Aktuell
Der lange Weg der Krebsforschung
Eurac Research eingebunden in europäisches Epigenetik-Projekt – Wirkstoff NKL54
Das Thema Epigenetik ist sehr komplex und für viele Nicht-Wissenschaftler nur schwer zugänglich. Das Interessante an einem Projekt unter der Leitung der Universität Udine, an dem das Team des Instituts für Biomedizin an der Eurac Research zusammen mit der Hochschule Darmstadt, den Universitäten La Sapienza in Rom, Padua und Venedig sowie dem European Centre for Living Technology in Venedig mitarbeiten, ist die Vorgangsweise. So funktioniert Forschung, Krebsforschung: Eine Summe vieler kleiner Schritte, die sich über Jahre hinweg zu einem vielversprechenden Ganzen zusammenfügen können. Oder auch nicht. Grundlagenforschung, die als Basis für Tests in höher entwickelten Modellorganismen und für klinische Versuche dient.
Im Frühjahr hat Eurac Research eine Pressemitteilung zur Studie über die „Umprogrammierung von Krebszellen durch neue Moleküle“ herausgegeben, die in einer international renommierten Fachzeitschrift erschienen ist. Interessant dabei ist neben den vielversprechenden Studienergebnissen die Tatsache, dass mit Eurac Research eine Südtiroler Institution auf höchstem Niveau mitarbeitet und mitforscht. Finanziert wird die Studie, die verschiedene Kompetenzen aus mehreren Standorten und Ländern zusammenbringt, durch das Projekt „EPIC“ des EU Interreg-Italien-Österreich-Förderprogramms sowie durch das italienische Forschungsprogramm PRIN.
Epigenetik klärt Wikipedia auf, „ist das Fachgebiet der Biologie, das sich mit der Frage befasst, welche Faktoren die Aktivität eines Gens und damit die Entwicklung der Zelle zeitweilig festlegen. Sie untersucht die Änderungen der Genfunktion, die nicht auf Veränderungen der Sequenz der Desoxyribonukleinsäure (DNA), etwa durch Mutation oder Rekombination, beruhen und dennoch an Tochterzellen weitergegeben werden. Grundlage sind chemische Veränderungen der Proteine, die an DNA binden, (…) die Abschnitte oder ganze Chromosomen in ihrer Aktivität beeinflussen können.“ Es geht also um die Suche nach chemischen Wirkstoffen, epigenetische Mechanismen, die Einfluss auf das Zellverhalten und damit auf die Krebsentwicklung nehmen können. Forschungsobjekt ist eine sehr seltene Krebsart, das Leiomyosarkom, das im glatten Muskelgewebe entsteht, sehr aggressiv ist, sich über die Blutgefäße schnell im Körper verbreitet und auf herkömmlichen Chemo- und Strahlentherapien nicht oder kaum anspricht. Entdeckt wird dieser Krebs meistens durch Zufallsbefunde.
Der österreichische Bioinformatiker, Christian Weichenberger und die auf Sequenzierungsanalysen spezialisierte Biologin Emanuela Kerschbamer vom Institut für Biomedizin sitzen für Eurac Research im Forschungsteam. Für die 2019 aufgenommene Studie testete das Team eine Reihe von chemischen Wirkstoffen, die das Epigenom umprogrammieren; im Labor der Universität Udine wurden diese Wirkstoffe Zellmodellen einer Leiomyosarkom-Zelllinie zugeführt und beobachtet, wie sich die Krebszellen verhalten. Dabei erwies sich das kleine chemische Molekül namens NKL54 als besonders wirksam darin, die Krebszellen dahingehend umzuprogrammieren, dass wichtige, durch den Tumor deaktivierte Gene wieder funktionieren – und zwar unter anderem jene Gene, die dafür zuständig sind, entartete Zellen in den Zelltod zu schicken, beziehungsweise beschädigte Zellen zu reparieren.
Parallel dazu wertete das Bioinformatik-Team von Eurac Research mithilfe modernster Methoden die Daten laufend aus und analysierte sie. Unter anderem wurde beobachtet, wie sich die Krebszellen und Gene mit und ohne den Einfluss bestimmter Wirkstoffe verhalten und welche Auswirkungen die Wirkstoffe auf das Epigenom in der Zelle haben konnten. Gleichzeitig glich das Team die ermittelten Daten mit Daten aus internationalen Datenbanken ab und identifizierte dabei einige Gene, die – wenn sie bei Leiomyosarkom-Patientinnen und -Patienten aktiv sind – darauf hinweisen, dass diese Patienten eine deutlich verlängerte Lebenszeit haben.
„Dieses Teilergebnis der Studie ist bemerkenswert“, unterstreicht der Bioinformatiker Christian Weichenberger vom Institut für Biomedizin von Eurac Research. „Es liefert die Grundlage, auf der Folgestudien zu wirksamen medikamentösen Therapien für diese aggressive Krebsart ansetzen können“, ergänzt seine Forscherkollegin Emanuela Kerschbamer.
All das klingt sehr komplex. Tatsache ist, dass es sich um wichtige Schritte in Richtung Entwicklung neuer Therapien handelt. Allerdings, betonen Christian Weichenberger und seine Kollegin Emanuela Kerschbaumer: „Von hier bis zu konkreten Anwendungen in Modellorganismen bzw. bis zu klinischen Versuchen, können noch viele Jahre vergehen.“ Basis für Therapien, die heute auf den Markt kommen, ist Grundlagenforschung, die oft schon zehn Jahre und mehr zurückliegt.
