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Ein Gesetz das (zu lange) auf sich warten ließ

Seit 31. Januar 2018 sind Patientenverfügungen rechtlich bindend
Jahre hat es gebraucht. Es war heiß diskutiert und sehr umstritten. Oft scheiterte es auch am Desinteresse der Parlamentarier. Vielen Menschen ist es ein großes Anliegen über die Modalitäten ihres Lebensendes frei zu entscheiden. Am 31. Januar 2018 ist das Gesetz Nr. 219 über die Patientenverfügung in Kraft getreten.
Eine Patientenverfügung konnte jeder Bürger zwar auch vorher schon verfassen, aber sie war nicht bindend. Seit 31. Januar sind die Ärzte verpflichtet, diese Dispositionen zu respektieren. Mit Sterbehilfe, wie viele Kritiker vor allem von katholischer Seite immer wieder behauptet haben, hat das nichts zu tun. Es geht vielmehr um ein würdevolles Sterben, die Ablehnung lebenserhaltender Maßnahmen, die die Betroffenen in eine für sie unakzeptable und nicht mit ihrer Menschenwürde zu vereinbarenden Lage bringe würde.
Immer wieder berichten die Medien über Fälle, wo Angehörige darum kämpfen, Patienten, die seit Jahren in einem irreversiblen Wach-Koma dahinvegetieren, endlich gehen lassen zu können. Mit dem Gesetz Nr. 219 müssen solche Situationen gar nicht erst entstehen. Vorausgesetzt, wir sind bereit, uns beizeiten, wenn wir noch nicht krank und wenn wir im Vollbesitz unserer (Entscheidungs)Kräfte sind, mit dem Thema Sterben auseinanderzusetzen. Kein leichtes Unterfangen, da der Tod und alles was damit zusammenhängt in unserer Gesellschaft immer noch mit einem Tabu behaftet ist. Niemand will sterben und niemand will darüber reden. Aber sterben müssen wir alle. Das ist sicher. Und es ist nur richtig, dass jeder selbst darüber bestimmt, solange er noch dazu in der Lage ist.
Damit eine Patientenverfügung greift, bedarf es verschiedener Voraussetzungen. Gerade weil diese Verfügung so delikat ist und gerade, weil sie eben nichts mit Sterbehilfe zu tun hat, muss sie im Detail ausgefüllt sein. Am besten mit Hilfe des Hausarztes oder des behandelnden Fach-Arztes der dem Nicht-Mediziner genau erklären kann, was es mit künstlicher Ernährung und Flüssigkeitszufuhr, mit Antibiotika-Verabreichung, mit intensivmedizinischen Maßnahmen u. ä. m. auf sich hat.
Um sicher zu gehen, dass die getroffenen Bestimmungen eingehalten werden, empfiehlt es sich, eine Vertrauensperson zu benennen, die darüber wacht, dass der Wille des Patienten respektiert wird und dafür garantiert, dass es sich tatsächlich um den Willen der betreffenden Person handelt. Wer seine Patientenverfügung beim Hausarzt ausfüllt, kann sich dort seine Zurechnungsfähigkeit bestätigen lassen.
Es gibt aber noch andere Möglichkeiten. Die Patientenverfügung kann beim Standesamt der Wohngemeinde deponiert werden. Die Patientenverfügung kann außerdem bei einem Anwalt des Vertrauens oder bei einem Notar hinterlegt werden. Auch Vereinigungen wie z. B. Socrem (Verein für Feuerbestattung) bieten Hilfe bei der Erstellung der Verfügung an und können diese aufbewahren. Wichtig ist in der Tat, dass die Verfügung, die über einen Vordruck (beim Hausarzt, über das Ethikkomitee, bei Socrem…) oder auch händisch niedergelegt werden kann, im Fall eines Unfalles oder des plötzlichen Verlustes der Zurechnungsfähigkeit unmittelbar zur Hand ist.
