Aktuell

Der Mensch in seiner Ganzheit

Dienst für Komplementärmedizin in Meran - Tumorpatienten sind ticketbefreit

Schon der Eingangsbereich ist anders. Es riecht nicht nach Krankenhaus. Kein langer Korridor, auf dem Personen hektisch hin- und herlaufen, kein Klappern von Metallwägen mit Essen, Wäsche oder Putzmitteln. Ruhe. Rote Sessel. Bilder mit moderner Malerei an den Wänden. Der Dienst für Komplementärmedizin in Meran empfängt nicht klinikmäßig.
Bis 2014 war dieser 2010 am Krankenhaus Meran eingerichtete Dienst, der von Dr. Christian Thuile geleitet wird, ein Pilotprojekt. Den Kinderschuhen ist er nun längst entwachsen und Patienten aus ganz Südtirol profitieren davon. Fast jeder zweite EU-Bürger setzt inzwischen auf Komplementärmedizin Co. Wer sind die Patienten? Weit mehr als die Hälfte sind Tumorpatienten. Schon während der Chemotherapie oder danach. Die anderen sind zum Großteil Schmerzpatienten. Tumorpatienten haben Vorrang bei den Vormerkungen und sind ticketbefreit. Für die anderen Patienten gelten Tarife, die unter den allgemein gültigen Markttarifen liegen. Erstvisite 80 Euro, Folgevisite 40 €. Shiatsu, Akupunktur, Wärmetherapie etc. die Stunde 30 €, die halbe Stunde 15 €. Medikamente, das heißt homöopathische Präparate bzw. Substanzen der orthomolekularen Therapie, die in Form von Infusionen verbreicht werden, sind selbst zu bezahlen.
Die Ärzte und das Pflegepersonal, die hier arbeiten, haben eines gemeinsam: neben ihrer (schul)medizinisch-technischen Ausbildung haben sie weitere Kompetenzen und Ausbildungen erworben. Vor allem aber haben sie eines: Empathie und auch Zeit. Eine Stunde pro Patient, davon träumen Ärzte in anderen Abteilungen.
Das Angebot der Komplementärmedizin umfasst: Homöopathie, Akupunktur, Reflexzonenmassage, Shiatsu, Phytotherapie, Bewegungstherapie, Elektrotherapie, Ernährungsmedizin, Healing Touch, Hypothermie, Kryotherapie, Infusionstherapien, Lasertherapie, Lymphdrainage, Osteopathie, Schröpfen und Aromatherapie. Das Ziel ist die Verbesserung der Lebensqualität und die Stärkung des von den Therapien erschöpften Organismus.
Mehr Lebensqualität
In der Komplementärmedizin geht alles mit Ruhe vor sich. Die Patienten sind Gäste, die immer wieder kommen. Und sie fühlen sich auch eher als Gäste denn als Patienten. Man kennt sich. Tauscht sich aus. Wie geht es heute? Wie war es nach der letzten Therapie? Was machen wir heute?
Viele Patienten nehmen dafür auch lange Wege auf sich. Von Brixen, aus dem Pustertal, Bozen oder dem Vinschgau. Die Hälfte kommt aus Meran und Umgebung.
Hiltrud Keim liegt auf einem Bett. Auf ihrem Bauch ruht ein etwa 30 cm großes rundes, flaches Plastikteil, das mit einem Kabel mit einem nebenstehenden Apparat verbunden ist. Sie spürt leichte Wärme, die sich im Bauchraum ausstrahlt. Durch das Fenster scheint die Sonne. Wer möchte kann sich die orangefarbenen Vorhänge zuziehen oder im Winter auch eine Stehlampe anschalten lassen, die den Raum in diffuses Licht taucht.
Hiltrud Keim wohnt in Barbian. Drei Mal pro Woche kommt sie nach Meran. Zwei Wochen hintereinander, dann macht sie zwei Wochen Pause, danach wieder zwei Wochen mit sechs Therapien. Sie hat nach ihrer Brustkrebserkrankung vor sechs Jahren Metasthasen in der Leber und in den Knochen. In Meran unterzieht sie sich einer Wärmetherapie. „Ich habe den Dienst der Komplementärmedizin von Anfang an in Anspruch genommen“, erzählt die pensionierte Mittelschullehrerin.
Die Wärmetherapie bringt Hitze in die Zellen und hemmt damit das Tumorwachstum. Auch während der Chemotherapie ist Hiltrud Keim regelmäßig nach Meran gekommen, um sich nach den Infusionen zu entgiften und zu entsäuern und die Organe zu unterstützen.
Übereinstimmung mit internationalen Protokollen
Mit ihr im Raum ist Edith Maier, die Pflegekoordinatorin der Abteilung. Die Patienten werden nie alleine gelassen, erklärt sie. „Viele kommen von sich aus, weil sie sich im Internet oder bei ihrem behandelnden Arzt informiert haben oder schon von jeher einen Zugang zu komplementären Therapien hatten. Andere werden vom Onkologen zu uns geschickt.“ Die Komplementärmedizin arbeitet Hand in Hand mit den Onkologen und behandelnden Ärzten, stimmt die komplementären Behandlungen in Absprache mit den Ärzten und gemäß einem internationalen Protokoll auf die vom Tumorboard vorgegebene Therapie des jeweiligen Patienten ab. Für jedes gängige Medikament gibt es Indikationen über Verträglichkeit bzw. mögliche Inkompatibilität.
Maria Schwarz führt an zwei Tagen in der Woche Fußreflexzonen-Massage durch. Diese Fußmassage mit Aromaölen, erklärt sie, hilft den Patienten nach der Chemotherapie gegen Übelkeit und Verdauungsprobleme. Harmonisierungs- und Ausgleichsgriffe stärken die Patienten auch psychisch. „Berührung tut einfach gut und das Problem vieler Menschen heute ist, dass sie keine Nähe haben.“ Die eigentliche Fußreflexzonenmassage dauert 25 – 30 Minuten, danach muss der Patient nachruhen. „Diese Zeit nutze ich für Streichungen mit Aromaölen.“
Die Therapien der Patienten werden im Team besprochen. Neben den medizinischen Fachkenntnissen, ist hier auch Intuition gefragt. Edith Maier: „Nicht alle Patienten sind gleich. Es gibt Menschen, die sehr empfänglich sind für diese Therapien, andere weniger.“
Hans Peter Tschigg aus Bozen ist seit sechs Monaten regelmäßiger Gast auf der Komplementärmedizin. Er erhält Infusionen mit orthomolekularen Präparaten zur Stärkung seines von Therapie und Operation geschwächten Organismus und zum Muskelaufbau. Zwei Monate zuvor ist er in Innsbruck operiert worden. „Ich war der Stolz der Abteilung“, erzählt er. Schon am ersten Tag nach der OP habe ich 3.000 Schritte gemacht!“ Ein Tumor im unteren Bereich der Speiseröhre und der halbe Magen musste mit entfernt werden. 14 kg hat er abgenommen und muss nun eine strenge Diät einhalten, zusätzlich wird er über eine Magensonde ernährt. In seinen Träumen sieht er Teller mit Wienerschnitzel.

