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„Ich gehe zur Freundin“

Barbara, 40 Jahre und voller Enthusiasmus, trotz oder durch die Krankheit


Im vergangenen September ist sie allein zu ihrem Termin in der Onkologie gegangen, fest überzeugt, dass der kleine Knoten, den sie ertastet hatte, nichts Ernstes sei. Auf die Diagnose Krebs war die 39jährige Barbara nicht vorbereitet. Aber es kam anders: Stadium drei. Negativer Gentest. Insgesamt 16 Zyklen Chemotherapie. Im Anschluss eine Quadrektomie und Strahlentherapie. Aber Barbara lächelt, sie ist überzeugt, dass sie die Krankheit besiegen wird. Ohne jeden Zweifel. Hundertprozentig, sagt sie. Dank der Freundin.
Freundin, so nennt sie die Chemotherapie. Jeden Donnerstagabend, nach der Begegnung mit der Freundin, ist sie müde, hat Mühe, die Treppe zu steigen, aber sie fühlt sich auch glücklich. Sie hat das Gefühl, dass sie der Genesung einen Schritt nähergekommen ist. Der erste Moment, als ihr die Diagnose mitgeteilt wurde, war ein Schock. Es war auch sonst ein schrecklicher Tag", erinnert sie sich, "grau in grau. Nass. Und als ich das Krankenhaus verließ, dachte ich: Ich bin 39 Jahre alt, und jetzt muss ich sterben." Doch die Verzweiflung machte bald der Entschlossenheit Platz. „Ich muss meinen Kopf benutzen“, sagte sie sich. Und das hat sie getan und tut es immer noch.

Barbara wurde in der Slowakei geboren, sie lebt seit 15 Jahren in Bozen, arbeitet als Kellnerin in einem Restaurant im Zentrum von Bozen und fühlt sich dort unter Freunden, ja wie in einer Familie aufgenommen. Nachdem sie die Hotelakademie in der Slowakei abgeschlossen hatte, ging sie ins Ausland. Arbeitete in der Schweiz, in Italien, Norwegen und Deutschland. Irgendwann dachte sie: „Entweder ich gehe zurück in die Slowakei oder ich lasse mich in Italien nieder.“ Sie wählte Letzteres und hier fühlt sie sich jetzt zu Hause. Sie lebt mit ihrem Partner Stefano zusammen, und genau zu dem Zeitpunkt, als die Krankheit in ihr Leben trat, dachten sie daran, eine Familie zu gründen. Also bat sie um einen Termin in Bruneck, im Sterilitätszentrum. Die Idee war, alles für eine künstliche Befruchtung nach der Chemotherapie vorzubereiten. Doch das Schicksal entschied anders. „Sie haben keine zwanzig Tage mehr zu verlieren", erklärte ihr der Arzt des Zentrums. Zwanzig Tage, die Zeit, die für die Hormonbehandlung benötigt wird, die für die Eizellentnahme notwendig ist. Ein Traum geplatzt, ein Kapitel abgeschlossen.

„Wir machen es uns zu zweit schön“, tröstete sie Stefano, ihr Partner. Seit dem Beginn der Therapie sind sie sich als Paar noch nähergekommen als zuvor. "Es gibt viele Möglichkeiten, glücklich miteinander zu leben", sagt Barbara, und die Überzeugung, mit der sie das sagt, klingt absolut echt. Barbara gehört nicht zu den Menschen, die sich in Gedanken über die Ungerechtigkeit eines widrigen Schicksals verlieren. Sie ist es gewohnt, zu reagieren, zu agieren. Immer zu versuchen, die positiven Seiten der Dinge zu sehen.

Der erste Monat nach der Diagnose war die schlimmste Zeit. Sie geriet in den Strudel der verschiedenen Untersuchungen, die vor Therapiebeginn durchgeführt werden mussten. Eine Zeit, geprägt von Zweifeln, Ängsten, Unsicherheiten und Unwissen. Barbara verträgt die Chemotherapie gut, abgesehen von der Müdigkeit am Donnerstag. Keine Übelkeit. Vor dem ersten Mal hatte sie Angst. Und dann war sie überrascht von der angenehmen Atmosphäre auf der onkologischen Station in Bozen. "Ich hatte es mir viel, viel schlimmer vorgestellt!" Der Verlust ihrer schönen langen blonden Haare war zunächst ein Schock. Als ihr die Haare büschelweise ausfielen, wandte sie sich an eine Friseurin, die ihr das lange Haar in mehreren Etappen abschnitt. "Sie hat das einfach toll gemacht. Am Ende kam ich mit meiner neuen Perücke und einem Lächeln im Gesicht aus dem Salon.“