Neben dem Hausarzt ist bei chronisch Erkrankten auch der behandelnde Facharzt ein Gesprächspartner für die mit der Patientenverfügung verbundenen Entscheidungen. Eine solche Verfügung kann auch in den Abteilungen der Krankenhäuser hinterlegt werden. Die Chance hat in der Onkologie von Bozen nachgefragt. Dort war bis zum 19. März nichts Entsprechendes hinterlegt worden, auch hatte kein Patient sich mit dieser Fragestellung an einen der Ärzte gewandt.

Angelo Gennaccaro: Noch kein nationales Register
Er ist als Stadtrat unter anderem für das Standesamt zuständig. Die Chance hat Angelo Gennaccaro gefragt, ob sich seit Inkrafttreten des Gesetzes vermehrt Bürger wegen einer Patientenverfügung an das Standesamt der Stadt Bozen gewandt haben, bzw. wie und ob sich die Gemeinde auf dieses neue Gesetz vorbereitet hat.
„Bis heute (6. März, Anm. d. Red.) wurden acht Patientenverfügungen beim Standesamt abgegeben.“ Im Augenblick sind diese in einem provisorisch eingerichteten Register deponiert. „Wir warten auf die Durchführungsbestimmungen zum Gesetz“, erklärt der Stadtrat. Bis es kein nationales Register gebe, haben die Patientenverfügungen nur innerhalb der Provinz Gültigkeit. „Ich bin davon überzeugt, dass in Kürze entsprechende Regelungen getroffen werden, damit diese Bestimmungen wie bereits jetzt die Zustimmung zur Organspende in einem nationalen Register allgemein zugängig sind.“ Gennaccaro betont, dass die Standesbeamten keinerlei Hilfestellungen oder Informationen bei der Anfertigung einer Patientenverfügung geben können. „Sie stellen die Identität der betreffenden Person und ihren Wohnsitz fest und nehmen die Verfügung in einem Umschlag entgegen.“

Dr. Adolf Engl: Auch junge Menschen sensibilisieren
Den Hausärzten kommt im Zusammenhang mit der Patientenverfügung eine wichtige Rolle zu. Seit Inkrafttreten des Gesetzes am 31. Januar 2018 haben sie allerdings (noch) keine spezifischen Devisen erhalten, erklärt Dr. Adolf Engl, Präsident der Südtiroler Akademie für Allgemeinmedizin.
Seit Medien darüber berichtet haben, werden die Hausärzte vermehrt auf das Thema angesprochen. Aber, sagt Dr. Engl: „Die Entscheidung, was passiert mit mir am Lebensende, was passiert mit mir, wenn ich selbst nicht mehr in der Lage bin zu entscheiden, war auch vorher schon ein Thema für viele Patienten.“ Jetzt hat es momentan einen höheren Stellenwert, weil es aktuell und in den Medien präsent ist
Ab wann sollte man daran denken, eine Patientenverfügung aufzusetzen? Eigentlich ist es nie früh genug, meint Dr. Engl. „Auch junge Menschen sollten sich damit befassen, was mit ihnen passiert, wenn sie einen Unfall haben und nicht mehr aus einem Koma aufwachen.“ Aber junge Menschen sind noch weniger bereit, an das Sterben zu denken als andere. Es sei Aufgabe der Hausärzte ihre Patienten für dieses Thema zu sensibilisieren. Als Vertrauensperson, die den Patienten über lange Jahre hinweg kennt, seien Hausärzte prädestiniert für diese beratende Rolle. Dies gelte vor allem für Menschen mit chronischen Erkrankungen und für Insassen von Altersheimen. „Wir müssen eine entsprechende Kultur schaffen und wir müssen den Menschen auch Zeit lassen, sich Gedanken darüber zu machen, was sie wirklich wünschen. Als Arzt sind wir angehalten, sie ausführlich über alle Möglichkeiten eingehend zu informieren und in ihrer Entscheidung zu begleiten.“

Dr. Herbert Heidegger: Patientenverfügung bald Teil der Gesundheitsakte
Das Ethikkomitee des Landes Südtirol begrüßt die Verabschiedung des Gesetzes zur Patientenverfügung. Präsident Dr. Herbert Heidegger, Primar der Gynäkologie am Krankenhaus Meran, spricht von einem guten Gesetz, das längst überfällig war.
