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Die Klugheit des Herzens

Ida Schacher, seit zehn Jahren Vorsitzende der Südtiroler Krebshilfe, legt ihr Amt nieder - Engagement und Empathie


Vier plus vier plus zwei. Vor zehn Jahren hat die langjährige Vorsitzende des Bezirks Oberpustertal Ida Schacher das Amt der Landesvorsitzenden der Südtiroler Krebshilfe übernommen. Zehn intensive Jahre, die ihr viel abverlangt haben und die ihr, wie sie sagt, ein Vielfaches zurückgegeben haben. Eine große Herausforderung, nicht zuletzt auch wegen der großen Distanz von Toblach nach Bozen. Zehn Jahre, die Ida Schacher mit ihrem Engagement, ihrer Empathie und ihrer Präsenz geprägt hat.
Hätten sie je damit gerechnet, eines Tages Landesvorsitzende der Krebshilfe zu sein?
Ida Schacher: Nein, nie. Ich bin eine einfache Frau und musste mich in den ersten Jahren mit viel Zeitaufwand einarbeiten. Vor allem die ersten beiden Jahre waren eine große Herausforderung für mich. Mein eigener Bezirk hat sehr viele Mitglieder und ich wollte dort genauso präsent sein wie zuvor. In den ersten Jahren unterstützten mich meine KollegInnen der anderen Bezirke tatkräftig. Auf Landesebene stand mir Dr. Markus Unterkircher als Koordinator jederzeit mit Rat und Tat zur Seite. Einen großen Rückhalt gab mir aber all die Jahre vor allem meine Familie.
Eine sehr intensive Zeit?
Ida Schacher: Das kann man wohl sagen! Ich durfte viel lernen, Neues erfahren und sehr viele nette Menschen kennenlernen: PatientInnen, Politiker, Ärzte, KrankenpflegerInnen und Verwalter. Menschen, die die Ziele der Krebshilfe unterstützen und natürlich auch Betroffene. Dafür bin ich sehr dankbar. Wir konnten gemeinsam ein großes Netzwerk von Menschen aufbauen, die die Arbeit der Krebshilfe über all die Jahre großzügig unterstützten.
In zehn Jahren hat sich sehr viel geändert im Bereich der Sanität.
Ida Schacher: Ja und ich habe das alles sehr nahe mitbekommen. Die Zertifizierungen, der Aufbau der Brustgesundheitszentren, die Einrichtung der onkologischen Tageskliniken. Ich bin davon überzeugt, dass unsere PatientInnen heute eine viel bessere Situation vorfinden, als noch vor zehn Jahren. Und nicht nur die Betreuung ist besser geworden – wozu wir als Krebshilfe ja auch unseren Beitrag leisten konnten – auch die Therapien, die heute viel gezielter und individualisiert angewandt werden, greifen besser.
Wenn sie zurückblicken, was war ihnen das Wichtigste?
Ida Schacher: Das Wichtigste war und ist mir ohne Zweifel der Kontakt zu den Menschen. Damals wie heute stehen die PatientInnen für mich im Vordergrund. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Oft kann man nur wenig helfen, aber dieses Wenige ist so wichtig: ein Anruf, ein gutes Wort, eine Aufmunterung, das Gefühl zu vermitteln, nicht alleine zu sein. Ich glaube, das ist die wahre Stärke unseres Vereins: in der Krankheit Nähe und Gemeinschaft zu vermitteln und dadurch Hoffnung zu schenken. Wie oft höre ich den Satz von Betroffenen: „Jetzt habe ich dich gehört, jetzt geht es mir besser.“ Das Zuhören und Aufmuntern standen und stehen für mich immer im Vordergrund.
Die letzten vier Jahre war all das für sie auch nicht gerade einfach …
Ida Schacher: Das stimmt und ich muss zugeben, dass ich ohne die Hilfe meiner Familie, von Freunden und Bekannten, nach und während meiner Erkrankung vieles nicht geschafft hätte. Gerade in dieser schwierigen Zeit habe ich bemerkt, wie wichtig es ist, gute Menschen an seiner Seite zu haben.
Ihre Erkrankung vor vier Jahren ist wohl auch der Grund, warum sie jetzt vorzeitig und wie vor zwei Jahren ja angekündigt, ihr Amt niederlegen?
Ida Schacher: So ist es. Es geht mir jetzt zwar gut, aber die Krankheit hat Spuren hinterlassen. Ich muss mit meinen Kräften haushalten und mir ist einfach nicht mehr alles möglich. Ich bin dankbar für diese schöne und intensive Zeit. Es war mir eine Ehre, die Südtiroler Krebshilfe in der Öffentlichkeit vertreten zu dürfen. Mehr noch freut mich aber, dass wir gemeinsam die Situation für Betroffene verbessern und dazu beitragen konnten, das Tabuthema „Krebs“ in die Öffentlichkeit zu tragen. Ich kann es nicht oft genug betonen, dass die Erkrankung auch positive Aspekte haben kann: niemand trägt Schuld und niemand muss sich dafür schämen. Im Gegenteil, oft ist die Erkrankung der Beginn eines Neuanfangs in vielen Bereichen: ein neuer Zugang zu sich selbst, neue Begegnungen und Freunde, neue Ziele. Es ist die Aufgabe der Krebshilfe, Mut dafür zu machen, bei der Bewältigung der schwierigen Themen zu helfen und großes Augenmerk auf die Prävention und die Aufklärung zu legen, damit die Menschen gesund bleiben. Dass ich daran mitwirken durfte, erfüllt mich mit Freude und ich lege mein Amt nun in die Hände meiner Nachfolgerin, Maria Claudia Bertagnolli. Liebe Maria Claudia, ich wünsche dir viel Kraft und Freude für diese neue Erfahrung.