Silvano Graziadei während einer Shiatsu-BehandlungSilvano Graziadei während einer Shiatsu-Behandlung

Selbstheilungskräfte mobilisieren
Auf der Abteilung für Komplementärmedizin sind zwei Infusionsräume, einer mit sechs und einer mit drei Plätzen, die auf Wunsch mit Vorhängen abgetrennt werden. Auf dem Tischchen neben jedem Platz steht ein kleines Kuhglöckchen, mit dem die Patienten sofort nach dem Pfleger rufen können. Alle Patienten erhalten auf Wunsch Ingwertee. Jeweils zwei Pflegerinnen betreuen den großen Saal, eine den kleinen. Ein Arzt aus dem Team ist für beide Säle verantwortlich. Hans Peter Tschigg ist allein im kleinen Zimmer. Es riecht angenehm nach Minze und etwas anderem Undefinierbaren. Zusammen mit der Infusion wird den Patienten eine Aromatherapie angeboten, das beruhigt, hilft die Selbstheilungskräfte zu mobilisieren und wirkt gegen Schlafstörungen.
Edith Maier ist für das Pflegepersonal und auch die Aufnahme neuer Kollegen verantwortlich. Das wichtigste Kriterium ist das Kolloquium. „Jeder, der sich bei uns bewirbt, muss eine Zusatzausbildung vorweisen, aber ich schaue vor allem auf die menschlichen Qualitäten. Empathie ist die wichtigste Voraussetzung, um hier zu arbeiten. Fachkompetenzen kann man auch hier noch vertiefen!“
Die orthomolekularen bzw. Vitamininfusionen werden an den zentralen Zugängen für die Chemotherapie angelegt. Die Krankenpflegerinnen bereiten sie direkt vor. Eine Infusion dauert eine bis eineinhalb Stunden. Die verabreichten Aufbaustoffe variieren je nach Chemotherapeutika. Die Patienten sind angehalten jede Reaktion sofort zu melden.
Mit dem ärztlichen Leiter Dr. Thuile sind sechs Ärzte auf der Abteilung eingesetzt. Dr. Elfriede Daniel, Stellvertreterin von Dr. Thuile, ist in chinesischer Medizin, Akupunktur und Phytotherapie ausgebildet. Wie alle anderen Ärzte der Komplementärmedizin auch, ist sie nicht nur in ihrem eigenen Fachgebiet tätig. Sie betreut z. B. auch Patienten während der Magnettherapie. So legt sie zum Beispiel Marianne Hinterhuber an den Apparat für die Magnettherapie an. Wie ein Metronom klingt es. Tock. Tock. Tock. Magnetwellen fließen in ihre Hände bzw. Füße. Sie wirken dem durch die Chemotherapie hervorgerufenen Taubheitsgefühl entgegen. Die Patientin aus Brixen war bereits 2001 und 2012 an Brustkrebs erkrankt und erhält in Meran auch orthomolekulare Infusionen. Sie bestätigt den positiven Effekt der Komplementärbehandlung, fühlt sich wesentlich kräftiger als während der vorherigen Therapien und leidet wesentlich weniger unter den Nebenwirkungen.
Kompetenz gepaart mit Empathie
„Voraussetzung um in der Komplementärabteilung zu arbeiten“, erklärt Dr. Daniel, „ist eine medizinische Grundausbildung. Wir haben Ärzte der unterschiedlichen Disziplinen, Krankenpfleger, Physiotherapeuten, Osteopathen. Prana-Therapeuten hingegen können bei uns nicht arbeiten, da diese Therapie nicht als komplementärmedizinische Leistung anerkannt ist. „Die Leistungen der Komplementärmedizin fallen zu 90% unter die sogenannten einheitlichen Mindestbetreuungsstandards, LEA, die vom staatlichen Gesundheitsdienst garantiert werden.
