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Einmal im Jahr zum Frauenarzt!

Seltene gynäkologische Tumore. Vorsorge und HPV-Impfung können viel Leid ersparen
Fotos: Othmar Seehauser


„Ich gehe als Arzt mit meinen Patientinnen ein Bündnis ein. Sie erklären mir ihre persönlichen Kompetenzen und ich ihnen meine klinischen, so können wir gemeinsam, Seite an Seite den Kampf gegen den Krebs antreten.“ Für diese Patientenbeziehung braucht es Zeit und die nimmt sich Dr. Martin Steinkasserer, Primar der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe am Krankenhaus Bozen. „Wenn ich diesen Anspruch nicht durchsetzen könnte, wäre ich besser Ingenieur geworden.“ Neben dem Brustkrebs, die häufigste Krebsart bei Frauen und dem Gebärmutterkrebs, gibt es eine Reihe seltener gynäkologischer Tumore. Mit Ausnahme des Gebärmutterhals- und des Eierstockkrebses, sind diese Neoplasien bereits in einem frühen Stadium bemerkbar. „Jede Frau sollte einmal im Jahr zum Frauenarzt gehen!“
Das Kriterium für die Identifizierung eines seltenen Tumors basiert auf der Inzidenz, der Häufigkeit. Der Schwellenwert für die europäischen Bevölkerung wird auf maximal 6 Fälle pro 100.000 angesetzt.
Zu den seltenen Tumoren bei Frauen zählen der Scheiden- und der Vulvakrebs, in Ländern mit einem gut funktionierenden Gesundheitswesen ist auch der Gebärmutterhalskrebs von einer Erkrankung mit hoher, zu einer mit niedriger Inzidenz /ca. 10/100.000 Frauen im Jahr) geworden. Gegen letzteren gibt es nicht nur eine sehr effiziente Vorsorgeuntersuchung, den PAP-Test – deshalb ist die Zahl in Europa auch sehr zurückgegangen – sondern auch eine Impfung. Gebärmutterhals- oder Zervixkarzinom im Fachjargon, wird in den meisten Fällen durch eine Infektion mit dem Papillomavirus, HPV, hervorgerufen, der über sexuellen Kontakt übertragen wird. Seit 2006 gibt es eine Impfung gegen den HPV-Virus. Es besteht keine Impfpflicht, aber das öffentliche Gesundheitswesen trägt die Kosten für HPV-Impfungen, nicht nur für Mädchen und junge Frauen, sondern auch von Jungen und Männern bis zum Alter von 26 Jahren. Leider sind die Südtiroler Impfskeptiker sagt Dr. Steinkasserer, denn mit der Impfung könnte diese Krebsart definitiv besiegt werden. „Die Zahlen sind zwar deutlich zurückgegangen, aber noch immer bekommen 10 von 100.000 Frauen diese Diagnose gestellt.“
Wenn der PAP-Test Krebsvorstufen feststellt, kann das gefährdete Gewebe über eine Konisation entfernt werden. „Das Krebsrisiko ist damit weitgehend beseitigt“, erklärt Dr. Steinkasserer. Allerdings können diese Operationen Veränderungen im Gebärmutterhals zur Folge haben, die mitunter auch eine Schwangerschaft verhindern können. "Besser also sich impfen lassen. In Südtirol sind wir Schlusslicht in Italien, weniger als 10% der Bevölkerung nehmen dieses Angebot wahr.“ Der Entdecker des Zusammenhangs zwischen einer HPV-Infizierung und der Entwicklung eines Zervixkarzinoms, Harald zur Hausen, wurde dafür 2008 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet. Er verstarb am 28. Mai 2023 im Alter von 87 Jahren.
Jüngsten Studien zufolge machen seltene Krebsarten 24 % aller neuen Krebsfälle aus und betreffen etwa 5 Millionen Menschen in der Europäischen Union und 900.000 in Italien. Das europäische Projekt RARECARE.net, das sich mit seltenen Krebsarten befasst, hat 198 davon identifiziert, sie betreffen jeden Teil des Körpers.
