Aktuell

Wer sind die beiden Neuen?

Paul Oberarzbacher und Margareth Aberham | Vorsitzende der Bezirke Unterpustertal und Überetsch-Unterland


Von sieben Bezirken haben zwei eine/n neue/n Vorsitzende/n. Es handelt sich um die beiden größten Bezirke, was die Mitgliederanzahl betrifft: Im Überetsch – Unterland löst Margareth Aberham die langjährige Bezirksvorsitzende und Ehrenvorsitzende der Südtiroler Krebshilfe Mariangela Berlanda Poles ab, die mit 86 Jahren beschlossen hat, nicht mehr zu kandidieren. Im Unterpustertal folgt Paul Oberarzbacher auf die im vergangenen Jahr verstorbene langjährige Vorsitzende Martha Feichter.
Für Paul Oberarzbacher ist seine Wahl ein Sprung ins kalte Wasser. Bisher half er sporadisch beim Adventskranzbinden und anderen kleinen Aktivitäten mit. Er selbst ist kein ordentliches Mitglied der SKH, seine Frau ist Betroffene. Vereinsarbeit ist allerdings nichts Neues für ihn. Der Biologe und pensionierte Mittelschullehrer war zwanzig Jahre Vorsitzender des Pfarrgemeinderats und hat sich dort zurückgezogen, um Jüngeren Platz zu machen. Er ist ein sehr aktiver Mensch, wandert gerne im Hochgebirge, auch in der Freundesgruppe. Er hat zwei Enkel im Alter von 4 und 1,5 Jahren, die ihn auf Trab halten und geht gerne mit seinen Hunden spazieren.
Er bringt seine Erfahrung als Partner eines an Krebs erkrankten Menschen mit ein. Das Wissen um die Veränderungen, die eine Krankheitssituation auch in das Leben der Familie, des Partners bringen kann. Das Wissen um die Bedeutung von Zuhören und Verständnis aufbringen, das Wissen um die Notwendigkeit die eigenen Bedürfnisse zurückzusetzen, ebenso wie das Wissen um Angst und wie man damit umgehen lernen kann, um Hoffnung und Zuversicht. Das Wissen, wie belastend diese Situation für Angehörige sein kann und welche Hilfestellungen auch sie brauchen könnten. „Ich möchte das weiterführen, was Martha angefangen hat, ich möchte mich einsetzen für mehr Aufklärung, den Abbau von Hindernissen und Tabus“, sagt er. Allerdings, so betont er, sei er dabei auf Hilfe angewiesen. „Ich muss mich einarbeiten, muss alles kennenlernen und ich freue mich auf die Zusammenarbeit im Bezirk und darüber hinaus.“
Margareth Aberham ist seit zwanzig Jahren betroffenes Mitglied der Krebshilfe, seit zwölf Jahren im Vorstand und in den letzten vier Jahren war sie die Stellvertreterin von Mariangela Poles Berlanda. Sie weiß, was auf sie zukommt an der Spitze des Bezirks Überetsch-Unterland. „Es ist ein toller Ausschuss, wir arbeiten alle zusammen, Hand in Hand und das wird so bleiben!“ Als wichtigste Aufgabe sieht sie, die Menschen, die Betroffenen anzusprechen, ohne sie zu überrumpeln. „Viele Menschen wollen ihre Krankheit geheim halten, verheimlichen wie schlecht es ihnen geht und dann sind sie noch einsamer.“ Ein Target für sie sind auch die Männer. „Über achtzig Prozent unserer Mitglieder sind Frauen, auch an den verschiedenen Initiativen und Veranstaltungen beteiligen sich vornehmlich Frauen.“ Das würde sie gerne ändern.
Ihre Wahl ist für sie die Bestätigung, dass ihre bisherige Arbeit geschätzt wurde und das motiviert sie, noch mehr zu tun. „Die Leute sagen, ich habe ein Helfersyndrom. Wenn ich damit Dinge in Bewegung setzen kann für unsere Kranken, für unseren Bezirk, umso besser“, betont Margareth Aberham. „Ich möchte kein „Ich“ sondern ein „Wir“. Meine Vize ist Italienerin, wir ergänzen uns. Für mich zählen die Zusammenarbeit und das Miteinander!“

Aktuell

Trauer ist nicht nur schwarz

Gabriela Mair am Tinkhof hilft Kindern und Erwachsenen den Verlust eines geliebten Menschen zu bewältigen



