Aktuell
Ich bin ich
Michael Peer, Geschäftsführer des Südtiroler Jugendrings
Michael Peer
Nein. Statistiken schaut er sich nicht an. Michael Peer, Michi nennen ihn seine Freunde, lebt den Moment und dann den nächsten und dann wiederum den nächsten. Schritt für Schritt ist sein Motto und damit ist er bis jetzt ganz gut gefahren. Was nicht heißt, dass es immer leicht ist.
Er ist eine dieser Personen ohne Alter. 29, 32, 37 oder? Vierzig ist er. Kurze Haare, schlaksig, der sympathische junge Mann von nebenan. In seiner Freizeit wandert er gerne, geht Skifahren, macht Fitness. Er liebt es zu reisen, genießt Wellness, bewusstes Relaxen, Lesen, Kinobesuche, mit Freunden ausgehen. Beziehung, Freunde - richtige und wahre Freunde - hat er einige, Freundschaften viele. Eine Familie, die all das erfüllt, was man sich unter Familie vorstellt. Wärme, Geborgenheit, Liebe, Sicherheit. Ein effizientes soziales Netz. Eine wahre Dorfgemeinschaft.
In den letzten eineinhalb Jahren hat Michael Peer das alles gebraucht, wie nie zuvor in seinem Leben. An seinem 39. Geburtstag wurde ihm ein Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert. In Bozen und Verona hieß es zunächst inoperabel. Nach der ersten Chemotherapie wurde er mit starken Bauchschmerzen in die Chirurgie von Bozen eingeliefert. Für eine Woche blieb er dort, hatte große Schmerzen und bekam nach einer massiven Gelbsucht nach vier Tagen endlich einen Stent gesetzt. Ein Implantat, das die durch den Krebs verengten Gallenwege offen hält.
Danach, erinnert sich Michi, gab es nur mehr Schmerzmittel und Einläufe. Die Schmerzen ließen aber keinen Deut nach. Nach einer Woche wurde er mit Schreikrämpfen auf die Palliativ-Abteilung überstellt. Zum Sterben. Die effiziente Schmerztherapie und vor allem die besondere Atmosphäre zeigten Erfolg. Zwei Wochen blieb er dort. Michael Peer: „Da kann ich´s aushalten, dachte ich damals. Die Vorstellung, dass es eine solche Einrichtung gibt, dass es solche Menschen wie Dr. Bernardo und Dr. Gapp und deren Team gibt, hat im Nachhinein etwas Tröstliches für mich.“
Nach der Erholung auf der Palliativstation konnte die Chemotherapie trotz vieler Komplikationen, Lungenembolie und künstlicher Ernährung wieder aufgenommen werden. Nach dem vierten Zyklus kam dann eine positive Rückmeldung aus Verona. Jetzt könne man eine Operation versuchen. Nach zwei Stunden Vollnarkose wachte er auf, ohne Operation. Eine Maschine im OP-Saal war ausgefallen. „Das war für mich ein Zeichen, ein Zeichen dass jemand anderes – vielleicht Gott – mit entscheidet. Und dieses Zeichen wollte und konnte ich nicht ungehört lassen“, ist sich Michael sicher.
Ein Zeichen, aber auch ein Aufruf, nicht aufzugeben und selbst aktiv zu werden. Michael Peer beschloss noch einen Versuch zu unternehmen und wurde in Heidelberg am Uniklinikum vorstellig. Dort gab man ihm Hoffnung. Am 6. Juli 2012 wurden Michi die gesamte Bauchspeicheldrüse, Milz, ein Stück Vene und die Gallenblase entfernt. „Wenn ich damals Statistiken gelesen, im Internet nach den Folgeerscheinungen gesucht hätte, dann hätte ich mich wahrscheinlich nicht operieren lassen“, meint er heute. Im Nachhinein war es gut. An dieKonsequenzen dieser Operation, Verdauungsprobleme, Diabetes… hat er sich gewöhnt.
Weitere Chemotherapien und Strahlentherapien folgten. Momente, in denen er fast am Aufgeben war, Momente, in denen die Unterstützung seines Umfelds ihm wieder Mut und damit auch Kraft gaben. Kraft zum Nicht-Aufgeben. Kraft zum Kämpfen. Vertrauen in seine Selbstheilungskräfte. Ein Motto, das er irgendwann aufgelesen hatte, half ihm in dieser Zeit: „Bleib wirksam und übernimm Verantwortung - für dich und andere".
