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„Der Krebs führt nicht Regie“

Die Patientengespräche – Klaus Gasperi und Barbara Mair
Theatermacher Klaus Gasperi: "Den Kampf gegen den Krebs überlasse ich den Ärzten!"
Das Gespräch mit den Patienten ist vielleicht der eindringlichste Augenblick der Brunecker Krebsgespräche. Informationen aus erster Hand, Lebensberichte. Wie lebt man den akuten Krebs, wie überlebt man ihn und wie lebt man mit ihm. Verena Duregger spricht das alles mit ihren Interviewpartnern ganz offen an. Das berührt und macht Mut. Mut beweisen auch die Patienten, die auf der Bühne ihre Geschichte preisgeben: Der Brunecker Theatermacher Klaus Gasperi und die HNO-Ärztin und zweimal Betroffene Barbara Mair.
„Ich mache alles, verlasse mich auf die Ärzte und laufe sicher keinen falschen Propheten nach. Ich habe viel gekämpft in meinem Leben, den Kampf gegen den Krebs überlasse ich den Ärzten“, so brachte Klaus Gasperi seine Situation auf den Punkt. Er sei siebzig, meinte Gasperi, er habe gut gelebt und jammern helfe auch nichts. Eigentlich sei er vor seiner Erkrankung, ein Prostatakarzinom mit Knochenmetastasen, nie richtig mit dem Thema in Berührung gekommen. Die Prostatavorsorge habe er nie wahrgenommen. Der Krebs machte sich durch Knochenschmerzen bemerkbar. Gasperi geht mit seiner Krankheit offen um, auch wenn er merkt, wie sehr dieses Thema in unserer Leistungsgesellschaft noch tabu ist. Auch er habe erlebt, dass Leute die Straßenseite wechseln, wenn sie ihn sehen. „Ich versuche so zu leben wie immer, wenn auch ohne Bart und ohne Schamhaare“, scherzt er. Die Selbsthilfegruppe „Der Baum“ sei eine tolle Initiative und Stütze und die Behandlung erlebe er als ausgesprochen kompetent, sowohl in Bruneck als auch in der Strahlentherapie in Bozen. „Der Krebs führt nicht Regie. Er ist im Augenblick der Hauptdarsteller, aber der Intendant bin ich.“
Zweimal hat es sie getroffen, beim ersten Mal im Jahr 2000 war Barbara Mair 21 Jahre alt. Morbus Hodgkin. Nach der Behandlung wechselt sie Studiengang. Nicht mehr Kunstgeschichte und Geschichte, sondern Medizin. „Das hat mich alles ungemein fasziniert damals.“ 2018 ist die HNO Ärztin ein zweites Mal erkrankt, an Brustkrebs. Das soziale Netz der Freundinnen hat sie bei der ersten und zweiten Diagnose getragen. „Beide Erkrankungen habe ich nicht allein, sondern zusammen geschafft!“ Selbst bei der Strahlentherapie, damals noch in Trient, waren zwei Freundinnen dabei, Medizinstudentinnen im Praktikum. Die Strahlentherapie ist vermutlich für den Zweittumor verantwortlich, den sie selbst ertastet hat. Sie war noch in Mutterschutz, ihr Sohn gerade eineinhalb. „Ich habe meine Krankheit behandelt, wie wenn es sich um eine meiner Patientinnen handeln würde.“ Das Vom-Fach-Sein hat sie als Vorteil erlebt. „Ich hatte keine Metastasen und habe geschaut, dass ich so schnell wie möglich die Chemo-Therapie beginnen konnte.“ Ihr kleiner Sohn hat alles mit durchlebt. Zweifel und Ängste hat Barbara Mair in Bezug auf ihn. Das Warum war nie ein Thema für sie. „Ich stecke alle meine Energie in die Heilung, nicht in unnütze Fragen. Bin eine überzeugte Schulmedizinerin.“ Das hält sie allerdings nicht davon ab, komplementärmedizinische Behandlungen und die Onkopsychologie in Anspruch zu nehmen. „Ich mache auch Biomeditation, Atemübungen, gehe viele spazieren und umarme Bäume.“ Nie vergessen wird Barbara Mair als sie mit ihrem Tastergebnis zu ihrem Kollegen Dr. Leitner gegangen ist. „Christoph, habe ich gesagt, eine Katastrophe, ich habe ein Mammakarzinom. Und er hat geantwortet: Das ist keine Katastrophe, das behandeln wir!“
Dr. Barbara Mair, Patientin und selbst Ärztin interviewt von Verena Duregger
Walther Lücker, der erste Patient, der bei den 1. Krebsgesprächen auf die Bühne kam, hat dem Publikum kurz vom Vakuum berichtet, in das der Patient nach Ende der Behandlung fällt. „Das ist wie eine Abnabelung. In die Freiheit entlassen und im ersten Moment nicht recht wissen, was damit anfangen.“ Alleingelassen gefühlt habe er sich aber nie. In der Nachtherapiephase, so Lücker, heiße es lernen, mit Angst umzugehen. „Angst vor einem Rückschlag, das Gefühl der Hilflosigkeit nach den Kontrollen bis das befreiende Ergebnis kommt.“