„Es gibt jetzt endlich Rechtssicherheit und das Gesetz spricht viele Bereiche an, die sehr wichtig sind.“ So stehe es jetzt schwarz auf weiß, dass jeder Patient das Recht hat, über seine Diagnose und Prognose sowie über die zu ergreifenden therapeutischen Maßnahmen informiert zu werden. Das bereits 2010 gesetzlich zugestandene Recht auf Palliativbehandlung wird in diesem Gesetz ebenfalls noch einmal festgeschrieben. Wichtig auch die Möglichkeit eine Vertrauensperson zu benennen und die Patientenverfügung in der ansässigen Gemeinde hinterlegen zu können. Der allerwichtigste Aspekt wird noch etwas auf sich warten lassen: „In Bälde wird die Patientenverfügung in die Gesundheitsakte eingefügt werden, so dass der behandelnde Arzt sie direkt einsehen kann.“
Die Patientenverfügung muss zur Selbstverständlichkeit werden und ist Teil der gesundheitlichen Vorausplanung, betont Heidegger. „Damit sie umsetzbar ist, muss sie allerdings gut gemacht sein und da sind vor allem unsere Hausärzte gefordert.“

Dr. Hartmann Aichner: In gesunden Tagen über Sterben entscheiden
Mittwoch, zehn Uhr in einem Saal der Gemeinde Bruneck. Neun Personen, die sich von einem Arzt zum Thema Patientenverfügung informieren lassen wollen. Seit zwei Jahren hält der ehemalige Primar der Gynäkologie am Krankenhaus Innichen, Dr. Hartmann Aichner, im Auftrag des Seniorengemeinderats diese Treffen ab.
Werden mir Organe entnommen, wenn ich noch nicht hirntod bin? Ist der Nierentod, wenn ich die Dialyse verweigere schmerzhaft? Wer zu diesen Info-Treffen in der Brunecker Gemeinde kommt, hat ganz konkrete Fragen. Wer nicht vom Fach ist, tut sich nicht leicht mit den Entscheidungen, die im Rahmen der Patientenverfügung zu treffen sind. Dr. Aichner geht die verschiedenen Themen Punkt für Punkt durch. Erklärt den Unterschied zwischen Wachkoma (wenn nur die Großhirnrinde verletzt ist und der Betroffene nicht mehr denken, nichts mehr wahrnehmen und nicht mehr kommunizieren kann, die vitalen Körperfunktionen, Atmung, Herzschlag usw. aber noch „funktionieren“) und Hirntod (wenn Großhirnrinde und Hirnstamm geschädigt sind und die Körperfunktionen nur mehr maschinell aufrechterhalten werden). Künstliche Beatmung, Flüssigkeitszufuhr, Dialyse, Bluttransfusionen, der Ort der Behandlung (zuhause sterben), soll ein geistlicher Beistand gerufen werden, stimme ich der Organspende zu, welche Art der Bestattung – all dies kann in einer Patientenverfügung bestimmt werden. Großen Wert legt er auf die Feststellung, dass die Patientenverfügung erst greift, wenn der Patient Urteils- und Entscheidungsunfähig ist. Im Endstadion einer unheilbaren Krankheit, bei fortgeschrittenem Hirnabbau, im Fall eines Wachkomas. „Deshalb ist es so wichtig, in gesunden Tagen über das eigene Sterben zu entscheiden.“ In einer Patientenverfügung kann jeder erklären, was er nicht möchte, aber auch das Gegenteil. „Ich kann auch erklären, dass ich unter allen Umständen so lang wie möglich am Leben erhalten werde.“ Eine Patientenverfügung, unterstreicht Aichner, bedeute nicht, dass der sterbende Patient sich selbst überlassen und nicht mit größter Sorgfalt gepflegt wird, dass er gelagert und gewaschen wird, dass ihm der Mund regelmäßig angefeuchtet wird…
Seit dem 31. Januar 2018 sind die Ärzte angehalten, den Willen der Patienten zu respektieren. „Aber nicht nur, das Gesetz 219 nimmt auch den Entscheidungsdruck von Angehörigen, von Ärzten und Pflegepersonal und beugt Konflikten vor“, unterstreicht Aichner.