„Ich habe mich in den Vordergrund gestellt, habe gelernt, meine (Hilfs)Bedürfnisse klar zu formulieren. Habe gelernt, mir das zu holen, was ich brauche, ohne mich deswegen schuldig zu fühlen.“ Michael Peer ist es gelungen, die Krankheit immer als Chance zu sehen. „Als Chance, aufzuräumen. Ich bin zur Ruhe gekommen, habe mir die Zeit genommen, mein persönliches Leitbild zu erarbeiten. Wo will ich hin? Was erwarte ich mir von der Gesellschaft? Was kann ich zurückgeben, wie kann ich für das Übergeordnete, wie für meine Mitmenschen, wirksam werden? Ich habe nie zugelassen, dass der Krebs Oberhand über mich gewinnt, dass ich über die Krankheit definiert werde. Ich bin ich.“
Zeit auch für Gespräche mit Familienseelsorger Toni Fiung. „Religion war mir bei aller Skepsis und einigem Hadern mit Gott immer wichtig, gibt mir Halt, Bilder, die mich auffangen.“
Michi Peer ist Geschäftsführer des Südtiroler Jugendrings. Dass er tagtäglich viel mit Jugendlichen und ihren Anliegen zu tun hat, merkt man ihm an. Er arbeitet im Team und auch seine Arbeit, die Haltung seiner Kollegen und seiner Vorgesetzten hat ihm Halt gegeben und Kraft, den Kampf gegen die Krankheitaufzunehmen. „Ich habe viel in diesen Job investiert, arbeite auch heute sicher mehr als 40 Stunden; aber ich habe alles zurückbekommen.“Für einen Menschen, der zum Teil noch in der Planungsphase seines Lebens steckt, hat die Diagnose Krebs weitreichende Folgen. Berufliche Weiterentwicklung, Familiengründung, Kinder, Zukunftsplanung. Michi Peer ist heute froh, dass er keine Kinder hat. „Ich hätte mich zu sehr verantwortlich gefühlt, wie sie mit dieser Situation fertig werden.“
Er ist ein Mensch, der keine Angst hat, die Dinge beim Namen zu nennen. Ganz offen redet er über Krebs. Über seine Ängste. Über das Sterben und über den Tod. Den Tod, den er als Freiheit hin zu etwas und nicht als ein „weg“ sieht, als Freiheit, anderes zu erleben. Die Ängste hat er auch dank eines Coachings in den Griff bekommen. „Aber ich bin generell ein Mensch, der gut abschotten kann.“
Bei den Gedanken an das Sterben und an den Tod überwiegt die Frage, was ist danach? „Ich habe auch Momente, wo ich denke, dass ich nicht gehen will, dass ich nicht loslassen will. Der Gedanke an die Beziehungen, an die Menschen, die ich zurücklasse, sollte es soweit kommen, stimmt mich traurig.“
Am meisten fürchtet er sich vor dem Dahinvegetieren. „Ich bin ein freiheitsliebender, ein sehr autonomer Mensch.“ Dass das Leben nicht fair ist, weiß Michael Peer. Und nicht erst seit er selbst ein Betroffener ist. Die Frage nach dem Warum, „warum ich?“ hat er sich nie gestellt. Auch jetzt nicht, wo bei einer Kontrolluntersuchung Metastasen in der Leber festgestellt wurden und er auf einen Termin in Heidelberg oder Innsbruck wartet, um zu erfahren, wie es weitergeht… Michi ist bereit. Bereit seinen Kampf weiterzuführen, nicht aufzugeben.
In den letzten eineinhalb Jahren hat Michael Peer das alles gebraucht, wie nie zuvor in seinem Leben. An seinem 39. Geburtstag wurde ihm ein Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert. In Bozen und Verona hieß es zunächst inoperabel. Nach der ersten Chemotherapie wurde er mit starken Bauchschmerzen in die Chirurgie von Bozen eingeliefert. Für eine Woche blieb er dort, hatte große Schmerzen und bekam nach einer massiven Gelbsucht nach vier Tagen endlich einen Stent gesetzt. Ein Implantat, das die durch den Krebs verengten Gallenwege offen hält.
Danach, erinnert sich Michi, gab es nur mehr Schmerzmittel und Einläufe. Die Schmerzen ließen aber keinen Deut nach. Nach einer Woche wurde er mit Schreikrämpfen auf die Palliativ-Abteilung überstellt. Zum Sterben. Die effiziente Schmerztherapie und vor allem die besondere Atmosphäre zeigten Erfolg. Zwei Wochen blieb er dort. Michael Peer: „Da kann ich´s aushalten, dachte ich damals. Die Vorstellung, dass es eine solche Einrichtung gibt, dass es solche Menschen wie Dr. Bernardo und Dr. Gapp und deren Team gibt, hat im Nachhinein etwas Tröstliches für mich.“
Nach der Erholung auf der Palliativstation konnte die Chemotherapie trotz vieler Komplikationen, Lungenembolie und künstlicher Ernährung wieder aufgenommen werden. Nach dem vierten Zyklus kam dann eine positive Rückmeldung aus Verona. Jetzt könne man eine Operation versuchen. Nach zwei Stunden Vollnarkose wachte er auf, ohne Operation. Eine Maschine im OP-Saal war ausgefallen. „Das war für mich ein Zeichen, ein Zeichen dass jemand anderes – vielleicht Gott – mit entscheidet. Und dieses Zeichen wollte und konnte ich nicht ungehört lassen“, ist sich Michael sicher.