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Die Betroffenen stehen im Mittelpunkt

Interview: Die neue Landespräsidentin der SKH, Maria Claudia Bertagnolli


Ein Arbeitsleben im Landesdienst: zuerst in der Kulturabteilung für die italienische Sprache und die letzten Jahre im italienischen Schulamt. Die Erfahrung der Krankheit: ein steiler und steiniger Weg, überwunden Dank Chirurgie und medizinischer Therapien, vor allem aber auch Dank menschlicher Unterstützung, von Seiten von Ärzten, Pflegepersonal, TherapeutInnen, Psycho-Onkologen, Mitbetroffenen, Freunden. Und nach der Pensionierung der Entschluss, sich selbst zu engagieren, um das, was sie an Positivem erfahren konnte, zumindest teilweise zurückzugeben. Seit sechs Jahren ist Maria Claudia Bertagnolli Vorsitzende des Bezirks Bozen Salten Schlern. Nun tritt sie die Nachfolge von Ida Schacher als Landesvorsitzende der Südtiroler Krebshilfe an.
Sie haben sich für das Ehrenamt gemeldet und wurden sofort mit dem Amt der Bezirksvorsitzenden betraut… Ein etwas abrupter Einstieg?
Maria Claudia Bertagnolli: Meine Vorgängerin Monika Gurschler hat mich darum gebeten hat, und ich muss sagen, dass diese sechs Jahre der engen Zusammenarbeit mit meinem Vorstand, innerhalb unseres Teams, eine gute Schule für das Amt waren, das ich jetzt übernehmen werde. Ich muss zugeben, es war nicht leicht, mich in die Arbeit mit kranken Menschen einzufinden. Es galt Befangenheit abzulegen, den richtigen Abstand zu finden, zu lernen, wann Schweigen angesagt ist und wie das richtige Wort finden. Lernen gut zuzuhören und zu verstehen, wann es einen Händedruck oder eine Umarmung braucht. Ich bin dankbar für das Vertrauen, das mir bereits vor zwei Jahren entgegengebracht worden ist, als Ida Schacher beschloss, nach der Halbzeit das Amt niederzulegen. Ich werde mich verpflichten, ihre wertvolle Arbeit nach besten Kräften fortzusetzen.
Worin sehen Sie die Prioritäten in Ihrer neuen Rolle als Landesvorsitzende?
Maria Claudia Bertagnolli: Die SKH ist eine Vereinigung, die sich um die Interessen von Tausenden von Menschen kümmert, Menschen, die sich in einer ganz besonderen Lebenssituation befinden, geprägt von Leid, Unsicherheiten und Ängsten, spezifischen Bedürfnissen, aber auch von Hoffnung und Vertrauen. Diese Menschen zu begleiten, ihre Interessen auf allen Ebenen zu vertreten, ihre Fragen zu beantworten und vor allem tiefe und dauerhafte menschliche Beziehungen zu schaffen, wird im Mittelpunkt meiner Arbeit stehen.
Kurz nachdem sie Bezirksvorsitzende wurden, brach die Covidepidemie aus...