Auch Dr. Hildegard Zeisel ist spezialisiert in Phytotherapie und (Laser) Akupunktur. Jeden Montagmorgen besucht sie die frischoperierten Mammakarzinom-Patientinnen auf der gynäkologischen Abteilung. Bei Fatigue, durch die Hormontherapie hervorgerufenen Wechseljahrbeschwerden wie Hitzewallungen, Schlaflosigkeit u. a. m. ist Akupunktur eine ideale Ergänzung zur schulmedizinischen Behandlung. Die Nadeln können den Energiefluss im Körper ausgleichen. „Viele Chemotherapiepatienten kommen vor der Infusion zu uns, um sich eine Dauernadel setzen zu lassen.“
Anton Obrist, Mediziner mit einer Ausbildung in klassischer Homöopathie, bestätigt, dass auch homöopathische Mittel wirksam gegen die klassischen Nebenwirkungen der Chemo- und Strahlentherapie wie Aften, Mund-Trockenheit oder Verdauungsproblemen wirken. In der Pflege sind 90% der Patienten Tumorpatienten, die Mediziner der Komplementärmedizin haben es zu 70% mit Tumorpatienten zu tun, die eine komplementäre Begleitung zu ihrer Tumortherapie wünschen. „Auch an Schmerz- und chronische Patienten richtet sich unser Angebot“, betonen die Komplementärmediziner. „Allerdings haben diese Patienten mit bis zu viermonatigen Wartezeiten zu rechnen. Tumorpatienten warten maximal zwei Wochen auf ihre Erstvisite.“
Ganzheitlicher Ansatz
Auch Dr. Judith Ladurner, wie Dr. Daniel eigentlich Dermatologin, ist spezialisiert in Akupunktur und Pytotherapie. „Nach der Erstvisite entscheiden wir, ob wir selbst den Patienten weiterbehandeln oder ihn vielleicht an einen Kollegen, der ein zusätzliches Fachgebiet hat, das uns angemessen erscheint, weiterreichen.“ Die Erst-Visite dauert eine Stunde, in der der Patient Gelegenheit hat, nicht nur seinen Fall vorzulegen, sondern auch ganz allgemein über seine Befindlichkeit Auskunft zu geben. "Es geht uns um einen ganzheitlichen Ansatz", betont Dr. Ladurner. Nach vier bis sechs Wochen gibt es eine Follow-Up-Visite, während der die komplementäre Therapie überprüft und gegebenenfalls ergänzt bzw. angepasst wird.
Shiatsu
Sein Behandlungszimmer unterscheidet sich von den anderen. Kein Behandlungsstuhl, keine Krankenliege. Keine Apparate oder Substanzen. Silvano Graziadei arbeitet auf Futon und Tatami. Er kniet neben dem ausgestreckt liegenden Patienten und arbeitet mit dem ganzen Körper. Bei Shiatsu geht es nicht um Massage und Pressbewegungen mit den Händen und Armen. „Ich setze das ganze Gewicht meines Körpers ein und warte auf die Antwort des Körpers des von mir behandelten Patienten.“ Bei dieser japanischen Körpertherapie werden nicht Muskelpartien bearbeitet, sondern Energieströme ausgeglichen und in Gang gesetzt. „Die Shiatsu-Technik bezieht den ganzen Menschen mit ein unter dem medizinischen, physiologischen und psychologischen Aspekt, es geht um den Ausgleich von Ying und Yang, um die Energieströme des Qi. Nach der Anwendung fühlt sich der Patient aufgehoben.“ Auch Silvano Graziadei ist von seiner Ausbildung her Krankenpfleger, zwanzig Jahre hat er in der ersten Hilfe gearbeitet.