Die Patientenverfügung beim Notar
Der Bozner Notariatskammer ist das Thema Patientenverfügung ein wichtiges Anliegen. Am 11. Mai organisiert die Kammer eine Tagung in der EURAC, bei der Experten über die unterschiedlichen rechtlichen und ethischen Aspekte der Patientenverfügung diskutieren werden. Notariate, so der Präsident Walter Crepaz, sind eine weitere Adresse, um Patientenverfügungen zu verfassen bzw. hinterlegen.
Wenn man an Notare denkt, so denkt man in erster Linie an den Abschluss von Verträgen aller Art (Kauf- und Verkauf von Immobilien, Schenkungen, Gründungen von Gesellschaften, Quotenabtretungen etc.) oder an die Regelung von Vermögensnachfolgen oder Firmenübernahmen… Der Notar ist jedoch auch bei der Verfassung und Hinterlegung eines Testaments, für die Ernennung eines Sachwalters und für die Aufstellung und Hinterlegung einer Patientenverfügung die richtige Adresse. Die Notare der Notariatskammer Bozen bieten Mitgliedern der Krebshilfe eine erste kostenlose Beratung an: eine gute Gelegenheit, um über die Patientenverfügung oder auch das Testament zu sprechen. Wichtige Schritte, um auch das Lebensende in die Lebensplanung mit einzubeziehen. Die Chance hat bei Notarin Elena Lanzi von der Kanzlei Crepaz & Lanzi nachgefragt, ob es seit Inkrafttreten des Gesetzes 219 bereits diesbezügliche Anfragen gegeben hat. Seit dem 31. Januar sind erst zwei Kunden mit der Bitte um Erstellung einer Patientenverfügung an Elena Lanzi herangetreten. Aktuell war das Thema aber auch schon vorher. Eine Patientenverfügung betrifft die innerste Privatsphäre eines Menschen; über die Modalitäten seines eigenen Sterbens rational nachzudenken ist nicht jedermanns Sache. „Für ein solches Gespräch braucht es Zeit und natürlich die angemessene Sensibilität“, betont Elena Lanzi. Sie ist in Mailand aufgewachsen, aber ihr Deutsch ist einwandfrei. „Für mich persönlich sind diese Gespräche wertvolle Lehrstunden. Während der Ausbildung zum Notar wird man darauf nicht vorbereitet." Auch das Verfassen eines Testaments ist mehr als nur eine Zuweisung von Besitztümern, es geht um Gefühle, es gilt, mit Einfühlungsvermögen den Menschen zu helfen, ihren letzten Willen fachgerecht zu bekunden. "Das ist für mich eine der schönsten Seiten der Tätigkeit des Notars“, unterstreicht Elena Lanzi. „Ich mag den Kontakt zu den Menschen, die Geschichten, die hinter jedem Akt stehen.“ Viele Menschen seien sich nicht im Klaren darüber, dass ein Testament, bzw. eine Patientenverfügung auch ein Akt der Zuneigung, der Verantwortung gegenüber jenen sei, die bleiben, bzw. die im Notfall für uns entscheiden müssen. Für das Gesetz sind noch Durchführungsbestimmungen zu erwarten und Privacy-Bestimmungen abzuklären; die gesamtstaatliche Notariatskammer ist dabei, auf eigene Kosten ein nationales Register zu erstellen, auf das Ärzte aus dem ganzen Staatsgebiet bei Bedarf zugreifen können.