Bei der Frau sind es, wie bereits erwähnt, neben dem Zervixkarzinom auch der Scheiden- und der Vulvakrebs. Die Scheide oder auch Vagina ist ein zehn bis zwölf Zentimeter langer Muskelschlauch, der die äußeren Geschlechtsorgane der Frau mit der Gebärmutter verbindet. Als Vulva wird die Gesamtheit der äußeren primären weiblichen Geschlechtsorgane bezeichnet, sie besteht aus dem Venushügel, den äußeren und den inneren Schamlippen, der Klitoris und dem Scheidenvorhof.
Das Vulva-Karzinom, erklärt Primar Steinkasserer, tritt meistens im Alter zwischen 50 und 70 Jahren auf. „Eine Krebsart, die bei Früherkennung gut und erfolgreich zu behandeln ist.“ Symptome sind chronischer Juckreiz, blutige Läsionen, kleine ausgebeulte Veränderungen der Haut (Ulcera), die nicht verschwinden oder auch geschwollene Lymphknoten in der Leiste. „Wenn die Lymphknoten nicht befallen sind", erklärt Dr. Martin Steinkasserer, „muss nur der Tumor operativ entfernt werden, in der gleichen Operation wird auch die plastische Rekonstruktion vorgenommen; eine Strahlenbehandlung oder Chemotherapie sind nicht notwendig.“
Vor allem nach der Menopause haben viele Frauen große Scham, ihre Genitalien zu zeigen und scheuen auch davor zurück, sich selbst zu untersuchen. Oder aber sie haben Angst vor entstellenden Veränderungen durch eine Operation. „Im Schnitt haben wir pro Jahr 10 bis 15 Patientinnen, die an Vulvakrebs erkranken und sich in einem relativ späten Stadium vorstellen. Der regelmäßige Besuch beim Frauenarzt könnte ihnen unsägliches Leid ersparen!“
Das Eierstockkarzinom ist in den meisten Fällen ein extrem bösartiger Krebs. Das mittlere Erkrankungsalter und das mittlere Sterbealter liegen bei 65 und 75 Jahren. "Ein bedeutender Risikofaktor für das Entstehen eines epithelialen Ovarialkarzinoms ist die genetische Veranlagung", betont Dr. Steinkasserer. Statistisch betrachtet, beträgt das Risiko für eine Frau mit einer BRCA1- bzw. BRCA2-Mutation ca. 40% bzw. ca. 11-18% bis zum Erreichen des 70. Lebensjahrs an einem Ovarialkarzinom zu erkranken. Bei nachgewiesener Mutation (über eine genetische Blutuntersuchung), unterliegen diese Personen einem engen Vorsorge-Raster, oft werden in diesem Fall auch eine prophylaktische Entfernung der Eierstöcke und der Brust angeraten. Eierstockkrebs zeigt keine Symptome im Vorstadium, sondern erst, wenn er fortgeschrittenen ist, wenn auch andere Organe betroffen sind (Unterleibsschmerzen, Gewichtsverlust, erhöhter Harndrang, Völlegefühl…). Hormonbehandlungen in der Menopause und Übergewicht scheinen das Risiko an Eierstockkrebs zu erkranken, zu erhöhen. In den letzten Jahren ist die Überlebensrate von Patientinnen mit Eierstockkrebs gestiegen. Die längere Einnahme einer hormonellen Empfängnisverhütung (Pille) scheint das Risiko an einem Ovarialkarzinom zu erkranken, hingegen zu vermindern. Vier von zehn Frauen leben fünf Jahre nach der Diagnose noch.
An Scheidenkrebs erkrankt im Durchschnitt eine Frau von 100.000 pro Jahr. Jede zweite Betroffene ist älter als 70, etwa 15 % sind zwischen 20 und 49 Jahre alt. Bei Früherkennung ist er gut heilbar, in einem fortgeschrittenen Stadium verringern sich die Heilungschancen erheblich. Auch der Scheidenkrebs kann durch eine HPV Infektion verursacht werden. Andere Risikofaktoren sind Rauchen, häufiger Partnerwechsel oder die Hautkrankheit Lichen sclerosus. In 95% der Fälle entsteht der Scheidenkrebs aus einer bösartigen Veränderung der oberen Schleimhautschicht (Plattenepithel). Symptome können Blutungen während oder nach dem Geschlechtsverkehr sein, ungewöhnlicher Ausfluss oder Probleme beim Wasserlassen oder beim Stuhlgang. Vorstufen des Scheidenkrebs können mit dem Laser behandelt werden. Bei ausgeprägten Formen ist es erforderlich, einen Teil oder auch die ganze Scheide operativ zu entfernen.