Ohne eitel zu sein, achtet Barbara auf ihr Äußeres. Sich gehen zu lassen, ist nicht ihre Sache. Sie hat schon immer Sport getrieben, um sich fit zu halten, und tut es auch jetzt noch, von zu Hause aus, mit Hilfe von Videos. Ein bisschen Yoga, ein bisschen Gymnastik. Durch die Krankheit hat sie das Meditieren schätzen gelernt und ihre Essgewohnheiten umgestaltet. "Früher habe ich mir nie Zeit zum Essen genommen, ich war immer in Eile. Ich habe meinen Körper ein bisschen wie einen Mülleimer behandelt", lacht sie. "Ohne besonderen Wert auf die Qualität des Essens zu legen. Ich habe nicht besonders auf die Zutaten geachtet oder darauf, woher sie kamen." Heute isst sie nicht nur langsam, sondern auch gesund, sie kauft sorgfältig und gerne ein, biologische und regionale Produkte. Sie nimmt sich Zeit zum Kochen.

Barbara liest gerne und viel und geht gerne in Bozen und in den Bergen spazieren. Zwei Aktivitäten, die ihr auch im Krankheitsalltag helfen, in der erzwungenen Pause vom aktiven Leben, der für eine Frau, die erst 40 Jahre alt ist und eigentlich in den besten Jahren sein sollte, schwer zu bewältigen ist. Das Meer ist eine weitere große Leidenschaft. Wenn alles vorbei ist, möchte sie gerne eine Woche ans Meer fahren. Und dann aber gleich wieder zur Arbeit gehen. Sie vermisst ihre Arbeit so sehr, die täglichen Begegnungen mit den Kunden und ihren Kollegen-Freunden.

In der Südtiroler Krebshilfe hat sie einen sicheren Hafen gefunden, wertvolle Unterstützung. Der erste Besuch im Büro Bozen endete mit einer herzlichen, von Tränen durchtränkten Umarmung. Die Tür öffnete ihr die Vorsitzende Maria Claudia Bertagnolli, seit Jahren ihre Kundin im Restaurant, und die Überraschung, sich in dieser Situation wiederzufinden, war für beide bewegend.

Und wie sieht sie ihre Zukunft? Barbaras Gesicht erhellt sich: "Ich sehe die Krankheit als Chance, als Ansporn, mein Leben zu ändern, mich selbst so zu lieben, wie ich bin." Die Krankheit hat sie den Wert von Beziehungen erkennen lassen, die starke Bindung zu ihrem Partner, die familiäre Beziehung zu ihren Kollegen, die Liebe zum Leben. Alles wertvolle Dinge, die vorher da waren, aber hinter der Routine des Alltags verborgen waren. Barbara lächelt: "Die Freundin hilft mir, die Krankheit zu überwinden!

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mRNA-Impfung gegen Krebs bald schon Realität

Interview mit dem Kliniker und Forscher Dr. Niels Halama
Foto: unsplash - Diana Polekhina


Impfungen sind in den letzten Jahren vor allem aufgrund der Corona-Pandemie in den Mittel­punkt der Aufmerksamkeit gerückt. Die Möglichkeit, auf konkrete Erkrankungen mit neuen, ad hoc hergestellten Impfstoffen zu reagieren. Und wenn das auch gegen Krebs möglich wäre? Tatsächlich stehen derzeit bereits zwei Impfungen gegen durch Viren verursachte Krebs­erkrankungen zur Verfügung, allerdings handelt es sich um Impfungen nach traditionellem Schema: die HPV-Impfung gegen Krebserkrankungen, die durch das Papilloma-Virus verursacht werden, allen voran der Muttermund-Krebs und die Impfung gegen Hepatitis-B, eine Erkrankung, die zu Leberkrebs führen kann. Impfungen mit messenger RNA eröffnen neue Wege.
Einer der vielversprechendsten Impfstoffe gegen Corona beruht auf Forschungen, die schon lange vor Corona begonnen haben und die durch die Pandemie entsprechend intensiviert werden konnten: messenger RNA, ein Impfstoff, der auf den Bauplan ganz bestimmter Zellen einwirkt. Ein Impfstoff, der auf ganz spezifische Merkmale im Erbgut einer Zelle zielt, der dem Körper, dem Immunsystem, mithilfe der mRNA Sequenz mitteilt, was er tun muss. Die Ergebnisse der Corona Impfstoff-Forschung haben auch der Krebsforschung zugespielt und diese um Jahre vorangebracht. Heute liegen Ergebnisse vor, die noch vor zwei Jahren als absolute Zukunftsmusik galten. Und: Zumindest ein Impfstoff gegen einen ganz spezifischen Krebs steht kurz vor der Zulassung.