Christian ThuileChristian Thuile

Hand in Hand mit der Schulmedizin die Lebensqualität der Patienten erhalten und verbessern


Dr. Christian Thuile hat das Projekt Komplementärmedizin von Anfang an vorangetrieben und geleitet. Die Pilotprojektphase dauerte von 2010 bis 2014. Heute ist der Dienst integriert in das therapeutische Angebot des Südtiroler Gesundheitsbetriebes für Tumorpatienten und chronische Patienten.
Chance: Stichwort Lebensqualität.
Dr. Christian Thuile: Das Verbessern der Lebensqualität ist unser ganz großes Ziel. Wir sehen uns NUR als ein kleines ergänzendes Rad im großen Spektrum der Medizin; ein Uhrwerk, das perfekt läuft, wenn alles passt.
Chance: Aber Sie haben keine Wunderwaffen für wundersame Heilungen parat
Dr. Christian Thuile: Nein und das versprechen wir auch nicht! Wir legen großen Wert und verfolgen mit großer Aufmerksamkeit die neuen Erkenntnisse der Schulmedizin aber auch der Naturmedizin. Wir wollen keine Gräben aufreißen, sondern im Gegenteil Brücken schlagen und gemeinsam mit den Schulmedizinern für das Wohl unserer Patienten arbeiten. Wir sind sicher keine Alternative zur Schulmedizin!

