arbeitsfeldes eines Urologen.
Ein Pelvic-Tool (links) sowie Hilfsmittel für die Therapie bei erektiler Dysfunktion wie Vakuumpumpen.

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Neue Wege

Martina Tetter eine BreastCareNurse in der Urologie – Ganzheitliche Pflege
Herausforderungen faszinieren sie, ebenso wie das Arbeiten für und mit Menschen. Als Martina Tetter im Sommer 1996 ihr Diplom als Krankenpflegerin abgelegt hat, schien ihr Weg vorgezeichnet. Sie begann in der Inneren Medizin, dies entsprach ihrem Wunsch, PatientInnen als Ganzes wahrzunehmen und sich ihrer ganzheitlich und nicht nur rein pflegerisch anzunehmen.
Nach 18 Jahren wollte sie eigentlich in die Urologie wechseln, ein Pflegeengpass führte sie aber auf die chirurgisch-senologische Ambulanz. 2016 nahm sie auf eigene Kosten an der Ausbildung zur Breast-Care-Nurse, BCN teil und beschäftigte sich intensiv mit der MammaCareMethode. Aus dem privaten Herzens-projekt wurde ein betriebsweites Projekt unter ihrer Leitung. Heute sind nicht nur BCNs längst eine Selbstverständlichkeit in allen Südtiroler Brustgesundheitszentren, sondern auch das Angebot von Kursen zum Erlernen der Selbstuntersuchung der Brust.
2022 konnte Martina Tetter dann schlussendlich doch ihren Wunsch umsetzen und auf die Urologie wechseln. Nachdem sie über Jahre hinweg intensiv mit Frauen gearbeitet hatte, eine große Umstellung. „Nicht nur, weil es kein genderspezifisches Pendant zur Figur der BCN gab, sondern auch weil Männer anders auf Krankheit reagieren als Frauen und häufig „sprach-los“ sind. "
Was hingegen gleich ist – vor allem bei KrebspatientInnen und -patienten – sind die psycho-sozialen Auswirkungen. Die Auswirkungen der Krankheit und der Therapie auf die Sexualität, auf die Kontinenz, auf das Köperbild und letztlich auf das Selbstwertgefühl. Nur dass Frauen, so Martina Tetter, „den Vorteil haben, dass sie sich leichter tun, Dinge an- und auszusprechen." Auch wenn der Intimbereich und die Sexualität nicht nur bei Männern, sondern auch bei Frauen sehr oft mit einem erdrückenden Tabu belegt sind und einen großen Leidensdruck erzeugen.
In der urologischen Ambulanz ist Martina Tetter heute mit beruflich und privat erworbenen Zusatzkompetenzen und mit der ihr eigenen Empathie im Bereich Beckenboden, Sexualität und Counselling tätig. In Zukunft wird sie Ansprechpartnerin im Rahmen des postoperativen Gespräch 3- 4 Wochen nach einer radikalen Prostataoperation bezüglich Beckenboden, Kontinenz und zusätzlicher Hilfsmittel auch bei erektiler Dysfunktion sein. Sie ist es auch, die den Kontakt zur Landesvorsitzenden der Südtiroler Krebshilfe, Maria Claudia Bertagnolli gesucht hat und diese dafür gewinnen konnte, der Urologie ein zweites Pelvic-Tool und andere nützliche Hilfsmittel für Männer über die SKH zu finanzieren.
Martina Tetter ist zusammen mit den Urologen Dr. Christian Ladurner und Dr. Decio Maria Folchini in die Planung und den Aufbau eines interdisziplinären Dienstes eingebunden, der ab kommendem Herbst die Ambulatorien für Androcheck (Impotenz) und Uro-Rehabilitation (Inkontinenz) eigens für Männern nach einer radikalen Prostata-Operation mit Kontinenz- und Erektionsstörungen zusammenlegen wird. Eine neue und auch schöne Herausforderung, die sie mit einer weiteren Zusatzausbildung verbindet: zur Uro-Therapeutin.
Das Androcheck- und Uro-Rehabilitationsteam des urologischen Ambulatoriums. V. li. Dr. Christian Ladurner, Martina Tetter und Dr. Decio Maria Folchini.