Aktuell

Die Betroffenen stehen im Mittelpunkt

Interview: Die neue Landespräsidentin der SKH, Maria Claudia Bertagnolli


Ein Arbeitsleben im Landesdienst: zuerst in der Kulturabteilung für die italienische Sprache und die letzten Jahre im italienischen Schulamt. Die Erfahrung der Krankheit: ein steiler und steiniger Weg, überwunden Dank Chirurgie und medizinischer Therapien, vor allem aber auch Dank menschlicher Unterstützung, von Seiten von Ärzten, Pflegepersonal, TherapeutInnen, Psycho-Onkologen, Mitbetroffenen, Freunden. Und nach der Pensionierung der Entschluss, sich selbst zu engagieren, um das, was sie an Positivem erfahren konnte, zumindest teilweise zurückzugeben. Seit sechs Jahren ist Maria Claudia Bertagnolli Vorsitzende des Bezirks Bozen Salten Schlern. Nun tritt sie die Nachfolge von Ida Schacher als Landesvorsitzende der Südtiroler Krebshilfe an.
Sie haben sich für das Ehrenamt gemeldet und wurden sofort mit dem Amt der Bezirksvorsitzenden betraut… Ein etwas abrupter Einstieg?
Maria Claudia Bertagnolli: Meine Vorgängerin Monika Gurschler hat mich darum gebeten hat, und ich muss sagen, dass diese sechs Jahre der engen Zusammenarbeit mit meinem Vorstand, innerhalb unseres Teams, eine gute Schule für das Amt waren, das ich jetzt übernehmen werde. Ich muss zugeben, es war nicht leicht, mich in die Arbeit mit kranken Menschen einzufinden. Es galt Befangenheit abzulegen, den richtigen Abstand zu finden, zu lernen, wann Schweigen angesagt ist und wie das richtige Wort finden. Lernen gut zuzuhören und zu verstehen, wann es einen Händedruck oder eine Umarmung braucht. Ich bin dankbar für das Vertrauen, das mir bereits vor zwei Jahren entgegengebracht worden ist, als Ida Schacher beschloss, nach der Halbzeit das Amt niederzulegen. Ich werde mich verpflichten, ihre wertvolle Arbeit nach besten Kräften fortzusetzen.
Worin sehen Sie die Prioritäten in Ihrer neuen Rolle als Landesvorsitzende?
Maria Claudia Bertagnolli: Die SKH ist eine Vereinigung, die sich um die Interessen von Tausenden von Menschen kümmert, Menschen, die sich in einer ganz besonderen Lebenssituation befinden, geprägt von Leid, Unsicherheiten und Ängsten, spezifischen Bedürfnissen, aber auch von Hoffnung und Vertrauen. Diese Menschen zu begleiten, ihre Interessen auf allen Ebenen zu vertreten, ihre Fragen zu beantworten und vor allem tiefe und dauerhafte menschliche Beziehungen zu schaffen, wird im Mittelpunkt meiner Arbeit stehen.
Kurz nachdem sie Bezirksvorsitzende wurden, brach die Covidepidemie aus...
Maria Claudia Bertagnolli: ...eine sehr schwierige Situation, in der es noch wichtiger wurde, mit den Menschen in Kontakt zu bleiben, ihnen zu vermitteln: "Du bist nicht allein". Wir haben ein dichtes Whatsapp-Netzwerk aufgebaut, um trotz der räumlichen Trennung sofort und direkt kommunizieren zu können. Und ich muss sagen, dass diese Kontakte, diese Art der Kommunikation auch heute noch bestehen, vor allem mit jüngeren Menschen. Es ist für mich immer wieder eine Freude, wenn sich Mitglieder bei den Kontrolluntersuchungen an mich erinnern und mir Feedback geben.
Whatsapp ist nur eines von vielen modernen Kommunikationsmitteln.
Maria Claudia Bertagnolli: Die Kommunikation wird immer wichtiger. Ich möchte den von meiner Vorgängerin eingeschlagenen Weg fortsetzen, indem ich die Kontakte innerhalb des Vereins, mit anderen Bezirken weiter ausbaue, aber auch mit anderen Vereinigungen, die ähnliche Ziele wie wir verfolgen. Je mehr wir uns zusammenschließen, desto besser können wir zum Wohle derer arbeiten, die mit der Krankheit kämpfen oder leben müssen. Aber auch auf Landesebene, mit den Politikern, mit Vertretern des Sanitätsbetriebes, mit dem medizinischen Personal, mit dem pflegerisch-therapeutischen Personal, mit all den Menschen, die tagtäglich für und mit unseren Patienten arbeiten. Wir brauchen den direkten Kontakt, Whatsapp, aber auch andere, neue Kommunikationsmittel. Kurzum, wir sind offen für Veränderungen. Ich möchte das Netz der Kontakte ausbauen, damit wir weiter wachsen und uns verbessern können, unsere Dienstleistungen an die Menschen anpassen, die uns ihr Vertrauen geschenkt haben. Das ist ein kontinuierlicher Prozess.
Wir leben in schwierigen Zeiten: Kriege, Klimawandel, Inflation, die Kosten für neue Therapien...
Maria Claudia Bertagnolli: Natürlich sind dies keine einfachen Zeiten, aber das ist kein Alibi! Wir dürfen uns nicht hinter der regionalen, nationalen oder weltpolitischen Situation, den Kriegen, dem ausufernden, zügellosen Individualismus verschanzen, alles Dinge, die in jedem Fall schwere Auswirkungen auf die Einzelnen, auf die Schwachen, auch auf die öffentliche Gesundheit haben. Die Betroffenen haben ein Recht darauf, in der besonderen Lebensphase ihrer Krankheit im Mittelpunkt zu stehen und von öffentlicher Seite alle nur erdenkliche Unterstützung zu erfahren. Aber das reicht nicht aus, es braucht mehr als das und für dieses Mehr braucht es Vereine wie die Krebshilfe, braucht es Ehrenamtliche.
v.l.n.r.: Paul Oberarzbacher, Ida Schacher, Maria Claudia Bertagnolli, Margereth Aberham, Roberta Melosi für Oskar Asam, Nives Fabbian, Helga Schönthaler