Gynäkologische Tumore, egal ob selten oder häufig, wie Brustkrebs, sind in jedem Fall, abgesehen von der psychologischen Belastbarkeit einer Krebserkrankung, den damit verbundenen Ängsten, sehr belastend für die Frauen, betont Steinkasserer. "Mit gravierenden Auswirkungen auf ihr soziales und auch sexuelles Leben, auf Partnerschaft und Selbstgefühl. Je eher ein Tumor erkannt und behandelt wird, desto weniger Spuren hinterlässt er und desto weniger Leid verursacht er."
Der Primar erlebt seine Arbeit jeden Tag als eine neue Herausforderung und Chance. „Frauen sind problembewusster, haben ihre Netzwerke, wenn man mit ihnen vernünftig redet, lassen sie sich leichter zu Hilfe überzeugen und wenn man ihnen Kompetenz zuspricht, hat man es plötzlich mit einem anderen Menschen zu tun! Männer hingegen leiden oft noch unter dem Heldensyndrom, müssen sich beweisen und können Schwäche nicht zulassen.“ Jeden Tag in engem Kontakt mit Frauen zu stehen, so Steinkasserer, macht etwas mit einem. „Die Arbeit als Gynäkologe hat mein Verhältnis zu Frauen verändert. Vor allen Dingen habe ich großen Respekt!“ Die Geburtshilfe eröffne eine unglaubliche Welt. „Dass Frauen Leben in sich tragen, Kinder zur Welt bringen, das ist einfach fantastisch, zu sehen, wie viel Mut sie haben!“
Seine Abteilung ist auch zertifiziertes, onko-chirurgisches Zentrum für Gynäkologie in Südtirol. Mit den KollegInnen der anderen Krankenhäuser steht er in engem Kontakt, wie auch mit großen Zentren im In- und Ausland. „Man vergleicht, wo man steht mit den Therapien, die man anbietet, tauscht sich aus und arbeitet zusammen. Die auto-referenzielle Schiene ist vorbei, wir stehen nicht im Wettbewerb, sondern schauen, was können wir übernehmen, was weitergeben, wo und wie können wir noch besser zusammenarbeiten zum Wohl unserer Patientinnen.“

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Mehr Platz

Die Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe in neuen Räumlichkeiten
Die Abteilung ist seit einem Tag umgezogen, als wir zum Interview-Termin in der Gynäkologie eintreffen. Neue Adresse: Hauptgebäude, blauer Aufzug, 2. Stock. Alles sieht neu aus. Frisch gestrichen, die Wände noch nackt, auch das Büro des Primars bis auf ein paar Bücher im Regal und ein großes Bild hinter dem Schreibtisch, das seine Idee von Führung widerspiegelt, wie er lachend erklärt: Ein großer Hund, der von zwei um ein Vielfaches kleineren Vögeln spazieren geführt wird. Mehr Ein-Bett-Zimmer und ansonsten nur Zwei-Bett-Zimmer. Alle mit Bad. Insgesamt zehn Zimmer für bis zu zwanzig Patientinnen und drei Untersuchungszimmer. Hinzu kommt die Geburtshilfe mit vierzig Betten, auch hier alles Zwei-Bett-Zimmer mit eigenem Bad, Untersuchungsräumen und Kreißsaal. Primar Martin Steinkasserer strahlt. „Wir haben uns lange darum bemüht. Viele unserer Patientinnen haben ausgedehnte Operationen, da ist die Ruhe eines Ein- oder Zwei-Bett-Zimmers ebenso unerlässlich wie die Privacy in einem eigenen Bad.“