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In Bozen wie in Mailand oder Paris

Bozner Brust-Gesundheitszentrum feiert zehnjähriges Bestehen der EUSOMA-Zertifizierung
Dr. Frena, das EUSOMA-zertifizierte Brust-Gesundheitszentrum ist das Ergebnis einer hervorragenden Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen?
Dr. Antonio Frena: Das stimmt. Voraussetzung sind die Spezialisten der verschiedenen Abteilungen: Pathologische Anatomie, Allgemeine und Onkoplastische Chirurgie, Physiotherapie, Genetik, Geriatrie, Gynäkologie, Nuklearmedizin, Onkologie, Psychoonkologie, Radiologie, Strahlentherapie, die Breast-Care-Nurses, Datenerfassung und Sozialarbeiter; auf der anderen Seite die hochtechnologische Ausstattung mit Geräten wie Linearbeschleunigern in der Strahlentherapie oder molekularen und genetischen Tests... all dies zusammen garantiert den sehr hohen Standard von EUSOMA. In Bozen erhält eine Patientin die gleichen Therapien und folgt den gleichen Protokollen, die sie in einem EUSOMA-zertifizierten Brustzentrum in Mailand oder Paris vorfinden kann.
Zur Feier der zehnten Zertifizierung haben Sie beschlossen, eine Tagung zu organisieren...
Dr. Antonio Frena: Ja, am 10. Juli. Aber wir wollten keinen Mediziner-Kongress, sondern ein Treffen in Augenhöhe mit den Patienten. Wir wollten feiern und gleichzeitig auf die Tatsache aufmerksam machen, dass Bozen Teil dieses so wichtigen Netzwerks ist, das die höchsten europäischen Standards garantiert. Die wissenschaftlichen Vorträge beschränkten sich auf zwei Chirurgen, Dr. Giulia Armatura, Dr. Christoph Mayr und die Onkologin Dr. Elisabetta Cretella. Dann folgten Beiträge der beiden Breast-Care-Nures Martina Tretter und Ketty Tollardo, der Patientenverbände, die Südtiroler Krebshilfe, LILT und mamazone, und zum Abschluss ein Erfahrungsbericht einer Patientin.
Die Patienten-Verbände sind ein wichtiger Teil des Netzwerks, das die Patientinnen unterstützt...
Dr. Antonio Frena: Auf jeden Fall. Sie gelangen dorthin, wo wir nicht hinkommen können. Sie sind unverzichtbar für diejenigen, die sich nicht alleine in dieser komplexen Welt zurechtfinden, noch dazu mit einer Diagnose, die immer noch Angst macht. Sie sind es, die den Patientinnen zur Seite stehen, wenn sie das Krankenhaus verlassen. Sie sind es, die beruhigen, Hoffnung vermitteln, konkrete Hilfe im Alltag geben. Sie sind sehr wichtig!
Zurück zu den EUSOMA-Anforderungen...
Dr. Antonio Frena: Richtig. Wie bereits erwähnt, schreibt EUSOMA ein ganz bestimmtes Vorgehen vor. Angefangen von der Fallbesprechung im multidisziplinären Tumorboard, besprochen und folgt einem personalisierten Therapieverfahren. Wir als Chirurgie können mit drei zertifizierten Chirurgen, mehr als 400 Operationen pro Jahr gewährleisten. Anschließend werden die Patientinnen von den Fachärzten betreut, von denen jeder eine wichtige Rolle im Behandlungsprozess spielt und dafür sorgt, dass alle Vorgaben strikt eingehalten werden. Auch die korrekte Datenerfassung ist Teil der Zertifizierung. Unsere Datenmanagerin, Alessandra Rubbo, speist täglich alle Daten in eine europäische Datenbank ein, die einer regelmäßigen Kontrolle unterliegt. Nach der Einreichung aller für die Zertifizierung erforderlichen Daten kommen jedes Jahr zwei Senologen für zwei Tage nach Bozen, um die Richtigkeit unserer Standards zu überprüfen. Sie besuchen alle Abteilungen, prüfen stichprobenartig Krankenakten...Die Vorbereitung kostet das gesamte Brustteam sehr viel Zeit und Energie, aber der Erfolg, die Tatsache, zu den europäischen Spitzen-Einrichtungen zu gehören, die diese Zertifikation erhalten, ist eine große Befriedigung.