Diese Broschüre für die Patientenverfügung kann man sich auch im Internet herunterladen: www.provinz.bz.it/gesundheit-leben/gesundheit/downloads/Patienteverfuegung.pdf
Angelo Gennaccaro, Dr. Adolf Engl, Dr. Herbert Heidegger, Dr. Hartmann Aichner, Notarin Elena Lanzi
Patientenverfügung wie und wo
Die Patientenverfügung muss nicht handgeschrieben sein, aber händisch unterschrieben sein
Wer gelähmt ist, kann die Patientenverfügung per Video- oder Tonaufnahme im Beisein von Zeugen abgeben
Der Erklärende muss klar identifiziert sein mit vollem Namen, Unterschrift und Adresse
Hinterlegen beim Notar, beim Anwalt, im Standesamt der Wohngemeinde, als beglaubigte Privaturkunde zuhause, beim Hausarzt, im Krankenhaus (Onkologie, Palliativstation) bzw. im Pflege- oder Altersheim, bei Socrem (Vereinigung für Feuerbestattung)
Der Hausarzt oder der Notar bestätigen die Zurechnungsfähigkeit.

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Intensivierte Vorsorge kostet

Träger von BRCA1 Und BRCA2-Mutationen zahlen Ticket für zusätzliche Untersuchungen
Lucia ist 46 Jahre alt. Seit drei Jahren weiß die alleinerziehende Mutter, dass sie genetisch vorbelastet ist: eine Mutation der Gene BRCA1 und BRCA2. Im Klartext heißt das, dass sie ein stark erhöhtes Risiko hat, im Laufe des Lebens an Brust- und Eierstockkrebs zu erkranken. Seither verfolgt sie ein intensives Früherkennungsprogramm. Eine Ticketbefreiung dafür gibt es nicht. Noch nicht.
Fünf bis zehn Prozent aller Brustkrebserkrankungen sind genetischer Natur und damit auch vererbbar. Laut jüngsten Erkenntnissen ist etwa eine von 500 Personen von einer Mutation des BRCA1-Gens und eine von 700 Personen von einer Mutation des BRCA2-Gens betroffen. Bei diesen Personen ist die Wahrscheinlichkeit im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs zu erkranken bis zu 85% und die Wahrscheinlichkeit an Eierstockkrebs zu erkranken bis zu 53% höher. BRCA1 und BRCA2 Mutationen sind auch beim Mann für Brustkrebs bzw. für Prostatakrebs verantwortlich. Außerdem besteht eine Beziehung zu Dickdarmkrebserkrankungen. Treten in einer Familie wiederholt Krebsfälle, vor allem bei Personen unter 40 Jahren auf, ist ein Gen-Test für die direkten Verwandten angesagt.
Aber zurück zu Lucia. Ihre vier Jahre ältere Schwester erkrankte im Alter von 27 Jahren an Brustkrebs. Nach zwanzig Jahren traf es dann die andere Brust. Die Ärzte verordneten daraufhin einen Gentest. Positiv. Daraufhin unterzog sich auch Lucia dieser Blutuntersuchung. Und auch bei ihr wurde die Veränderung dieser beiden Gene festgestellt. BRCA steht übrigens für BReast-CAncer -Gene, Brustkrebs-Gen. In diesem Fall gibt es zwei Möglichkeiten, die nicht zuletzt auch von der psychologischen Verfassung der betroffenen Person abhängen. Entweder die präventive Entfernung beider Brüste und der Eierstöcke oder ein intensiviertes Vorsorgeprogramm mit verkürzten Abständen zwischen den Vorsorgeuntersuchungen. Lucia entschied sich für den zweiten Weg. Sie unterzieht sich routinemäßig zweimal im Jahr einer Mammographie, einer Ultraschalluntersuchung und einer Magnetresonanz. Je nach Ergebnis folgen weitere Kontrolluntersuchungen. Im Schnitt muss Lucia pro Jahr um die 300 Euro, oft auch mehr, aus eigener Tasche bezahlen. Für die alleinerziehende Mutter stellt diese Summe eine erhebliche Belastung ihres Jahresbudgets dar. An eine komplementärmedizinische Behandlung zur Stärkung des Immunsystems ist nicht zu denken, denn auch dafür müsste sie Ticket bezahlen.