Bei meinen Nachforschungen im Internet zum Thema Impfen gegen Krebs bin ich auf ein Interview mit dem Kliniker und Forscher Dr. Niels Halama gestoßen, das auf der Seite des Deutschen Krebsforschungs-Zentrums bereits Ende 2021 veröffentlicht worden ist. In denkbar einfachster Sprache erklärt Halama dort, wie solch ein Impfstoff funktionieren kann. Da seither doch schon einige Jahre vergangen sind, habe ich versucht, den Wissenschaftler zu kontaktieren, um Informationen zum neuesten Forschungsstand zu erhalten. Ich hatte nicht nur Glück, ihn gleich am Telefon zu erreichen, er war auch sofort zu einem Interview bereit!
Dr. Halama, Impfung bei Krebs, das ist keine Science Fiction mehr, aber es funktioniert anders, als das Impfschema, das wir bisher kennen?
Dr. Niels Halama: Impfung bei Krebs heißt nicht, eine breite Bevölkerungsschicht im Voraus zu immunisieren, das wäre bei der Vielzahl der Mutationen, die die Zellen zu einem ungebremsten Wachstum bringen, unmöglich! Es geht vielmehr um eine Individualisierung und Unterstützung der Therapie bei einer schon bestehenden Erkrankung. Ein mRNA Impfstoff bringt den Körper dazu, ganz spezifische Merkmale, Proteine, im Erbgut einer Tumorzelle zu erkennen und darauf zu reagieren. Eine Therapie also, die ganz individuell auf die biologischen Merkmale eines spezifischen Tumors eines Patienten eingestellt werden kann und das in kurzer Zeit. Auch dies ein Aspekt, der bei Krebserkrankungen von größter Bedeutung ist. Krebspatienten haben keine Zeit zu verlieren! Bei einer Tumorerkrankung bedingt die Veränderungen der Zellen zudem sehr oft nicht nur ein unkontrolliertes Wachstum der Zellen, sondern auch die Errichtung einer Art von Mauer, die diese Zellen umgibt und an der die Zellen des Immunsystems abprallen bzw. die das Immunsystem daran hindert, mutierte Zellen zu erkennen und unschädlich zu machen oder die sogar die Zellen des Immunsystems zerstört. Eine mRNA-Impfung kann die mutierten Zellen für das Immunsystems sichtbar machen und diese Mauer durchbrechen, so dass die körpereigenen Kräfte wieder agieren können.
Wie konkret sind die Möglichkeiten, dass diese Art der individualisierten, ad hoc hergestellten Therapie zur baldigen und vor allem zur allgemeinen Anwendung kommt?
Dr. Niels Halama: Ja, das ist eine Frage, die Patienten immer stellen. Ist das schon zugelassen? Habe ich über das öffentliche Gesundheitssystem Zugang zu dieser neuen Therapieform? Die Antwort lautet zunächst Nein. Zugelassen ist bisher noch kein mRNA-Impfstoff gegen Krebs, aber in einem Bereich stehen wir tatsächlich kurz davor, sagen wir bis Ende des Jahres!
In einem Bereich, das heißt gegen einen ganz bestimmten Krebs?
Dr. Niels Halama: Genau, denn diese neue Therapieform wird ganz spezifisch, bei ganz bestimmten Krebsarten eingesetzt werden können. Krebs ist nicht gleich Krebs. Heute reden wir längst nicht mehr einfach von Darmkrebs oder Lungenkrebs, es gibt ganz viele Unterkategorien, die jede ihre ganz spezifischen Merkmale hat, auf die eine Therapie eingestellt werden muss. Der mRNA-Impfstoff gegen den schwarzen Hautkrebs, das Melanom, steht kurz vor der Zulassung. Die Daten der Forschung und der Versuche sind eindeutig und ausgesprochen vielversprechend, es ist nur eine Frage, welches Land in der EU zuerst reagiert.
Allerdings auch in diesem Fall nur in einer ganz spezifischen Situation?
Dr. Niels Halama: Das stimmt. Und diese Bedingungen gelten generell beim Einsatz eines mRNA-Impfstoffes. Der Tumor muss sichtbar entfernt sein, das heißt, es sind nur noch vereinzelte Krebszellen im Körper vorhanden und er darf noch nicht metastasiert sein. In dieser Situation liegen beim Melanom eindeutig positive Ergebnisse vor, die in einer Studie vom Krebs Zentrum New York im Juni 2023 vorgestellt wurden. Der individualisierte mRNA Impfstoff - und das ist ein weiterer Vorteil - wirkt dabei wie die Immuntherapie nur auf die Zellen, die diese bestimmten Merkmale tragen und eben nicht auf gesunde Zellen.
