Aktuell
11 – 14 Uhr: Sonne Nein Danke
Hautkrebsdiagnosen Tendenz steigend Interview mit Primar Prof. DDr. Klaus Eisendle
Frische Luft ist gesund. Sonne auch, aber nur in Maßen. Weltweit steigt die Zahl der Hautkrebserkrankungen an, Südtirol ist ganz vorne mit dabei. Die Outdoor-Mentalität der Südtiroler verleitet zu leichtsinnigem Verhalten. Nur in Australien, wo schon seit den 80er Jahren Vorsorgemaßnahmen massiv propagiert werden, gehen die Zahlen langsam zurück. Zu langsam.
Eine tiefe Sonnenbräune ist jedenfalls auch in unseren Breitengraden längst out. Zwischen 11 und 14 Uhr gilt ein striktes No sun! Die Statistik nach Covid täuscht, auch was die Hautkrebszahlen anbelangt. Wir haben mit dem Primar der Abteilung für Dermatologie am Krankenhaus Bozen, Dr. Klaus Eisendle, über Hautkrebs und Vorsorge gesprochen.
Welches sind die häufigsten Hautkrebserkrankungen?
Dr. Klaus Eisendle: Das Basalzellkarzinom (weißer Hautkrebs) ist mit rund 80 % das häufigste, gefolgt vom Plattenepithelkarzinom, auch Spinozelluläres Karzinom mit ca. 16 % und dem Melanom (schwarzer Hautkrebs) mit 4 %.
In den letzten zwei Jahren scheinen die Zahlen rückläufig zu sein…
Dr. Klaus Eisendle: Ein absoluter Trugschluss! Pandemie bedingt ist das Screening ausgefallen, viele Visiten waren gesperrt, die Menschen hatten Angst ins Krankenhaus zu kommen… Wir haben es jetzt mit weitaus schlimmeren Fällen zu tun als noch vor zwei Jahren, aus dem einfachen Grund, dass die Patienten sich zu spät vorstellen. Manche mit bereits faustgroßen Tumoren im Gesicht.
Ein bösartiger Hauttumor kann verhindert werden?
Dr. Klaus Eisendle: Mit etwas Vernunft, ja. Die Regeln sind sehr einfach. Von 11 bis 14 Uhr direkte Sonne meiden. Nie ohne ausreichenden Sonnenschutz in die Sonnen gehen, das heißt mit mindestens Faktor 30, im Gesicht 50 und am besten mit einem dünnen, langärmligen Hemd oder T-Shirt. Was man gerne vergisst: den Sonnenschutz für die Lippen. Wir haben mittlerweile mehrere Patienten, denen die Unterlippe entfernt werden musste! In Australien baden Kinder mit einem Ganzkörperanzug im Meer. Immer und überall stößt man dort auf den sympathischen Slogan: Slip, slop und slap. Das heißt: „Slip“ – ein langärmeliges Hemd anziehen, „Slop“ – einen Hut oder eine Kappe aufsetzen und „Slap“ – genug Sonnencreme auftragen. In den Schulhöfen in Australien gibt es überall Sonnencremespender, wie bei uns jetzt Desinfektionsmittelspender und ohne Kopfbedeckung und ausreichende Bekleidung dürfen die Kinder nicht in die Pause zum Spielen.
Männer sind mehr betroffen von Hautkrebs als Frauen?
Dr. Klaus Eisendle: Das stimmt. Männer sind generell nachlässiger in der Vorsorge. Sie cremen sich nicht gerne ein, vergessen die Sonnenbrille und sie schützen ihren Kopf nicht ausreichend. Gerade wer weniger Haare auf dem Kopf hat, sollte zwischen 11 und 14 Uhr in der Sonne (und nicht nur, denn auch Wolken lassen die schädlichen UV-Strahlen durch) unbedingt immer eine Kopfbedeckung tragen.
Primar Dr. Klaus Eisendle: „Die Haut regelmäßig kontrollieren und bei kleinsten Unregelmäßigkeiten einen Hautarzt aufsuchen."
In den letzten zehn Jahren hat sich auch in der Hautkrebstherapie viel getan, oder?
Dr. Klaus Eisendle: Das stimmt. Heutzutage haben wir viel mehr verschiedene Möglichkeiten in der Behandlung des weißen und schwarzen Hauskrebses zur Verfügung, um die Therapie individuell anzupassen: Immuntherapie mit Ipilimumab, PD-1 und PD-1L Antikörpern, zielgerichtete Target-Therapien mit Inhibitoren von MEK, BRAF, Hedgehog oder auch die Elektro-Chemotherapie. Chemotherapien oder Interferon kommen kaum mehr zur Anwendung. Dank der Target Therapien können wir heute ganz gezielt Mutationen blockieren. Am schwarzen Hautkrebs, dem Melanom, sind vor noch vor zehn Jahren rund 90 % der Patienten innerhalb der ersten fünf Jahre nach Diagnosestellung gestorben, heute überleben 50 % diesen Zeitraum. Die Therapien sind sehr effizient, aber sie kosten auch sehr viel. Zwischen 30.000 und 40.000 Euro pro Jahr und Patient.