Maria Claudia Bertagnolli: ...eine sehr schwierige Situation, in der es noch wichtiger wurde, mit den Menschen in Kontakt zu bleiben, ihnen zu vermitteln: "Du bist nicht allein". Wir haben ein dichtes Whatsapp-Netzwerk aufgebaut, um trotz der räumlichen Trennung sofort und direkt kommunizieren zu können. Und ich muss sagen, dass diese Kontakte, diese Art der Kommunikation auch heute noch bestehen, vor allem mit jüngeren Menschen. Es ist für mich immer wieder eine Freude, wenn sich Mitglieder bei den Kontrolluntersuchungen an mich erinnern und mir Feedback geben.
Whatsapp ist nur eines von vielen modernen Kommunikationsmitteln.
Maria Claudia Bertagnolli: Die Kommunikation wird immer wichtiger. Ich möchte den von meiner Vorgängerin eingeschlagenen Weg fortsetzen, indem ich die Kontakte innerhalb des Vereins, mit anderen Bezirken weiter ausbaue, aber auch mit anderen Vereinigungen, die ähnliche Ziele wie wir verfolgen. Je mehr wir uns zusammenschließen, desto besser können wir zum Wohle derer arbeiten, die mit der Krankheit kämpfen oder leben müssen. Aber auch auf Landesebene, mit den Politikern, mit Vertretern des Sanitätsbetriebes, mit dem medizinischen Personal, mit dem pflegerisch-therapeutischen Personal, mit all den Menschen, die tagtäglich für und mit unseren Patienten arbeiten. Wir brauchen den direkten Kontakt, Whatsapp, aber auch andere, neue Kommunikationsmittel. Kurzum, wir sind offen für Veränderungen. Ich möchte das Netz der Kontakte ausbauen, damit wir weiter wachsen und uns verbessern können, unsere Dienstleistungen an die Menschen anpassen, die uns ihr Vertrauen geschenkt haben. Das ist ein kontinuierlicher Prozess.
Wir leben in schwierigen Zeiten: Kriege, Klimawandel, Inflation, die Kosten für neue Therapien...
Maria Claudia Bertagnolli: Natürlich sind dies keine einfachen Zeiten, aber das ist kein Alibi! Wir dürfen uns nicht hinter der regionalen, nationalen oder weltpolitischen Situation, den Kriegen, dem ausufernden, zügellosen Individualismus verschanzen, alles Dinge, die in jedem Fall schwere Auswirkungen auf die Einzelnen, auf die Schwachen, auch auf die öffentliche Gesundheit haben. Die Betroffenen haben ein Recht darauf, in der besonderen Lebensphase ihrer Krankheit im Mittelpunkt zu stehen und von öffentlicher Seite alle nur erdenkliche Unterstützung zu erfahren. Aber das reicht nicht aus, es braucht mehr als das und für dieses Mehr braucht es Vereine wie die Krebshilfe, braucht es Ehrenamtliche.
v.l.n.r.: Paul Oberarzbacher, Ida Schacher, Maria Claudia Bertagnolli, Margereth Aberham, Roberta Melosi für Oskar Asam, Nives Fabbian, Helga Schönthaler