Aktuell

Wissen rettet Leben

Die traditionelle Pressekonferenz der Südtiroler Krebshilfe zum Weltkrebstag


Geballte Information, kurz und verständlich aufbereitet. Die Pressekonferenz der Südtiroler Krebshilfe anlässlich des Weltkrebstages ist alle Jahre wieder ein wichtiges Date für die Medienvertreter. Welche Vor- und Nachteile bringt ein intensiviertes Früherkennungsprogramm für Brustkrebs bei Trägerinnen der BRCA-Mutationen? Welche Aufgabe übernimmt der neue Dienst des IRTS (Innovation, Research and Teaching Service) innerhalb des Südtiroler Sanitätsbetriebes? Und wie jedes Jahr die neuesten Zahlen des Südtiroler Tumorregisters. Es referierten die Onkologin, Dr.in Eva Regina Haspinger, der Primar des IRTS, Dr. Michael Mian sowie Dr. Guido Mazzoleni. Der Weltkrebstag stand auch in diesem Jahr weltweit wieder unter dem Motto: „Close the care gap - Versorgungslücken schließen“.
Eine Tatsache ist leider immer noch fester Bestandteil jedes Weltkrebstages, betonte die Landesvorsitzende der SKH, Ida Schacher, in ihrer Begrüßungsrede: „40 Prozent der Krebserkrankungen könnten vermieden werden, wenn man sich an einige wenige Regeln hält: Nicht rauchen, wenig Alkohol, eine ausgeglichene Ernährung, kein Übergewicht sowie regelmäßige Bewegung und ausreichender Sonnenschutz.“ Kein Kunststück, sondern nur ein vernünftiger Lebensstil. Ein weiterer Eckpfeiler der Gesundheitspolitik sind die regelmäßigen Screenings. Die meisten Krebserkrankungen sind bei Früherkennung heilbar. „Es sind leider immer noch zu wenig SüdtirolerInnen, die sich dieses Potential zu Nutze machen“, beklagte Ida Schacher. „Ob als Betroffene oder Angehörige: Das Thema Krebs betrifft jeden von uns. Als Südtiroler Krebshilfe ist es uns daher wichtig, auf die verschiedenen Aspekte, neue Erkenntnisse sowie Entwicklungen in Südtirol hinzuweisen.“
Dr.in Eva Haspinger
Das intensive Früherkennungsprogramm bei BRCA 1 und 2 Mutation
Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung der Frau, weltweit und auch in Südtirol. Jede Frau hat ein Risiko von 12% an diesem Krebs zu erkranken. Bei Frauen mit einer BRCA1 oder BRCA2 Mutation liegt es bei 60 -70%. Das Risiko an Eierstockkrebs zu erkranken, beträgt bei genmutierten Frauen 40%, ansonsten liegt es bei 1 – 2%. Aus diesem Grund, unterstrich Dr.in Eva Haspinger, Onkologin am Krankenhaus Bozen, „ist es so wichtig, bei einer Häufung von Krebserkrankungen in der Familie, einen Gentest durchführen zu lassen.“ Das Wissen um eine Mutation ist eine Belastung, deshalb werden die Personen, die einen Gentest vornehmen lassen, immer auch psychologisch begleitet, aber: Wissen rettet Leben. „Dieser Test ist eine Chance!“