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Es geht weiter

Die 2. Brunecker Krebsgespräche im Rückblick der Organisatoren
Krebs, das ist ein Thema, das mit Angst verbunden ist, mit Unsicherheit, mit Tabu. Auf der einen Seite die Wissenschaft, die Ärzte, auf der anderen Seite der Patient, der sich oft ausgeliefert fühlt. Und irgendwo dazwischen die Eigenverantwortung. Was kann ich tun, um vorzubeugen, was kann ich tun, wenn ich schon erkrankt bin. Die ersten Brunecker Krebsgespräche haben sich im Februar 2018 dieser Herausforderung gestellt. Eine Wiederauflage der Veranstaltung zum Weltkrebstag 2019 schien fast schon eine Verpflichtung. Jetzt ist es ein Must!
Sie sind ein Team, das sich aus Zufall zusammengefunden hat. Der Onkologe Dr. Christoph Leitner und sein Jugendfreund, der Brunecker Rechtsanwalt Andreas Leiter sowie dessen Frau, die Journalistin Verena Duregger. Im vergangenen Jahr hatten sie noch Zweifel, ob ihre Idee funktionieren könnte. Nach der zweiten Auflage besteht kein Zweifel, dass es weitergeht. Wie und wo, darüber darf noch nachgedacht werden. Auch wenn die Location UFO in Bruneck perfekt ist, nur ein bisschen zu klein.
Die Chance hat mit den drei Organisatoren gesprochen. Wie haben Sie die zweite Auflage der Krebsgespräche erlebt und wie geht es weiter bzw. geht es weiter?
Dr. Christof Leitner: Wir können absolut zufrieden sein. Das große Interesse an der zweiten Auflage der Krebsgespräche und die Tatsache, dass die Leute auch trotz des Schneefalls und blockierter Straßen versucht haben, zu kommen, hat uns bestätigt. Krebs ist ein Thema das brennt. Die Leute wollen wissen und zwar nicht nur die Patienten. Wir hatten mehr als 300 Anmeldungen und mussten hundert Personen absagen. Für uns Ärzte sind diese Gespräche eine Herausforderung, der wir gerne nachkommen, unsere Informationen so weiterzugeben, dass auch Außenstehende sie verstehen können. Ich glaube auch unser Mix an Experten und Betroffenen macht das Ganze so interessant. Die Patienten, die bei uns auf die Bühne kommen sind mutig so offen über ihre Geschichte zu sprechen und sie machen anderen Mut. Was mir dieses Jahr gefehlt hat, war die Diskussion auf der Bühne.
Es gab keine Möglichkeit, um politische Strategien zu diskutieren. Die einzelnen Beiträge waren für mich persönlich zu lang, da sind wir das nächste Mal gefordert, ein effizienteres Zeitmanagement zu führen. Man darf das Publikum auch nicht mit zuvielen und nicht unbedingt relevanten Informationen überlasten. Weniger ist hier wohl mehr!
Rechtsanwalt Andreas Leiter: Mein größtes Anliegen ist es, der Angst zu begegnen. Und das haben wir glaube ich geschafft. Im ersten Jahr wurde ich noch gefragt, warum nennt ihr die Veranstaltung Krebsgespräche? Zur zweiten Auflage bekam ich diese Frage nicht mehr gestellt. Welchen Namen sonst hätten wir wählen sollen? Es geht um Krebs. Und wir wollen über Krebs reden. Darüber reden, Informationen sammeln, Einblicke in Leben mit Krebs nehmen, das nimmt Angst. Ein aufgeklärter, mündiger Patient kann mit dem Arzt ein paritätisches Verhältnis aufbauen. Es stimmt, Informationen bekommen wir heute viele, Stichwort Dr. Google. Aber nicht immer ist diese Information kontrolliert, oft wird mit Emotionen gespielt, mit reißerischen Titeln, eben mit Angst. Das tun wir nicht. Unser Ziel geht über die Krebsgespräche hinaus. In diesem Jahr war die Veranstaltung über einen Monat in irgendeiner Weise in den Medien präsent. Das ist gut so. Das müssen wir langfristig verankern. Im UFO vermitteln wir ausgewogenes Wissen. Letztes Jahr wussten wir nicht, ob es ein zweites Mal geben wird. Jetzt müssen wirüberlegen, wie wir die dritte Auflage angehen wollen und wo. Im UFO haben wir ideale Bedingungen, aber wenig Platz. Bruneck als Austragungsort mag dezentriert sein, aber es ist mittlerweile ein Begriff…
Verena Duregger: Die 1. Krebsgespräche haben wir als Premiere erlebt, es ging uns darum, das Thema Krebs salonfähig zu machen. Für die 2. Auflage mussten wir uns nicht mehr rechtfertigen, unsere Forderung, „Reden wir darüber“ wird inzwischen angenommen. Ich bin stolz, dass wir im Februar das Who is Who der onkologischen Internistik Südtirols auf die Bühne des UFO geholt haben. Und nicht nur auf die Bühne. Ärzte zum Anfassen. Das hat sich auch in den Pausen gezeigt, in denen die Ärzte von vielen Seiten angesprochen wurden. Für mich persönlich ist der Kern der Brunecker Krebsgespräche das Gespräch mit den Patienten. Es braucht Mut dazu, nicht jeder könnte das. Aber die Geschichte aus erster Hand präsentiert zu bekommen, das betrifft, das macht verständlich, was in diesen Menschen vorgeht, das macht Mut. Krebs ist tragisch, auch wenn es gut ausgeht, hinterlässt er seine Spuren. Es ist kein Thema, das einfach abgehakt werden kann. Aber ich hatte den Eindruck, dass bei unserer Tagung doch auch eine gewisse Leichtigkeit mit ins Spiel kam, auch ein Lachen. Sehen, wie diese Menschen, Klaus Gasperi, unser Gast vom letzten Jahr, Walther Lücker oder die Ärztin Barbara Mair im Leben stehen, ihr Leben nach dem Krebs, mit dem Krebs meistern, das nimmt Ängste und zeigt gleichzeitig: Krebs geht uns alle an!