„Trauer ist ein Flüstern in der Welt und ein Lärmen im Inneren.“ Dieser Satz der amerikanischen Autorin Anna Quindlen, beschreibt für Gabriela Mair am Tinkhof die oft so verzweifelte Situation von Betroffenen. Gabriela ist Trauer-, Sterbe- und Krisenbegleiterin. Vor allem für Kinder aber auch für Erwachsene. In unsrer Gesellschaft sind Sterben und Tod immer noch ein Tabu. Es wird nicht geredet darüber. Es wird keine Zeit dafür eingeräumt. Aber Sterben und damit auch Trauer sind Teil des Lebens wie Geburt und Freude.
Seit 2016 begleitet Gabriela Mair am Tinkhof Menschen auf dem Weg durch die Trauer und auch auf dem Weg zum Sterben. Die sich auf das Sterben vorbereitenden Menschen wie auch deren Angehörige. Im Rahmen des Hilfsfonds der Südtiroler Krebshilfe für Kinder krebskranker Eltern betreut sie ein Kind in Brixen und ein Geschwisterpaar in Bozen.
Kinder trauern anders als Erwachsene. Nach Außen merkt man ihnen ihre Trauer oft nicht an. In jedem Alter leben sie den Verlust eines nahen Menschen in einer anderen Form und oft sind die Erwachsenen um sie herum zu sehr mit der Bewältigung der Situation und ihrem eigenen Leid beschäftigt, um ihnen in dieser schwierigen Situation beistehen zu können oder um ihre Bedürfnisse zu erkennen und auf diese eingehen zu können.
Gabriela hat schon immer gern mit Menschen zu tun gehabt. Trauer hat in ihrem Leben schon sehr früh eine Rolle gespielt. Heute ist sie 43 Jahre alt, mit 13 hat sie ihren erst 8jährigen Bruder verloren. Der Tod ihrer kleinen Tochter Paula hat sie komplett aus der Bahn geworfen und sie letztlich einen neuen Lebensweg finden lassen. 2013 hat sie eine Ausbildung an der Akademie von Gudrun Gruber in Aidenried am Ammersee begonnen, seit 2016 arbeitet sie selbstständig in diesem Bereich unter dem Namen „Farfallina“. Der Schmetterling war in ihrem eigenen Trauerweg ein tröstliches und hoffnungsvolles Bild der Möglichkeit einer Verwandlung.
Wenn sie Menschen unterstützt, ihre Trauer zu bewältigen, kann sie nicht nur empathisch nachempfinden, was ihr Gegenüber erlebt. Sie kann auch konkrete, praktische Tipps und Empfehlungen geben. Neben Einzelbegleitung, arbeitet Gabriela Mair am Tinkhof auch mit Gruppen. Außerdem hält sie Kurse ab: die Teilnehmer sind Menschen, die ihr Kind besser verstehen möchten, Jugend- und Sozialarbeiter, Pädagogen, Krankenpfleger, Hebammen oder Menschen, die nach ihrer Pensionierung etwas für die Gesellschaft Nützliches tun möchten. Für all diese Menschen ist die Auseinandersetzung mit diesem Thema eine persönliche Bereicherung, ein Selbsterfahrungsprozess.
Das erste, was Gabriela Mair am Tinkhof den Trauernden vermittelt: Trauer ist keine Krankheit, Trauer kann man nicht behandeln und dann ist sie weg. Trauer muss man ausleben, aushalten. Trauer ist ein Gefühl. Gefühlen muss man Raum lassen, man muss sie zulassen, sie äußern, lernen mit ihnen umzugehen. Man kann sie nicht einfach wegschicken, wie einen ungebetenen Gast. „Wenn wir der Trauer einen Platz einräumen in unserem Leben“, sagt Gabriela, „dann enthüllt sie auch ihre schönen Seiten. Trauer ist nicht nur schwarz, sie füllt die ganze Farbpalette." Das gleiche gilt für den Schmerz. Im Schmerz lässt sich auch Schönes entdecken, z.B. Erinnerungen. "Und Erinnerungen können glücklich machen."
Ein wichtiger Aspekt der Trauerarbeit ist das Thema Schuld. Gerade Kinder leiden oft unter belastenden Schuldgefühlen. Im Nachhinein. „Warum bin ich am Nachmittag nicht öfter zuhause bei der Mama geblieben? Warum habe ich gestritten? Warum war ich frech? Oder auch: Wie kann ich in der Pause fröhlich sein und beim Spielen mit den anderen Kindern lachen?"