Das Basalzellkarzinom ist mit Abstand die häufigste Erkrankung. Auf ihrer Abteilung diagnostizieren sie wie viele Fälle im Jahr?
Dr. Klaus Eisendle: Zwischen vier- und fünftausend. Eine Zahl, die beeindruckt, wenn man bedenkt, dass es in Südtirol sieben dermatologische Abteilungen an den Krankenhäusern gibt. Die komplizierten Fälle werden bei uns in Bozen behandelt oder weiter verwiesen. Wir haben auch mehrere hundert Fälle an Melanomen pro Jahr.
Hautkrebs ist eine Erkrankung des älteren Menschen?
Dr. Klaus Eisendle: Im Prinzip ja. Nach 60 steigt die Zahl der Fälle. Die meisten Erkrankungen treten in einem Alter zwischen 70 und 90 auf. Aber wir haben mittlerweile auch 40jährige PatientInnen mit Basalzellkarzinom. Es hängt ab von der genetischen Disposition sowie Intensität und Menge der Sonnenbestrahlung, der wir uns während unseres Lebens aussetzen. Vorteilhaft ist, seine Haut selbst regelmäßig zu kontrollieren, um schon bei kleinsten Auffälligkeiten einen Dermatologen aufzusuchen. Wie bei allen Krebsarten gilt auch hier, je früher desto besser und desto weniger beeinträchtigend. Verdächtige Läsionen müssen in jedem Fall entfernt werden. Es ist in jedem Fall zu empfehlen, seine Haut regelmäßig von einem Dermatologen kontrollieren zu lassen. Wer viele Haut-Male hat jedes Jahr, ansonsten auch alle 2 Jahre.
Für Kinder ist Sonnenschutz fundamental!
Dr. Klaus Eisendle: Gewiss. Die Zeiten, wo Kleinkinder den ganzen Tag nackt in der Sonne spielten, und im Wasser plantschten, sind vorbei. Und wer das in seiner Kindheit erlebt hat, muss heute mit den Folgen rechnen!
Aber kein Anlass zur Panik?
Dr. Klaus Eisendle: Panik nicht, Vorsicht schon. Es sollte auch nicht in das Gegenteil verfallen werden. In Australien haben sie es heute mit relativ jungen Patienten zu tun, die an Osteoporose leiden, weil sie sich zu wenig im Freien aufhalten und zu wenig Sonne abbekommen. Eine halbe Stunde Sonne auf der Haut am Tag, fördert die Vitamin-D-Produktion. Am frühen Morgen oder am Nachmittag nach 17 Uhr kann man sich schon in der Sonne aufhalten. Mit einer Einschränkung, würde ich sagen: Organtransplantierte, also PatientInnen mit einer ständigen Immun-Suppression sollten die Sonne 100 % meiden und sich nur ausreichend bekleidet im Freien aufhalten.
In Italien sind Solarien immer noch erlaubt…
Dr. Klaus Eisendle: Aber nur ab 18 Jahren. Wer sich seinen Hautkrebs nicht selbst züchten möchte, sollte auf jeden Fall darauf verzichten. In Australien sind sie seit über zehn Jahren verboten.
Auf ihrer Abteilung arbeiten zwölf ÄrztInnen (auch Part-Time) und vier FachärztInnen in Ausbildung; das Pflegepersonal mit Teilzeitkräften und SekretariatsmitarbeiterInnen zählt insgesamt 60 Personen.
Dr. Klaus Eisendle: Das Tätigkeitsgebiet der Dermatologie ist in der Tat weitgefächert. Wir haben ein Day-Hospital mit vier Betten, eine Wundambulanz, eine Auto-Immun-Ambulanz, eine Allergie- und eine onkologische Ambulanz mit Tagesklinik für Immun- und Chemo-Therapien, komplexere chirurgische Eingriffe und allergologische Testungen sowie Rush Desensibilisierungen. Außerdem eine Fototherapie und Biologika-Ambulanz, eine Laser Ambulanz, zwei Eingriffsräume und eine Ambulanz für Geschlechtskrankheiten, die täglich geöffnet ist. Die Abteilung verfügt über 14 stationäre Betten sowie ein Verbrennungsbett. Sämtliche Therapiemöglichkeiten zur Behandlung von Hautkrebs kommen bei uns zur Anwendung: Chirurgie, Kryotherapie, lokale topische Chemo- und Immuntherapie, photodynamische Therapie, Lasertherapie, systemische Immuntherapie, Chemotherapie und zielgerichtete Therapie sowie topische Rheniumtherapie zusammen mit unseren Nuklearmedizinern und Elektrochemotherapie sowie mit unserer onkologischen Abteilung.Die Zeiten, wo Kinder den ganzen Tag ungeschützt in der Sonne spielen konnten, sind vorbei. - Foto: Daniela Dimitrova / Pixabay