In den meisten italienischen Regionen ist die Situation ähnlich. Eine Selbstkostenbefreiung ist für Personen mit Gen-Mutationen nicht vorgesehen, mit Ausnahme der Lombardei und des Piemont, wo diese Personen seit 2015 bzw. seit 2011 ticketbefreit sind. Im Senat in Rom liegt seit Januar 2017 ein entsprechender Gesetzesantrag vor, der eine italienweite Ticketbefreiung bei einem medizinisch begründeten intensivierten Vorsorgeprogramm vorsieht. Bisher ist dieser Antrag noch nicht zur Abstimmung gelangt.
Die Chance hat die Landesrätin für das Gesundheitswesen, Martha Stocker gefragt, wie die Situation in Südtirol aussieht und ob es Bemühungen gibt eine Ticketbefreiung für Personen mit BRCA1 und BRCA2 Mutationen einzuführen. Nachstehend ihre Antwort:
„Das Land Südtirol setzt seit vielen Jahren auf die Krebsvorsorge und hat den Südtiroler Sanitätsbetrieb beauftragt, mit Screening-Programmen landesweit breit angelegte Vorsorgeuntersuchungen anzubieten. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Menschen dieses Angebot nur zum Teil wahrnehmen, weshalb wir nun gemeinsam eine neue Form der Vorsorge-Einladung erproben, die bereits eine Terminvormerkung für die jeweilige Untersuchung z.B. für die Frauen zum PAP-Test, Brustuntersuchungen und Mammographie vorsieht. Diese neue Form der Einladung wird derzeit im Gesundheitsbezirk Bruneck/Innichen angeboten und zeigt bisher gute Erfolge.
Im Rahmen dieser für die Bevölkerung kostenlosen Programme hoffen wir auch, Personen mit genetischen Vorbelastungen zu erfassen, denen wir besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen möchten. Die Erhebung der durch eine genetische Belastung für BRCA1 und/oder BRCA2 betroffenen Patientinnen erfordert eine sensible Vorgehensweise, für die wir aktuell noch keine epidemiologische Analyse vorliegen haben. Wir sind zu dieser Thematik in Kontakt mit der Region Lombardei, die ein spezifisches Programm dafür aufgelegt hat. Wir erhoffen uns aus den Ergebnissen des Programms in der Lombardei wertvolle Anregungen für die Programmierung der Früherkennung für Patientinnen, die eine pathogene Mutation der Gene BRCA1 und BRCA2 aufweisen. Aktuell sind sie noch nicht von der Kostenbeteiligung befreit. Die Landesabteilung Gesundheit ist gemeinsam mit dem Departement für Prävention des Südtiroler Sanitätsbetriebes für dieses Projekt beauftragt.“
Noch gibt es also keine Kostenbefreiung für Untersuchungen, die außerhalb des allgemeinen Screening-Programmes liegen. Politische Entscheidungsprozesse brauchen ihre Zeit, wie auch der Gesetzesentwurf im Senat zeigt. Eines steht fest: Die Behandlung einer Krebserkrankung mit Operation, Krankenhausaufenthalt, Chemotherapie und Strahlentherapie ist um vieles kostspieliger als die intensivierten Vorsorgeuntersuchungen. Die Kosten gehen in die zigtausende, 60.000 bis 160.000 Euro pro Jahr und Patient. Lucia wird aber auch in nächster Zukunft noch aus eigener Tasche für ihre Kontrollen aufkommen müssen!