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Alles unter Kontrolle
Primar Dr. Guido Mazzoleni geht in Pension / Pathologie und Tumorregister
In seinen Adern fließt Welschtiroler und Venezianisches Blut und er hat keine Angst vor Langeweile. In Zukunft wird er Weinbau betreiben - ein Dreirad „Ape“ hat er sich schon gekauft - zwischen Bozen und Trient leben, sein Klavierspiel verbessern. Er liebt das Meer, Skifahren und sein Rennrad, die Musik und sein Haus inmitten von Weinreben am Hang oberhalb von Trient. Dr. Guido Mazzoleni, Primar der Abteilung für Pathologische Anatomie und Histologie am Landes-Krankenhaus Bozen geht zum 1. Juli in Pension.
Sie sind seit 1992 am Bozner Krankenhaus, seit 2009 Primar ihrer Abteilung. Ein schwerer Abschied nach einer so langen Zeit?
Dr. Guido Mazzoleni: Das Wort Ende hat immer einen schlechten Beigeschmack. Als mir die Benachrichtigung vom INPS wegen der bevorstehenden Pensionierung ankam, hatte ich einige schlaflose Nächte. Dann habe ich angefangen, an all jene Dinge zu denken, die eigentlich lösbar wären, aber bis heute auf eine Lösung warten… Und damit ging es mir wieder gut.
Was sehen Sie im Rückblick?
Dr. Guido Mazzoleni: Eine Abteilung, die heute auf einem Top-Niveau arbeitet. Viele ausgezeichnete Mitarbeiter, die ich ausgesucht habe. Sie werden mich nach meiner Pensionierung, zumindest was die Arbeit anbelangt, nicht vermissen und darüber bin ich sehr froh. Ich bin nicht unersetzbar, wollte das auch nie sein.
Ein paar Highlights…
Dr. Guido Mazzoleni: Wir haben schon 2003 das erste Experiment einer Tele-Pathologie gestartet. Mit Erfolg. Auch periphere Krankenhäuser ohne eine pathologische Abteilung im Hause können damit wichtige, vorprogrammierte Eingriffe durchführen, die eine intraoperative Gewebsanalyse erfordern. Vorher musste der Pathologe anwesend sein. Und dann natürlich das Tumorregister, dessen Direktor ich bin. Wir arbeiten heute mit nur 2 – 3 Jahren Verspätung und sind damit auf dem gleichen Niveau wie große Exzellenz-Strukturen. Auch hier habe ich gute Leute ins Boot geholt. Allein kommt man nicht weit! Von größter Bedeutung war die Entscheidung, eine externe Firma mit der Statistik zu beauftragen. Das Tumorregister ist von größter Bedeutung nicht nur, um die aktuelle Entwicklung zu verfolgen und zu beurteilen, sondern vor allem auch für die Programmierung der zukünftigen Investitionen und Grundsatzentscheidungen im Gesundheitsbereich.
Etwas, was Sie bedauern?
Dr. Guido Mazzoleni: Dass das Screening in Südtirol immer noch nicht optimal ist. Die Zahlen haben sich verbessert. Die Aufklärungskampagnen beginnen zu greifen, aber noch zu langsam. Was den Pap-Test anbelangt, bin ich zufrieden. Offiziell haben wir 30 %. Das sind die Frauen, die den Pap-Test im öffentlichen Krankenhaus machen. Aber insgesamt sind wir hier bei 90 %. Das ist ausgezeichnet! Beim Brustkrebsscreening sind es nur 65 %, das muss besser werden. Was überhaupt nicht greift – und ich kann das absolut nicht nachvollziehen – ist das Darmkrebs-Screening. Der Test auf Blut im Stuhl ist so einfach und zuhause durchzuführen, er ist nicht invasiv und vor allem: Er rettet Leben. Aber es sind immer noch zu wenig Menschen in Südtirol, die sich an diesem Screening beteiligen. Wenn der Darmkrebs, der in einem Frühstadium heilbar ist, zu spät erkannt wird, haben wir eine Sterberate von 70 %!
Woran liegt das Ihrer Ansicht nach?
Dr. Guido Mazzoleni: An mangelnder Aufklärung sicher nicht. Irrationale Ängste vermutlich, wie bei den Impfgegnern.
Primar Dr. Guido Mazzoleni: Er hat den absoluten Überblick über die Gesundheits-Situation in Südtirol
Sie haben den absoluten Überblick über die Gesundheits-Situation in Südtirol. Alle Gewebs-Proben jeglicher Art gehen sozusagen über ihren Schreibtisch…
Dr. Guido Mazzoleni: Das kann man so sagen. Wir haben den Überblick. Wir interpretieren die Daten. Meine Abteilung hat 2021 als erste Pathologie in Italien eine Studie herausgegeben, in der die aktuellen Brustkrebs- und Darmkrebszahlen von Südtirol und Italien verglichen werden mit jenen von 2019, also vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Das Ergebnis ist sehr interessant: In Italien ist die Anzahl der durchgeführten Brustkrebs- und Darmkrebsoperationen zurückgegangen. In Südtirol hingegen waren es sogar mehr Operationen als vorher. Allerdings wurden auch bei uns weniger Früh-Diagnosen gestellt. Und das ist kein positives Signal. Die Krebserkrankungen sind nicht rückläufig, es wurden Corona bedingt weniger Diagnosen gestellt. Was die Pandemie in dieser Hinsicht tatsächlich bewirkt hat, werden wir allerdings erst in ein paar Jahren sehen.
Was hat sie dazu gebracht, die Pathologie als Fach zu wählen?
Dr. Guido Mazzoleni: Zufall, wie bei vielen anderen Fachärzten auch, glaube ich. Eigentlich hatte ich angefangen, Medizin zu studieren, um Hausarzt zu werden. Dann kommt man in Kontakt mit der Materie, man lernt Menschen und Kollegen kennen und schätzen. Ja und dann landet man irgendwo, trifft eine Wahl, die man eigentlich nie erwartet hätte.
Die Tätigkeit des Pathologen hat sich in den letzten dreißig Jahren von Grund auf geändert…
Dr. Guido Mazzoleni: Das kann man wohl sagen! Autopsien machen wir nur noch sehr wenig, dafür sitzen wir Stunden am Mikroskop… Jedenfalls, was mich betrifft: Ich habe meine Wahl nie bereut. Im Gegenteil. Es ist eine Arbeit, die einem ungemein viel bringt. Wir sind die tragende Säule der gesamten Tätigkeit des Krankenhauses. Alle histologischen Untersuchungen, die Daten für sämtliche Therapien… Das kommt alles von unserer Abteilung. Es ist eine große Verantwortung, eine Herausforderung, ein ständiges Training und Lernen, um immer auf dem neuesten Stand zu sein und es ist ungemein spannend!
All das wird in Kürze von einem zum anderen Tag aufhören... oder werden Sie nach dem Ausscheiden aus dem Dienst im Krankenhaus noch in der Forschung oder privat tätig sein?
Dr. Guido Mazzoleni: Nein. Alles zu seiner Zeit!