Die mRNA Impfung ist aber keine Therapie, die andere Therapien völlig ersetzt und alleine wirkt, oder?
Dr. Niels Halama: Nein. Die Impfung schließt sozusagen eine Lücke in der Therapie und reiht sich ein in die schon bestehenden Therapiesysteme. Der mRNA-Impfstoff greift dort ein, wo das Immunsystem blind ist und sagt ihm: „Hey, da musst du attackieren!“ Krebstherapie ist immer eine Kombination. Die Forschungen zum Corona-Impfstoff haben uns eine neue Strategie zur Verfügung gestellt: wir können das Immunsystem mithilfe der mRNA lenken. Das ist ein riesiges Potenzial! Das ist wie eine Werkzeugkiste, aus der bei Bedarf das passende Werkzeug gefischt werden kann. Das ermöglicht zukünftig in vielen Bereichen eine ganz neue Herangehensweise. Wir stehen erst am Anfang! Allerdings - das muss ich betonen - ist die Impfung wie gesagt, nur unter bestimmten Voraussetzungen einsetzbar. Eine weitere ist, dass das Immunsystem des Patienten in der Lage ist, zu reagieren und dass die Proteine der Krebszellen eindeutig definiert werden können.
Sie sagten in absehbarer Zeit sei auch mit anderen Ergebnissen, mit anderen mRNA-Impfstoffen zu rechnen, d. h. kann diese neue Technik bei anderen Krebserkrankungen zum Einsatz kommen. Absehbar, heißt das in 5 bis 10 Jahren?
Dr. Niels Halama: Absehbar heißt noch nicht jetzt, aber doch früher als der von ihnen angegebene Zeitrahmen. Es liegen sehr vielversprechende Daten vor beim Bauchspeicheldrüsenkrebs, ein Krebs, der bisher, wie auch der Darmkrebs, nicht auf die Immuntherapie angesprochen hat, und der trotz aller Maßnahmen meist tödlich verläuft, und das in relativ kurzer Zeit.
Pankreaskrebs, das ist auch eine Krebsart, die relativ häufig auch jüngere Menschen, also jünger als 50 oder 40 betrifft?
Dr. Niels Halama: Es ist tatsächlich auffällig, dass sich Bauchspeicheldrüsen und Darmkrebs erstaunlicherweise jetzt auch vermehrt bei jüngeren Patienten manifestieren. Ich stelle das auch in der Praxis fest. Mit Corona hat das allerdings nichts zu tun, da möchte ich gleich vorgreifen. Aber das ist ein anderes Thema, zurück zur mRNA Impfung. Es liegen erste Versuchsdaten zu Bauchspeicheldrüsenkrebs vor, die eine Tumorfreiheit nach zwei Jahren beschreiben! Die Datenmengen sind noch eingeschränkt, doch sie geben berechtigten Anlass zur Hoffnung, dass sich neue Türen öffnen werden! Und das in relativ kurzer Zeit!
Was ist mRNA
mRNA oder messenger RNA, auf Deutsch Boten RNA. Die Baupläne der körpereigenen Proteine sind im Erbgut – in der doppelsträngigen DNA im Zellkern – gespeichert. Sie werden dort in einsträngige mRNA umgeschrieben, ein natürlich vorkommendes Molekül mit gut erforschten Eigenschaften, das in allen Zellen vorkommt und geeignet ist für die Kodierung von Antikörpern, Antigenen, Zytokinen und allen anderen Proteinen. Boten-RNA kann pharmakologisch und immunologisch entwickelt und optimiert werden, wodurch es für eine große Bandbreite an Anwendungen geeignet ist. Eine schnelle und individualisierte Produktion für flexible Therapeutika (auch Impfstoffe) ist möglich.
Prof. Dr. Niels Halama
Seit 2023 Leiter des Helmholtz-Zentrums für Translationale Immuntherapie, HI-TRON, des Deutschen Krebsforschungsinstituts in Mainz. Internist und Onkologe, Studium der Medizin in Heidelberg, 1999-2005 und seither parallel in Forschung und Klinik involviert. Seit seiner Studienzeit ist er fasziniert von den Möglichkeiten der Immuntherapie. www.hi-tron.dkfz.de