Thema

Der Motor der Abteilungen

Film über die Pflegekoordinatorinnen der Onkologie Bozen, Meran und Bruneck
Vor allem wenn es um Krebs geht ist immer die Rede von Patienten und Ärzten. Ein dritter Part hingegen bleibt meist im Hintergrund, obwohl dieser Gruppe ein ganz besonderer Stellenwert in der Krebstherapie zukommt: das Pflegepersonal. Bei den 2. Brunecker Krebsgesprächen war all jenen Frauen und Männern, die sich täglich um die Patienten kümmern und die der Motor der Abteilungen sind, ein Film gewidmet: ein Blick in den Alltag der Pflegekoordinatorinnen Margareth Reier (Bruneck) und Monika Alber (Meran) sowie der stellvertretenden Pflegekoordinatorin Silvia Libera (Bozen). Verena Duregger hat den Film zusammen mit Stefan Ghedina verwirklicht. Herausgekommen ist ein einfühlsames Portrait, ein Bericht über drei Frauen im Hintergrund, die kontrollieren, hinterfragen und organisieren. Eine Tätigkeit mit einer großen Verantwortung, die Professionalität, die Fähigkeit zur Empathie aber auch des Distanzhaltens voraussetzt. Keine der drei würde ihren Arbeitsplatz gegen eine andere Abteilung tauschen. „Wir müssen Nähe zulassen und gleichzeitig uns selbst schützen lernen, bereit sein zuzuhören, aber auch neutral bleiben können und sind in einen unaufhörlichen Lernprozess eingebunden, um mit den neuesten Entwicklungen Schritt zu halten.“ Im Foto v. li.n.re.: Silvia Libera, Margareth Reier und Monika Alber.

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Mein Leben leben

Isabel Pasetto, 18 Jahre und voll Optimismus nach vorne schauen
Die Gitarre war ihr ein wichtiger Begleiter. Nächtelang hat Isabel Pasetto durchgespielt, selbst im Krankenhaus. Das warme Holz, der vertraute Druck der Saiten, die Vibrationen und die Musik auch das hat ihr Kraft gegeben, nach vorne zu schauen. Immer. Mit vierzehn Jahren ist Isabel an Knochenkrebs erkrankt.
Die Diagnose wie bei so vielen ein Blitz aus heiterem Himmel. „Ein Riß“ sagt Isabel, wenn sie an diesen Moment zurück denkt. 2014, vor fast fünf Jahren. Ständige Schmerzen im Bein, der Verdacht auf Meniskus und schließlich eine Magnetresonanz mit Kontrastmittel: Die Diagnose war nicht der vermutete Meniskusriss, sondern Krebs. Ein Ewing Sarkom. Es folgte der Weg, den so viele Krebskranke gehen. Mit vierzehn ist das aber schon noch einmal anders. Chemotherapie, eine Operation, bei der ihr Oberschenkel mit einer biologischen Prothese aus dem Wadenbein ersetzt wurde, 30 Bestrahlungen und weitere acht Chemotherapien.
Von heute auf morgen musste sie alles lassen. Schule, Freunde, Sport, alles, was man als Teenager so macht. Getragen wurde sie von ihrer Familie, von der Gitarre, von ihrer Musik. Von ihrer positiven Einstellung. Von ihrer inneren Ruhe.
Ein Jahr nach Ende der Bestrahlungstherapie beginnt alles wieder von vorne. Die Strahlen haben die Knochensubstanz angegriffen. Isabel hat Osteoporose. Das Knie bricht. 2018 erhält sie in Innsbruck eine Knochentransplantation. Aber ihr Körper stößt das fremde Gewebe ab. Mitte März 2019 muss sie wieder unters Messer. Dieses Mal soll mit Knochensubstanz aus ihrem Becken der Knochen stabilisiert werden. Isabel hofft, es ist das letzte Mal. Hofft auf ein Leben ohne Stock. Danach.
Tabu kennt sie nicht. Isabel ist offen, spricht alles an, kennt keine falsche Scham und im Zusammenhang mit ihrer Erkrankung hat die Pustertalerin die Erfahrung gemacht, dass andere Leute das auch so sehen. „Ich bin sogar von Leuten angerufen und angesprochen worden, die ich gar nicht kenne.“ Ihr hat das Sprechen über die Krankheit, das Sprechen über die Angst geholfen. „Es ist wie die Musik ein Weg, um seine Gefühle herauszulassen, Ängste abzubauen, loszulassen.“ Gefühle. Ein ganz wichtiges Wort für sie. Gefühle und loslassen. Sich öffnen. Sie tut es in ihren Liedern. In Gesprächen. Mit ihren Freunden. Im Sommer 2017 hat sie eine Gruppe junger Menschen kennengelernt, die ihr seither fast zur (zweiten) Familie geworden sind. Durch dick und dünn gehen sie zusammen, Musik ist das Band, das sie zusammenhält. Auch ihr Freund Manfred gehört zu dieser Gruppe.
Wie empfindet sie ihre Krankheit? „Anstrengend“, sagt sie. Anstrengend ist ein Wort, in das Isabel vieles einpackt: Anstrengend, weil sie nicht leben kann, wie eine normale 18jährige. Weil sie nicht mehr Handball spielen oder tanzen gehen kann. Anstrengend, weil sie durch ihre Erkrankung gereift ist und viele Dinge anders wahrnimmt, als man das normalerweise mit 18 tut. Dinge wie Familie, wie Verantwortung, wie Zukunft. Anstrengend, weil sie jetzt die Schule abgebrochen hat und warten muss auf das nächste Schuljahr. Anstelle des Sprachengymnasiums wird sie im nächsten Jahr eine andere Schule besuchen. Noch ein Jahr fehlt ihr zur Matura.
Wenn sie nach vorne schaut, wovon träumt sie? „Ich möchte mein Leben leben. Reisen. Weiterkommen. Den Stock endlich an den Nagel hängen. Diese Geschichte endgültig abschließen.“
Aus ihrer Stimme spricht Lebensfreude. Isabel ist kein Kind von Traurigkeit. Sie beschreibt sich selbst als offen, sehr optimistisch, kontaktfreudig, spontan, neugierig auf neue Menschen und Begegnungen. Berührungsängste hat sie keine.
Bei den Brunecker Krebsgesprächen hat Isabel in den Pausen gespielt. Sie findet solche Veranstaltungen ungemein wichtig. „Man muss die Gesellschaft aufklären, reden, erklären, informieren. Damit es einem nicht so geht wie mir. Du weißt von nichts und stehst dann total unter Schock. Wenn ich weiß, habe ich weniger Angst!“ Heute weiß Isabel viel.