Chance: Wann ist der beste Zeitpunkt, um mit komplementärmedizinischen Behandlungen einzusetzen?
Dr. Christian Thuile: In der Regel gilt: Je eher desto besser. Viele unserer Anwendungen können auf natürliche Weise Nebenwirkungen ausgleichen, z. B. Übelkeit ist mit Akupunktur gut zu behandeln. Gefühl von Taubheit, Fatigue, Schlaflosigkeit, Aften … das sind alles Nebenwirkungen, die der Patient nicht erleiden muss und einen Beitrag dazu, kann auch die Komplementärmedizin liefern.
Chance: Ideal wäre also, dass es in jedem Krankenhaus eine Abteilung für Komplementärmedizin gäbe, bzw. einen Komplementärmediziner und Pflegepersonal mit entsprechender Zusatzausbildung?
Dr. Christian Thuile: Es ist schwierig, zu sagen was ideal ist, ich denke wir können zufrieden sein, wie wir in Südtirol in Bezug auf die Komplementärmedizin aufgestellt sind. Im internationalen Vergleich haben wir fast schon den Idealfall. In Frankfurt, an der Charité in Berlin, in Essen, an der Uni-Klinik Zürich oder am AKH Wien gibt es auch Komplementärmedizin auf hohem Niveau. Wir haben viele Einladungen zu Vorträgen, um unser Meraner Modell international vorzustellen und die Zusammenarbeit zu vertiefen.
Chance: Sie sind erst kürzlich mit einem internationalen Preis ausgezeichnet worden?
Dr. Christian Thuile: Genaugenommen geht es um die Publikation einer von uns in Zusammenarbeit mit der Universität Charité in Berlin erstellten Studie. Sie wurde mit dem Preis der ISCMR, The International Society for Complementary Medicine Research ausgezeichnet. Dieser in Amerika verliehene Preis ist besonders für uns Europäer eine Wertschätzung. Aber wir suchen nicht die Rechtfertigung vor internationalen Kollegien und Universitäten, der größte Preis für uns ist die Zufriedenheit der Menschen, die zu uns kommen.
Chance: Ihr sechsköpfiges Ärzteteam besteht aus Schulmedizinern…
Dr. Christian Thuile: Ja, sicher. In erster Linie sind wir Schulmediziner, Dermatologen, Anästhesisten, Allgemeinmediziner. Nur wenn ich die Schulmedizin kenne, kann ich zusätzliches Fachwissen erwerben und meine Kenntnisse erweitern. Ein Komplementärmediziner ist Mediziner mit einer zusätzlichen Ausbildung. Unsere Mitarbeiter machen Weiterbildungen in Schulmedizinischen Bereichen ebenso wie in zu komplementärmedizinischen Themen. Wir suchen nicht die Alternative, sondern das Miteineinander.
Chance: Das heißt, Sie verstehen sich als eine Ergänzung?
Dr. Christian Thuile: Einen Tumor kann ich nicht ohne Operation, Chemo- oder Strahlentherapie behandeln oder gar heilen, aber ich kann dem Patienten mit der Komplementärmedizin dabei helfen, seine Chemotherapie nicht nur zu beenden, sondern auch noch Lebensqualität zu haben und seinem Körper zusätzliche Kraftreserven eröffnen. Das ist unser Ziel! Vorausgesetzt, der Patient will das. Nicht alle haben einen Zugang zu den komplementären Behandlungen. Das muss man auch sagen.
Chance: Wieviel Patienten haben sie im Schnitt?
Dr. Christian Thuile: Im Jahr 2015 waren es 17.000 Kontakte. Über tausend Erstvisiten.
Chance: Die Patienten kommen hauptsächlich aus Meran?