Trauer ist ein wellenförmiger Prozess, ein Fließen, durchläuft verschiedene Phasen. Die schmerzlichste ist dabei nicht unmittelbar nach dem Tod des lieben Menschen. "Der Schmerz prägt uns, er hilft uns, einen neuen Bezug zum Leben finden. Der Schmerz reißt uns das Herz auf“, sagt Gabriela Mair am Tinkhof, „aber er lehrt uns auch bedingungsloses Lieben. In einem aufgerissenen Herz ist viel Platz für Liebe. Liebe hat viele Formen. Auch jene der Verbundenheit.“
Jeder Trauerprozess ist individuell. Trauer braucht Zeit. Aber nicht immer die gleiche. Jeder trauert anders. Was dem einen gut tut, hilft dem anderen überhaupt nicht. Trauern darf nicht beurteilt werden: Jeder hat das Recht auf seine Art von Trauer. Auf seinen ganz persönlichen Trauer-Raum.
(Kleinere) Kinder, so Gabriela Mair am Tinkhof, haben einen ganz natürlichen Zugang zur Trauer. Sie sind unverblümt, haben noch nicht das Todeskonzept der Erwachsenen, müssen die Dimension des Verlusts, die Endgültigkeit erst begreifen. Aber die emotionale Seite der Trauer spüren Kinder jeglichen Alters. Kinder sind sprunghaft in ihrer Trauer. Von einem Moment auf den anderen zornig, betrübt und fünf Minuten später ins Spiel vertieft, dem Leben zugewandt. Sonne - Regen - Sonne. Erwachsene machen oft den Fehler, dass sie Kindern nicht die (ganze) Wahrheit zumuten. Aus Rücksicht. Aber dieser Schutztrieb, diese Schonhaltung, nimmt den Kindern die Möglichkeit, sich auf den Verlust, auf den Tod vorzubereiten. Abschied zu nehmen und die letzte verbleibende Zeit gemeinsam und intensiv zu leben.
Gabriela Mair am Tinkhof spielt mit den ihr anvertrauten Kindern. Sie malt mit ihnen, lacht mit ihnen, bastelt mit ihnen. Schaut sich Fotos mit ihnen an. Teilt ihre Erinnerungen. „Wichtig ist, sich auf die Kinder-Ebene zu begeben, offen sein, kein Mitleid, sondern Mit- Gefühl zeigen. Zeigen: ich bin JETZT für Dich da. Was brauchst DU jetzt?“, unterstreicht Gabriela Mair am Tinkhof. „Das Kind gibt den Rhythmus vor, ich begleite es. Ich bin eine Unterstützung im Realisieren, im Erkennen und Ausdrücken der Gefühle, im Erinnern.“
Die Trauerbegleitung bei Kindern ist keine Angelegenheit von drei oder vier Stunden. Im ersten Trauerjahr besucht Gabriela Mair am Tinkhof die Kinder im günstigsten Fall ein bis zweimal im Monat. Danach wird es zunehmend weniger, alle 2 Monate, dreimal im Jahr… „Manchmal ruft mich jemand nach langer Zeit wieder an, weil plötzlich eine intensive Trauerphase durchlebt wird.“
Für Kinder ist der Alltag sehr wichtig in der Trauer. Er gibt Halt, Struktur. Sicherheit. Schule, Sport, Verein, Freunde. Aber Trauer ist immer da, verlangt ihren Platz. Eltern tun gut daran, ihren Kindern ihre eigene Trauer zu erklären. Viele legen sich eine zu harte Disziplin auf, um das Kind nicht zu belasten. Aber Kinder haben ein Recht auf Aufrichtigkeit. Andererseits halten Kinder es nicht aus, jemanden nur weinen zu sehen und reagieren darauf mit Aggressivität. „Man muss ihnen nicht alles zumuten, aber verstecken darf man seine Gefühle nicht.“
Unbewältigte Trauer kann tiefgreifende und vielseitige Folgen haben, kann krank machen, betont Gabriela Mair am Tinkhof. Mangelndes Selbstwertgefühl, wenn die Trauer nicht beachtet wurde. Ein übermäßiges Pflichtbewusstsein, wenn man die Erwachsenen entlasten wollte. Kein Gespür für Grenzen, Panikattacken, Depression, aber auch Gewalttätigkeit können die Folgen eines nicht aufgearbeiteten Verlustes sein. Nur die bewusst erlebte Trauer ermöglicht uns, den geliebten Menschen frei zu geben und ihn gleichsam in unserem Herzen zu bewahren; ermöglicht uns, das fortzuführen, was ihm verwehrt war: Leben.
Kontakt: Gabriela Mair am Tinkhof
gabriela@farfallina.info
Tel. +39 329 264 0804
www.farfallina.info
Trauerarbeit mit Kindern läuft auf verschiedenen Ebenen ab, auch spielerisch.