Ein Zeichen, aber auch ein Aufruf, nicht aufzugeben und selbst aktiv zu werden. Michael Peer beschloss noch einen Versuch zu unternehmen und wurde in Heidelberg am Uniklinikum vorstellig. Dort gab man ihm Hoffnung. Am 6. Juli 2012 wurden Michi die gesamte Bauchspeicheldrüse, Milz, ein Stück Vene und die Gallenblase entfernt. „Wenn ich damals Statistiken gelesen, im Internet nach den Folgeerscheinungen gesucht hätte, dann hätte ich mich wahrscheinlich nicht operieren lassen“, meint er heute. Im Nachhinein war es gut. An dieKonsequenzen dieser Operation, Verdauungsprobleme, Diabetes… hat er sich gewöhnt.
Weitere Chemotherapien und Strahlentherapien folgten. Momente, in denen er fast am Aufgeben war, Momente, in denen die Unterstützung seines Umfelds ihm wieder Mut und damit auch Kraft gaben. Kraft zum Nicht-Aufgeben. Kraft zum Kämpfen. Vertrauen in seine Selbstheilungskräfte. Ein Motto, das er irgendwann aufgelesen hatte, half ihm in dieser Zeit: „Bleib wirksam und übernimm Verantwortung - für dich und andere".
„Ich habe mich in den Vordergrund gestellt, habe gelernt, meine (Hilfs)Bedürfnisse klar zu formulieren. Habe gelernt, mir das zu holen, was ich brauche, ohne mich deswegen schuldig zu fühlen.“ Michael Peer ist es gelungen, die Krankheit immer als Chance zu sehen. „Als Chance, aufzuräumen. Ich bin zur Ruhe gekommen, habe mir die Zeit genommen, mein persönliches Leitbild zu erarbeiten. Wo will ich hin? Was erwarte ich mir von der Gesellschaft? Was kann ich zurückgeben, wie kann ich für das Übergeordnete, wie für meine Mitmenschen, wirksam werden? Ich habe nie zugelassen, dass der Krebs Oberhand über mich gewinnt, dass ich über die Krankheit definiert werde. Ich bin ich.“
Zeit auch für Gespräche mit Familienseelsorger Toni Fiung. „Religion war mir bei aller Skepsis und einigem Hadern mit Gott immer wichtig, gibt mir Halt, Bilder, die mich auffangen.“
Michi Peer ist Geschäftsführer des Südtiroler Jugendrings. Dass er tagtäglich viel mit Jugendlichen und ihren Anliegen zu tun hat, merkt man ihm an. Er arbeitet im Team und auch seine Arbeit, die Haltung seiner Kollegen und seiner Vorgesetzten hat ihm Halt gegeben und Kraft, den Kampf gegen die Krankheitaufzunehmen. „Ich habe viel in diesen Job investiert, arbeite auch heute sicher mehr als 40 Stunden; aber ich habe alles zurückbekommen.“Für einen Menschen, der zum Teil noch in der Planungsphase seines Lebens steckt, hat die Diagnose Krebs weitreichende Folgen. Berufliche Weiterentwicklung, Familiengründung, Kinder, Zukunftsplanung. Michi Peer ist heute froh, dass er keine Kinder hat. „Ich hätte mich zu sehr verantwortlich gefühlt, wie sie mit dieser Situation fertig werden.“
Er ist ein Mensch, der keine Angst hat, die Dinge beim Namen zu nennen. Ganz offen redet er über Krebs. Über seine Ängste. Über das Sterben und über den Tod. Den Tod, den er als Freiheit hin zu etwas und nicht als ein „weg“ sieht, als Freiheit, anderes zu erleben. Die Ängste hat er auch dank eines Coachings in den Griff bekommen. „Aber ich bin generell ein Mensch, der gut abschotten kann.“
Bei den Gedanken an das Sterben und an den Tod überwiegt die Frage, was ist danach? „Ich habe auch Momente, wo ich denke, dass ich nicht gehen will, dass ich nicht loslassen will. Der Gedanke an die Beziehungen, an die Menschen, die ich zurücklasse, sollte es soweit kommen, stimmt mich traurig.“
Am meisten fürchtet er sich vor dem Dahinvegetieren. „Ich bin ein freiheitsliebender, ein sehr autonomer Mensch.“ Dass das Leben nicht fair ist, weiß Michael Peer. Und nicht erst seit er selbst ein Betroffener ist. Die Frage nach dem Warum, „warum ich?“ hat er sich nie gestellt. Auch jetzt nicht, wo bei einer Kontrolluntersuchung Metastasen in der Leber festgestellt wurden und er auf einen Termin in Heidelberg oder Innsbruck wartet, um zu erfahren, wie es weitergeht… Michi ist bereit. Bereit seinen Kampf weiterzuführen, nicht aufzugeben.