Dr. Christian Thuile: Natürlich haben wir viele Patienten aus Meran und Umgebung. Auch aus dem Vinschgau, wo mittlerweile im Krankenhaus Schlanders nach unseren Vorschlägen Infusionen gesetzt werden, so dass die Patienten nur die Erstvisite hier machen. Aber es kommen auch viele Patienten aus allen Landesteilen her.
Chance: Die Zusammenarbeit mit den anderen Abteilungen, vornehmlich Onkologie?
Dr. Christian Thuile: Hier im Haus klappt das wunderbar. Aber wir haben auch einen guten Informationsfluss mit den onkologischen und gynäkologischen Abteilungen in anderen Krankenhäusern.
Chance: Apropos Gynäkologie. Das Identikit ihrer Patienten?
Dr. Christian Thuile: Ich weiß worauf Sie anspielen. Und es ist auch so: Das Verhältnis Frauen – Männer liegt bei ungefähr 70 -30%. Die Mehrzahl der Patientinnen sind Brustkrebspatientinnen höheren Bildungsgrades. Die Männer bekommen wir „geliefert“.
Chance: Im Schlepptau der Frau?
Dr. Christian Thuile: So ist es in den meisten Fällen. Und so gesehen sind sie die perfekten Kandidaten. Sie kommen überaus skeptisch und sind dann aber in den meisten Fällen schnell überzeugt. Ist das Eis erst einmal gebrochen, erkennen sie den Nutzen.
Chance: Die Situation der Patienten ist sehr unterschiedlich…
Dr. Christian Thuile: Wir arbeiten mit dem, was wir vorfinden. Wer sehr sehr krank ist, wer erst in einer schon sehr fortgeschrittenen Phase der Krankheit zu uns kommt, kann sich keine Wunder erwarten, aber bei uns zu einer lebenswürdigen Situation finden.
Chance: Sie gehen nach Protokollen vor?
Dr. Christian Thuile: Wir bauen auf Studien auf, die ständig ajouriert werden. Wir führen selbst ein Protokoll zu allen gängigen (Krebs)Medikamenten wie z. Taxane, und passen dieses ständig an, fügen neue Medikamente ein, und das sind nicht wenige iin einem Jahr! Wo sind Vitamine angebracht oder kontraindiziert? Wann können wir Zink, Selen oder Eisen, Vitamin D geben? Wir überlassen nichts dem Zufall.
Chance: Aber sie haben kein Einheits-Protokoll?
Dr. Christian Thuile: Sie meinen im Sinne eines blinden Konzepts? Nein, das haben wir nicht. Wohl aber ein Basis-Protokoll, das dann jeder unserer Ärzte nach reiem Gutdünken ergänzen kann. Jeder Patient, der zu uns kommt, wird beraten und muss in manchen Situationen auch noch einen speziellen Bluttest machen und uns seine Kartei vorlegen. Die Übergänge zur Schulmedizin sind fließend. Abgesehen davon, dass es auch unterstützende Maßnahmen der Schulmedizin gibt, die ausgezeichnet wirken. In jedem Fall sind es immer die Patienten, die eine Begleittherapie wünschen, bei uns an die 70 – 80%, in Deutschland sind es ja bekanntlich fast 90%.
Chance: Wie sind Sie persönlich zur Komplementär-Medizin gekommen?
Dr. Christian Thuile: Ich war immer schon in der Oberschule von der Welt der Akupunktur fasziniert und um diese auch ausführen zu dürfen, braucht man ein Medizinstudium. Während dieser Ausbildung habe ich mich immer auch in anderen Bereichen der Naturheilkunde weitergebildet und viele Zusatzausbildungen abgeschlossen, unter anderem auch das Diplom der österreichischen Ärztekammer zur komplementärmedizinischen Begleitung onkologischer Patientinnen.