Seit vergangenem Jahr gibt es am Krankenhaus Bozen ein Ambulatorium, das Menschen mit BRCA 1 und 2 Mutation betreut. Der Zugang zu diesem Ambulatorium erfolgt über den Dienst für Genetik. Das BRCA Gen, erklärte Haspinger, ist ein Reparatur-Gen, das Funktionsstörungen der Zelle erkennt und behebt. Ist das Gen defekt, kann es dieser Funktion nicht mehr nachkommen. Bekannt ist dieses Gen, dessen Mutation sowohl vererbbar als auch spontan sein kann, seit dem Jahr 1994. Genmutierte Frauen sind einem intensivierten Vorsorgeprogramm unterzogen, dessen Organisation das BRCA-Ambulatorium übernommen hat. Zu den angebotenen Vorsorgemaßnahmen gehören auch die prophylaktische Entfernung der Eierstöcke sowie die prophylaktische beidseitige Mastektomie. Von größter Bedeutung, betonte Dr.in Haspinger, ist in diesem Programm die psychologische Betreuung der genmutierten Frauen.
Primar Dr. Michael Mian
Das IRTS und seine Rolle
Innovation, Forschung und Lehre sind seit jeher Eckpfeiler der Medizin und stellen die Grundlage für eine optimale Versorgung von Patientinnen und Patienten dar. Durch die wegweisenden Fortschritte in der Forschung eröffnen sich immer wieder neue diagnostische und therapeutische Möglichkeiten. Das Ziel des neuen Dienstes für Innovation, Forschung und Lehre (IRTS) des Südtiroler Sanitätsbetriebes ist es, dem Gesundheitspersonal neue Chancen in den Bereichen Forschung und Innovation zu bieten sowie Interessierten den Zugang zu einer qualifizierten medizinischen Ausbildung zu erleichtern. Im Bereich Innovation und Forschung ist das IRTS nicht zuletzt auch Bindeglied zwischen Wirtschaft und Industrie auf der einen Seite und Forschung auf der anderen. Professor Dr. Michael Mian, Primar des IRTS, erläuterte die Rolle und Aufgaben des IRTS und seine Bedeutung im Bereich der Krebsbekämpfung in Südtirol. Das IRTS ist seit seiner Gründung auch zuständig für das Tumorregister, Dr. Mian ist Nachfolger von Dr. Guido Mazzoleni, als Direktor des Tumorregisters.