Der Erfolg eines zertifizierten Zentrums begründet sich vor allem auf Zahlen?
Dr. Antonio Frena: In einem gewissen Sinne ja. Der Erfolg liegt in der Zentralisierung, die zu hohen Fallzahlen führen. Viele Patientinnen behandeln, viele Mammographien auswerten (es müssen mehr als tausend pro Radiologe und Jahr sein). Erfahrung und täglicher Umgang sind sehr wichtig. Und natürlich zählen auch die Spezialisierung des Teams und der multidisziplinäre Ansatz, aber grundlegend sind vor allem die hohen Fallzahlen.
Was ist die größte Schwierigkeit bei der Zertifizierung?
Dr. Antonio Frena: Die Einhaltung der hohen Qualitätsmaßstäbe in allen Disziplinen und, aus administrativer Sicht, die Gewährleistung der erforderlichen Mindestanzahl an qualifiziertem Personal in einigen Spezialgebieten. Aber bisher ist uns das immer gelungen.
Die Corona-Pandemie hat zu sehr starken Einschränkungen in der Arbeit im Krankenhaus geführt. Konnten Sie trotzdem alle onkologischen Eingriffe gewährleisten?
Dr. Antonio Frena: Mit großer Mühe, aber ja! Wir sind stolz darauf, niemanden zurückgelassen zu haben. Einzig die vorgeschriebenen Diagnose-/Therapiezeiten haben sich leicht erhöht, aber EUSOMA hat dies vorgesehen. Denn, was vielleicht nicht jeder weiß, es gibt auch strikte Richtlinien hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs der verschiedenen Phasen zu beachten, angefangen von der Diagnose bis hin zur Therapiephase.
Die Zertifizierung ist eine Garantie für die Patientinnen?
Dr. Antonio Frena: Ja, das kann man so sagen. In einem EUSOMA-zertifizierten Brustzentrum hat die Patientin die absolute Gewissheit, dass sie einem kodifizierten und qualifizierten Protokoll unterzogen wird, wie in den besten italienischen und europäischen Zentren, der den neuesten Standards entspricht.
Wie würden Sie Brustkrebs heute definieren?
Dr. Antonio Frena: Zunächst einmal ist es keine Verurteilung mehr, weder zum Tod noch zur Verstümmelung. Die Patientinnen überleben und sie überleben gut. Wir beschränken uns nicht nur auf die Entfernung von Organen, wie manche vielleicht denken. Unser Ziel ist es, der Patientin ein vollständiges und zufriedenstellendes Leben zurückzugeben. Dafür brauchen wir den Onkologen, den Chirurgen, den plastischen Chirurgen, den Genetiker, den Gynäkologen (z. B. für Fragen der Fruchtbarkeit oder der therapiebedingten Menopause), den Geriater, den Psychoonkologen, den Physiotherapeuten und alle oben genannten Spezialisten. Unser Ziel ist es, zu heilen, aber auch, die Patienten in ein "normales" Leben zurückzuführen, in dem die Krankheit nur ein Stolperstein bleibt, der überwunden und im besten Fall auch vergessen wird.
Dr. Antonio Frena

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Die Europäischen Pezcoller Awards

Anerkennung für Spitzenforschung von Nachwuchswissenschaftlern und Frauen
Die Pezcoller Stiftung aus Trient setzt seit jeher auf Forschung und blickt in die Zukunft. Die Pandemie hat die grundlegende Bedeutung der Forschung zur Vorbeugung und Bekämpfung von Krankheiten noch deutlicher gemacht. Neben dem hoch angesehenen Internationalen Pezcoller Preis, der an die renommiertesten Wissenschaftler aus aller Welt im Bereich der Onkologie vergeben wird, weitet die Stiftung aus der Nachbarprovinz Trentino ihre Unterstützung für die Forschung in Europa aus: Erstmals wurden zwei Auszeichnungen vergeben für Nachwuchstalente, die sich bereits durch innovative Entdeckungen hervorgetan haben sowie für die Arbeit von Forscherinnen.