Aktuell

Unsere Männer…

Auswertung der Ergebnisse einer Umfrage unter den männlichen Mitgliedern

Die Graphik gibt einen Überblick über die Ergebnisse. Die Tatsache, dass der Mittelwert auf jeden Fall bei 2,5 (von 4) liegt, zeigt, dass prinzipiell alle ang sprochenen Belange positiv bewertet wurden, wenn auch in unterschiedlichem Maße!Die Graphik gibt einen Überblick über die Ergebnisse. Die Tatsache, dass der Mittelwert auf jeden Fall bei 2,5 (von 4) liegt, zeigt, dass prinzipiell alle ang sprochenen Belange positiv bewertet wurden, wenn auch in unterschiedlichem Maße!

Im vergangenen Herbst erhielten alle männlichen Mitglieder der Krebshilfe, betroffene und fördernde, einen Fragebogen ins Haus. Was sie sich von der Krebshilfe erwarten? Welches Angebot sie besonders schätzen und was sie gerne zusätzlich hätten. Etwa zehn Prozent der Mitglieder sind Männer und von diesen haben etwa zehn Prozent geantwortet.

Carmen RaffaCarmen Raffa

Ernüchtert ist Carmen Raffa, die von der Krebshilfe mit dieser Umfrage beauftragte Psychologin aber nicht. „Ich bin zufrieden. Bei dieser Art von freiwilligen Umfragen rechnet man mit zehn bis zwanzig Prozent. Die Antworten sind zwar statistisch gesehen nicht räpresentativ, aber dennoch ausreichend, um aussagekräftige Schlussfolgerungen zu ziehen.“ Abgesehen davon, dass die Beteiligung in etwa den Prozentsatz der Männer an den allgemeinen Aktivitäten der Krebshilfe und auch das Verhältnis der Männer, die als Freiwillige oder auch in den Vorständen aktiv sind, wiederspiegelt. Die Inhalte der Umfrage sind in der vorletzten Chance (3/2015) ausführlich dargestellt worden.
Ein signifikanter Aspekt der Umfrage ist für Raffa allein schon die Tatsache, dass die SKH in eine solche Initiative investiert hat. „Das zeigt den Wert, den die Vereinigung auf bestimmte Dinge legt.“
Die Antworten zeigen, dass für die männlichen Mitglieder vor allem die finanziellen Hilfestellungen der Krebshilfe einen hohen Stellenwert haben. Das liegt daran, dass auch heute noch in Südtirol viele Männer der Altersgruppe über 50 der Allein- bzw. Haupternährer der Familie sind. Die Erkrankung kann die Familie in größte finanzielle Not (zusätzlich zu allen anderen Problemen) stürzen und die unbürokratische und direkte Hilfe der Krebshilfe ist mehr als nur ein Rettungsanker.
Die meisten Männer erklärten, an den Informationsveranstaltungen der Südtiroler Krebshilfe interessiert zu sein. Alles, was die Krankheit betrifft, Vorträge, Broschüren, Statistiken und sonstige Informationsveranstaltungen sind für die Männer von Interesse.
Dies zeigt einen Unterschied zwischen Mann und Frau auf, erklärt die Psychologin Carmen Raffa. „Männer scheinen vor allem an praktischen und konkreten Dingen interessiert zu sein, auch was das Angebot der SKH betrifft!“
Im Bereich Freizeitgestaltung, Ausflüge, und Kurse zeigt sich ein Unterschied zwischen den betroffenen und den fördernden Mitgliedern. Während die Betroffenen ein sehr geringes Interesse an derartigen Initiativen zeigten, halten die fördernden Mitglieder den Aspekt der Gemeinschaft und der gemeinschaftlichen Unternehmungen für sehr wichtig. Und: Je jünger die Männer, desto weniger Interesse haben sie an gemeinschaftlichen Unternehmungen.
Das Angebot von neuen, auf Männern ausgerichteten Initiativen erhielt eine klare Absage. Birdwatching, gemeinsames Tischlern, der Besuch von sportlichen Veranstaltungen, Angeln usw. wurde von den Männern als nicht interessant erachtet. Es sind auch nur wenige Vorschläge für weitere neue Initiativen eingegangen.
Mit einer Ausnahme: Die Mehrheit der teilnehmenden Männer gab an, Initiativen auch psychologischer Natur, vor allem zur Förderung der Kommunikation in der Familie und in der Partnerschaft zu begrüßen. Laut Raffa ein Hinweis auf das Problem vieler (nicht nur kranker) Männer sich zu öffnen und mitzuteilen. Carmen Raffa: „Es ist ein positives Zeichen, dass die Männer diese Schwierigkeit anerkennen, ein Unbehagen empfinden und etwas dagegen tun möchten.“
Was die Freizeit-Aktivitäten anbelange, insbesondere Kurse zur Förderung der Kreativität, sei bei allgemeinem Desinteresse auch ein Stadt-Land-Gefälle auszumachen. Auf dem Land lebende Männer bekunden weniger Interesse als in der Stadt lebende. Carmen Raffa: „In Südtirol ist das Vereinsleben sehr ausgeprägt und viele Männer, gerade auf dem Land, sind bereits in diversen Vereinigungen organisiert. Da bleibt keine Zeit für anderes."
Für die Krebshilfe ist dieses Umfrageergebnis in jedem Fall eine Hilfe für die zukünftige Weichenstellung. In Informationsveranstaltungen kann noch mehr investiert werden. Die Bedürfnisse der männlichen Mitglieder bezüglich Freitzeitaktivitäten scheinen mit dem derzeitigen Programm scheinbar völlig zufriedengestellt. Was die medizinisch-technische Information anbelangt, ist die SKH ohnehin bemüht, diese weiterhin auszubauen, besonders auch in Bezug auf die Krebsvorsorge.