In den kommenden Jahren soll die Arbeit des Tumorregisters potenziert und den Regeln des nationalen Tumorregisters angepasst, die Erfassung der Daten soll beschleunigt werden. Aktuell liegen die Daten von 2021/ 2022 vor.
Dr. Guido Mazzoleni
Statistik der Krebserkrankungen in Südtirol
Er ist seit letztem Jahr in Pension, aber Dr. Guido Mazzoleni, ehemaliger Primar der Abteilung für Pathologie und Direktor des Südtiroler Tumorregisters, ist weiterhin als Volontär am Tumorregister tätig. Der Präsident des Ärztebeirats der Südtiroler Krebshilfe beleuchtete wie jedes Jahr die Situation der Krebserkrankungen in Südtirol. Ein falscher Lebensstil ist nach wie vor Risikofaktor Nummer 1, betonte Dr. Mazzoleni. "Ich bin mir bewusst, dass wir uns immer wiederholen, aber es ist einfach so: Zuwenig Bewegung, ungesunde Ernährung, Übergewicht, übermäßiger Alkoholkonsum und Rauchen. Der Lebensstil gilt als Hauptursache für das Auftreten zahlreicher Krebserkrankungen und gilt bei zwei von drei Neuerkrankungen als Risikofaktor." Im Vergleich zum Rest Italiens, sind die Südtiroler bei zwei wichtigen Risikofaktoren virtuose Spitzenreiter. Sie rauchen wenig und sie bewegen sich viel! "Was den Alkoholkonsum betrifft", so Mazzoleni, "ist unser Land allerdings Schlusslicht zusammen mit dem Trentino und Julisch Friaul Venetien."

Im Jahr 2022 haben in Südtirol an der Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs sowie Brustkrebs jeweils 52% der eingeladenen Frauen teilgenommen (wobei hier die Frauen, die diese Untersuchungen privat vornehmen lassen nicht eingerechnet sind), der Einladung zum Darmkrebs-Screening, das Mazzoleni als Lebensretter bezeichnete, haben nur 31% der eingeladenen Personen Folge geleistet.
Häufigkeit und Arten von Krebserkrankungen in Südtirol
Durchschnittlich erkrankten jährlich 2.968 SüdtirolerInnen neu an Krebs (Zeitraum 2015-2019), mit Ausnahme von Hauttumoren ohne Melanome, davon 1.642 Männern und 1.326 Frauen. Bei den Männern zählt der Prostatakrebs zu den häufigsten Krebsarten (25% aller Fälle), gefolgt von Darmkrebs mit 11%, Blasenkrebs (10%) und Lungenkrebs (10%) und Hautmelanomen. Frauen erkrankten hauptsächlich an Brustkrebs (29%), gefolgt von Darmkrebs (10%) und Lungenkrebs (7%), Hautmelanomen und Gebärmutterkrebs. „Im Allgemeinen ist die Anzahl der Neuerkrankungen bei beiden Geschlechtern relativ stabil geblieben. Auf Grundlage der Bevölkerungsstruktur 2023 erwarten wir wiederum schätzungsweise 1.800 Neuerkrankungen bei den Männern und 1.400 Neuerkrankungen bei den Frauen“, so Dr. Guido Mazzoleni. Die neuesten verfügbaren Mortalitätsdaten (2018-2022) zeigten, dass in Südtirol im Durchschnitt 1.197 Personen jährlich an einer Krebserkrankung sterben. Der Anteil der Männer liegt dabei mit 646 Personen etwas höher war als jener der Frauen (551 Personen). Die positive Nachricht: Immer häufiger führt eine Krebserkrankung nicht zum Tod. Durchschnittlich sind 59% der Männer und 65% der Frauen fünf Jahre nach der Diagnose noch am Leben. Bei Prostata- und Brustkrebs liegt die Überlebensrate bei weit über 90%!

In diesem Zusammenhang hat Mazzoleni im Rahmen der SKH-Pressekonferenz das neue Gesetz über das „Recht auf Vergessen“ (Diritto all´obblio) angesprochen, das im Dezember 2023 verabschiedet worden ist. