Aktuell

Wir haben den klinischen Blick

Ex-Primarin Gertraud Gisser über die Arbeit in der Rehabilitation

Mit jedem Schritt selbständigerMit jedem Schritt selbständiger

Der Begriff Rehabilitation ist sehr weit gefasst. Für Gertraud Gisser, Ex-Primarin der Reha-Abteilung in Brixen, ist es die Sparte der Medizin par excellence, weil sie von einem ganzheitlichen Bild des Patienten ausgeht und sich zur Aufgabe stellt, „den Menschen zu unterstützen seine verlorenen gegangenen Funktionen wieder zu erlangen, um wieder voll an seinem sozialen Umfeld teilnehmen zu können.“
Ich bin eine „mosca bianca“, sagt sie und lacht ihr verschmitztes Jungmädchenlachen. Gertraud Gisser. Sechzehn Jahre war sie Primarin der Reha-Abteilung am Krankenhaus Brixen, in den letzten Jahren auch mitverantwortlich für das Neuro-Rehazentrum in Sterzing. Auch als Primarin war sie noch aktiv in die Patientenbehandlung involviert. Dieses Jahr hat sie selbst gesagt, Schluss, es reicht, jetzt soll jemand Jüngeres das Ruder übernehmen. Sie arbeitet nun unter ihrem Nachfolger Dr. Wolfgang Nothdurfter als Oberärztin auf den Rehabilitations-Abteilungen in Brixen und in Sterzing und ist glücklich damit.

Patienten also jeder Art. Schlaganfall-Patienten, orthopädische Fälle, generell Patienten nach einem chirurgischen Eingriff, Krebspatienten. Patienten mit organischen Leiden, Patienten, die wieder laufen oder sprechen lernen müssen, Gehörlose, Blinde, Patienten, mit Lymphödemen, Patienten nach einer Behandlung auf der Intensivstation, Schmerzpatienten, Demenzpatienten, Kinder. In der Reha-Behandlung, so Gertraud Gisser, kommen schulmedizinische und komplementärmedizinische Ansätze gemeinsam ins Spiel. Zur Reha-Behandlung gehören Physiotherapie, Logotherapie und Ergotherapie. „In der Reha“, unterstreicht Gertraud Gisser, „haben wir Einblick in alles, wie früher, als der Arzt schauen, riechen, schmecken, tasten und hören musste, um eine Diagnose zu erstellen. Wir haben den klinischen Blick!“
Voraussetzung für das Gelingen einer Reha-Behandlung, unterstreicht Dr. Gisser, ist die aktive Mitarbeit des Patienten. „Es gilt sensibel auf die Bedürfnisse des Patienten einzugehen, jedem ein individuelles Programm zusammenzustellen und zu erkennen, welche Barrieren es zu überwinden gibt. Innere und äußere und zwar nicht nur im räumlichen, sondern auch im übertragenen Sinn. Zum Wiederherstellen von Funktionen gehört auch, dem Patienten helfen, seine Angst zu überwinden. Angst, es nicht zu schaffen, Angst sich wehzutun. „Er muss neues Vertrauen in sich und seine Fähigkeiten gewinnen und das Team, denn eine Reha-Behandlung ist immer Teamarbeit, steht ihm auf diesem Weg beiseite. Mit der Selbstständigkeit gewinnt der Patient auch seine Eigenwürde zurück.“

Wenn der Autonomieverlust so hoch ist, dass ein Patient zuhause gepflegt werden muss, machen die Ergotherapeuten der Reha-Abteilung einen Lokalaugenschein und treffen sich mit dem Pflegepersonal um die poststationäre Phase auf das beste vorzubereiten und zu koordinieren.

Wobei Selbstständigkeit von Fall zu Fall etwas ganz anderes sein kann. Wieder mit den eigenen Beinen laufen, mithilfe einer Gehhilfe oder einer Prothese laufen oder sich mit einem Rollstuhl innerhalb der eigenen vier Wände frei zu bewegen...

Eine Reha-Behandlung beginnt zum Teil schon vor einer Operation, auf jeden Fall aber unmittelbar danach. Das Behandlungskonzept wird erstellt, wenn der Patient noch stationär ist und wird mit der jeweiligen Abteilung abgesprochen. Jeder Patient wird einem bestimmten Therapeuten zugewiesen, um die Behandlungskontinuität zu gewährleisten. Auf der Reha-Abteilung eines Schwerpunkt- Krankenhauses wie Brixen herrscht das Prinzip der Angemessenheit. Vorrang haben alle akuten und postakuten Fälle, erst danach kommen Patienten mit einfacheren Funktionsstörungen.

„Eine seriöse Reha-Behandlung“, so Gertraud Gisser, „besteht nicht aus einer Stromtherapie oder einer wöchentlichen Wohlfühl-Massage. Dafür gibt es private Strukturen, an die wir die Patienten auch weitervermitteln können.“ Die Therapeuten werden angehalten, eigenverantwortlich mitzudenken und kritisch die einzelnen Fälle zu beurteilen. Sie entscheiden die Therapie weitgehend selbst und bringen ihre Ideen und Erfahrungen mit ein.

Eine komplexe Reha-Behandlung, so die frühere Primarin, gehe immer einher mit einer Lebenskrise des Betroffenen. „Diese Untiefen des menschlichen Lebens muss man lernen im Team zu tragen, sie gemeinsam zu verarbeiten; jeder Therapeut muss lernen, wie er sich selbst schützen kann.“ Andererseits sind auch Erfolgserlebnisse Teil des Alltags. „Einen Patienten nach erfolgreicher Reha-Behandlung alleine, auf seinen eigenen Füßen auf einen Spaziergang in die Intensivstation schicken, um sich dort persönlich für seine Rettung zu bedanken“, so Gertraud Gisser, „das ist ein schöner Augenblick!“


Dr. Gertraud GisserDr. Gertraud Gisser

Bei Krebspatienten ist die Reha-Behandlung oft sehr komplex. Die Mitarbeiter der Reha-Abteilung arbeiten eng mit dem Behandlungsteam zusammen. Zum einen geht es darum, Funktionen wieder herzustellen, die postoperative Phase zu begleiten, kognitives Training zu betreiben, also die höheren Hirnfunktionen, das Kurzzeitgedächtnis wieder zu trainieren, es geht um Bewegungstherapie (sich bewegen ist das um und auf bei der Krebstherapie sagt Gertraud Gisser!) und es geht in vielen Fällen auch um die Behandlung von Lymphödemen.“ Etwa 16 % aller Krebspatienten haben mit diesem Problem zu tun, nicht nur Brustkrebspatientinnen, auch Operationen an Prostata oder am Unterleib oder Strahlenbehandlung können eine solche Therapie notwendig machen.

Bei einem Lymphödem gibt es zwei Stadien, erklärt Dr. Gisser. Die erste oder Akutphase, wo es um eine Entstauungstherapie geht und die zweite Phase, wo es um eine Erhaltungstherapie geht. Die Therapie besteht aus Lymphdrainage, manuelle Grifftechniken an allen Lymphstationen und dann aus einem elastischen Kompressionsverband, der ein Leben lang und rund um die Uhr zu tragen ist: Strümpfe, Handschuhe, Strumpfhosen, Ganzkörperbandagen, die den Patienten auf Maß angepasst werden. Patienten, denen Lymphknoten entfernt werden müssen, werden automatisch der Reha-Abteilung gemeldet. Heute, so Gisser, sind die Chirurgen sensibilisiert, die Lymphknoten nur teilweise zu entfernen.

Krebspatienten, die Mitglied der Südtiroler Krebshilfe sind, können die Lymphdrainage nach dem Krankenhausaufenthalt auch in den Ambulatorien der Krebshilfe durchführen lassen, die Therapeuten stehen in engem Kontakt mit den jeweiligen Krankenhäusern.

In der Öffentlichkeit und auch bei den Angehörigen fehlt oft das Verständnis für Patienten mit Lymphödemen, die Schwere dieser Erkrankung werde oft unterschätzt. Gertraud Gisser kennt in diesem Fall kein Pardon und greift auch zu ungewöhnlichen Maßnahmen. „Einmal habe ich den Mann einer Patientin zu mir bestellt, weil er partout nicht einsehen wollte, dass seine Frau am Hof keine schweren Arbeiten mehr verrichten sollte und ich habe ihn mit einem Sechs-Kilo-Gewicht am Arm eine halbe Stunde herumlaufen lassen!“

Ein Lymphödem ist eine schwerwiegende und ernstzunehmende Erkrankung. Die Betroffenen sollen sich bewegen, können auch Sport ausüben, dürfen aber keine schwere körperliche Arbeit verrichten. Sie müssen sich vor Sonneneinstrahlung schützen, vor Insektenstichen und vor Lymphstaus. „Wenn nichts getan wird“, warnt die Reha-Ärztin, „kann es zu einer akuten Wundrose oder zu einer lebensbedrohenden Sepsis kommen.“

Rehabilitation. Eine vielfältige Tätigkeit im medizinischen Bereich, die fundierte Kenntnisse in allen Sparten und psychologisches Einfühlungsvermögen voraussetzt

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Aktuell

Leserbriefe

Liebe Leserinnen und Leser…
Nach langer Pause durfte ich mich wieder einmal über einen Leserbrief freuen. Hansjörg Elsler aus Meran wollte die Freude über seinen Ferienaufenthalt mit den Lesern teilen und vor allem dazu aufrufen, mitzumachen. Jedes Jahr bietet die Krebshilfe Aufenthalte an der Adria, am Gardasee und im Gsiesertal an. Die Anmeldungen starten im Frühjahr. Worauf warten Sie noch?
Nicole Dominique Steiner
Nur zu empfehlen Ferienaufenthalt im Gsiesertal
Als ich die Zeitschrift „Die Chance“ im Dezember 2014 in den Händen hielt und die verschiedenen Angebote der Ferienaufenthalte durchschaute, kam bei mir so leise der Gedanken auf, dass ich mich doch für den Bergturnus anmelden könnte. Ich notierte mir den Termin der Einschreibungen in meinem Outlookkalender vor und beließ die Sache dann so.
Eine gut harmonierende Gruppe
Eine gut harmonierende Gruppe

Anfang März merkte ich mich telefonisch bei diesem Ferienaufenthalt vor, war aber eigentlich davon überzeugt, dass es sicher einen so großen Andrang gäbe, dass ich ohnehin nicht berücksichtigt werden würde. Die Monate vergingen und ich arbeitete in meinem üblichen „Rhythmus“ weiter und dann fehlten auf einmal nur noch 14 Tage zum Bergaufenthalt. Ich hatte nichts mehr gehört von der Krebshilfe und als ich mich in Meran telefonisch erkundigte, ob meine Einschreibung berücksichtigt worden sei, hoffte ich insgeheim, dass es nicht klappen würde. Die Antwort aber war: natürlich sei ich berücksichtigt! Nur müsse der Betrag noch überwiesen und die vorgesehene Eigenerklärung eingereicht werden. Mir wurde irgendwie mulmig: Soll ich wirklich mit der Krebshilfe zu einem Bergaufenthalt starten? Was erwartet mich da? Mit wem werde ich diese 10 Tage verbringen? Wie werden die anderen Teilnehmer sein? Sind sie alt oder jung, sind sie aktiv oder nicht, wer wird mit mir das Zimmer teilen? Viele Fragen beschäftigten mich. Ich war noch nie alleine ohne Familie im Urlaub gewesen!

Ich zahlte ein und schickte die Eigenerklärung los und dann war auch schon der Tag da. Ich startete alleine mit meinem Fahrzeug in das Gsiesertal, dort angekommen war ich erstmals überwältigt von der Schönheit und Weite dieses Tales, zugleich kamen auch die anderen Teilnehmer/Innen an und wir begrüßten uns und bezogen die Zimmer. Es war eine überraschend kleine Gruppe, vier Frauen und drei Männer! Bei einer ersten kleinen Spazierrunde und dem gemeinsamen Mittagessen planten wir schon die ersten Wandertouren, ganz einfach und demokratisch wurden die Ziele ausgesucht und am nächsten Morgen ging es los. Die erste Tour war dann auch gleich recht anstrengend für mich und am Abend kam ich müde aber zufrieden ins Hotel zurück und genoss dort den schönen Wellnessbereich. Beim Abendessen wurde bereits das nächste Ziel vereinbart. Ich war zufrieden mit mir selber, dass ich es so gut geschafft hatte und freute mich bereits auf den nächsten Tag. Das Wetter zeigte sich in diesen Tagen von seiner besten Seite, war traumhaft, warm, wolkenlos und bot eine herrliche Fernsicht. Was will man mehr!!

So vergingen diese zehn Tage wie im Flug, wir wurden eine gut harmonierende Gruppe, und obwohl ich doch weitaus der Jüngste war, fühlte ich mich wohl und es wurde auf alle Bedürfnisse nach Möglichkeit eingegangen. Gegen Ende des Aufenthaltes haben wir noch einige Zeit mit Preiselbeeren pflücken und Pfifferlingen suchen verbracht, sodass wir alle etwas mit nach Hause bringen konnten.

Ich war am Ende überrascht, wie einfach und schnell eine Gruppe zusammen findet, wie lange es für mich her war, dass ich so viel Tage mir die Zeit genommen habe, in den Bergen zu Wandern. Es waren bestimmt 40 Jahre vergangen, seit ich Preiselbeeren im Wald gepflückt oder Pilze gesucht habe, dass ich mir die Zeit genommen habe, die Ruhe und Schönheit unserer Bergwelt wahr zu nehmen und sie auch auf mich wirken zu lassen.

Dieser Bergaufenthalt der Südtiroler Krebshilfe im schönen Giesertal hat mir geholfen, ein wenig „Entschleunigung“ in meinen Alltag zu bringen, mir wiederum Werte und Dinge in Erinnerung zu rufen, die mir viele Jahre nicht mehr so bewusst waren.

Ich bedanke mich bei der Gruppe für die gute Aufnahme, ich bedanke mich beim gesamten Team des Hotel Waldruhe für die so herzliche und hervorragende Betreuung, und ich bedanke mich bei der Südtiroler Krebshilfe, die mir diesen Aufenthalt ermöglicht hat und mir geholfen hat, wieder ein wenig mehr Ruhe in meinem hektischen Alltag zu bringen. Ich wünsche übrigens viel mehr Betroffenen auch den Mut, so ein Abenteuer zu wagen, denn es zahlt sich aus!!

Hansjörg Elsler, Meran