Für die Forscher ist ihre Arbeit wie ein extrem schwieriges Puzzle oder ein spannender Kriminalfall. Es gilt überaus geduldig kleinste Details ausfindig zu machen, Ergebnisse zu interpretieren und Hypothesen aufzustellen, Spuren zu verfolgen. Immer und immer wieder. Viele verlaufen im Sand, aber wenn die erhoffte Wirkung nachgewiesen werden kann, dann ist das Emotion pur! Und am Ende dieser Kette steht konkrete Hoffnung für viele Patienten.
Link zur publizierten Studie in Nucleic Acids Research: academic.oup.com/nar/article/50/5/2566/6527676
Epigenetik klärt Wikipedia auf, „ist das Fachgebiet der Biologie, das sich mit der Frage befasst, welche Faktoren die Aktivität eines Gens und damit die Entwicklung der Zelle zeitweilig festlegen. Sie untersucht die Änderungen der Genfunktion, die nicht auf Veränderungen der Sequenz der Desoxyribonukleinsäure (DNA), etwa durch Mutation oder Rekombination, beruhen und dennoch an Tochterzellen weitergegeben werden. Grundlage sind chemische Veränderungen der Proteine, die an DNA binden, (…) die Abschnitte oder ganze Chromosomen in ihrer Aktivität beeinflussen können.“ Es geht also um die Suche nach chemischen Wirkstoffen, epigenetische Mechanismen, die Einfluss auf das Zellverhalten und damit auf die Krebsentwicklung nehmen können. Forschungsobjekt ist eine sehr seltene Krebsart, das Leiomyosarkom, das im glatten Muskelgewebe entsteht, sehr aggressiv ist, sich über die Blutgefäße schnell im Körper verbreitet und auf herkömmlichen Chemo- und Strahlentherapien nicht oder kaum anspricht. Entdeckt wird dieser Krebs meistens durch Zufallsbefunde.
Der österreichische Bioinformatiker, Christian Weichenberger und die auf Sequenzierungsanalysen spezialisierte Biologin Emanuela Kerschbamer vom Institut für Biomedizin sitzen für Eurac Research im Forschungsteam. Für die 2019 aufgenommene Studie testete das Team eine Reihe von chemischen Wirkstoffen, die das Epigenom umprogrammieren; im Labor der Universität Udine wurden diese Wirkstoffe Zellmodellen einer Leiomyosarkom-Zelllinie zugeführt und beobachtet, wie sich die Krebszellen verhalten. Dabei erwies sich das kleine chemische Molekül namens NKL54 als besonders wirksam darin, die Krebszellen dahingehend umzuprogrammieren, dass wichtige, durch den Tumor deaktivierte Gene wieder funktionieren – und zwar unter anderem jene Gene, die dafür zuständig sind, entartete Zellen in den Zelltod zu schicken, beziehungsweise beschädigte Zellen zu reparieren.
Parallel dazu wertete das Bioinformatik-Team von Eurac Research mithilfe modernster Methoden die Daten laufend aus und analysierte sie. Unter anderem wurde beobachtet, wie sich die Krebszellen und Gene mit und ohne den Einfluss bestimmter Wirkstoffe verhalten und welche Auswirkungen die Wirkstoffe auf das Epigenom in der Zelle haben konnten. Gleichzeitig glich das Team die ermittelten Daten mit Daten aus internationalen Datenbanken ab und identifizierte dabei einige Gene, die – wenn sie bei Leiomyosarkom-Patientinnen und -Patienten aktiv sind – darauf hinweisen, dass diese Patienten eine deutlich verlängerte Lebenszeit haben.
„Dieses Teilergebnis der Studie ist bemerkenswert“, unterstreicht der Bioinformatiker Christian Weichenberger vom Institut für Biomedizin von Eurac Research. „Es liefert die Grundlage, auf der Folgestudien zu wirksamen medikamentösen Therapien für diese aggressive Krebsart ansetzen können“, ergänzt seine Forscherkollegin Emanuela Kerschbamer.
All das klingt sehr komplex. Tatsache ist, dass es sich um wichtige Schritte in Richtung Entwicklung neuer Therapien handelt. Allerdings, betonen Christian Weichenberger und seine Kollegin Emanuela Kerschbaumer: „Von hier bis zu konkreten Anwendungen in Modellorganismen bzw. bis zu klinischen Versuchen, können noch viele Jahre vergehen.“ Basis für Therapien, die heute auf den Markt kommen, ist Grundlagenforschung, die oft schon zehn Jahre und mehr zurückliegt.
Für die Forscher ist ihre Arbeit wie ein extrem schwieriges Puzzle oder ein spannender Kriminalfall. Es gilt überaus geduldig kleinste Details ausfindig zu machen, Ergebnisse zu interpretieren und Hypothesen aufzustellen, Spuren zu verfolgen. Immer und immer wieder. Viele verlaufen im Sand, aber wenn die erhoffte Wirkung nachgewiesen werden kann, dann ist das Emotion pur! Und am Ende dieser Kette steht konkrete Hoffnung für viele Patienten.
Link zur publizierten Studie in Nucleic Acids Research: academic.oup.com/nar/article/50/5/2566/6527676
Hochwissenschafliches Smartworking: Der „interregionale“ Arbeitsplatz von Christian Weichenberger.