Die Auszeichnungen werden in Zusammenarbeit mit der European Association of Cancer Research (EACR) vergeben. Die drei Gewinner wurden auf dem europäischen Kongress der EACR im vergangenen Juni vorgestellt. Jeder Preisträger hielt einen Vortrag vor einem Publikum von Tausenden von europäischen Forschern, die online verbunden waren.
Preis für den europäischen Nachwuchs: Andrea Ablasser
Preisträger ist Prof. Andrea Ablasser aus Lausanne (Schweiz), Gewinnerin des "Translational Cancer Researcher Award", ausgewählt aus dreizehn Nominierungen aus ganz Europa. Sie ist Forscherin an der Eidgenössischen Polytechnischen Schule Lausanne, wo sie seit 2019 auch einen Lehrstuhl innehat. Die erst 38jährige ist Autorin von 45 wissenschaftlichen Publikationen von sehr hoher Relevanz mit über 6.400 Zitierungen. Sie hat bereits zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen und Preise erhalten. Sie wurde von der Pezcoller-Stiftung für ihre Forschung über einen komplexen Mechanismus der angeborenen Immunität ausgezeichnet: ein Abwehrsystem, das aktiviert wird, sobald der Organismus auf fremde oder abnorme DNA von Viren, Bakterien oder Gewebeschäden trifft. Wenn das System gut funktioniert, verteidigt es den Körper effektiv gegen die Träger oder Verursacher der fremden oder abnormalen DNA. Wenn das System jedoch nicht gut reguliert ist, ist es für viele Autoimmun-, Entzündungs- und degenerative Krankheiten und sogar Krebs verantwortlich.
Preis für Frauen in der Forschung: Karen Vousden
Der „Women in Cancer Research Award“ ist an Prof. Karen Vousden aus London verliehen worden. Die Genetikerin und Mikrobiologin ist seit 2016 Direktorin des Cancer Research Institute-UK Beatson und Laborleiterin am Francis Crick Institute in London. Sie ist Autorin von 260 wissenschaftlichen Publikationen mit über 49.000 Zitierungen. Sie hat bahnbrechende Studien über das Gebärmutterhalskrebsvirus (Papillomavirus) durchgeführt, die zur Entwicklung des Impfstoffs gegen das humane Papillomavirus führten, der heute weltweit eingesetzt wird. Ein weiteres Forschungsgebiet ist ein Protein, das als Tumorsuppressor fungiert.
Preis für junge Forscher: Sam Behjati
Gewinner des „Rising Star Award“ ist der aus Deutschland stammende Dr. Sam Behjati. Der promovierte Mediziner aus Oxford und PhD aus Cambridge, ist seit Oktober 2018 Laborleiter für Zellgenetik am Wellcome Sanger Institute, Cambridge tätig. Er ist Autor von 80 wissenschaftlichen Publikationen mit über 11.500 Zitierungen. Behjatis Arbeit hat einen großen Beitrag zur Erforschung von sehr häufigen pädiatrischen Krebsarten wie Wilms-Tumor und Neuroblastom geleistet.
Pezcoller Stiftung und Auszeichnungen
Der renommierte „Pezcoller International Award“ wurde 1980 von Prof. Alessio Pezcoller (1896–1993), ehemaliger Chefarzt der Chirurgie am Krankenhaus Santa Chiara in Trient, ins Leben gerufen und 1988 zum ersten Mal verliehen. Die Kandidaten werden von einem internationalen wissenschaftlichen Exzellenzkomitee ausgewählt. Viele von ihnen wurden nach Erhalten des Pezcoller-Preises auch mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Seit 1997 wird der PEZCOLLER FOUNDATION - AACR INTERNATIONAL AWARD FOR CANCER RESEARCH nicht mehr alle zwei Jahre, sondern jährlich verliehen. Im Jahr 2012 wurde eine zweite Auszeichnung für junge europäische Forscher eingeführt, 2020 (für die Vergabe in 2021) wurden zwei weitere Preise für Frauen in der Forschung und Nachwuchsforscher eingerichtet. Präsident der Pezcoller Stiftung ist seit 2016 Dr. Enzo Galligioni, bis 1998 Primar für Medizinische Onkologie am Krankenhaus Santa Chiara in Trient.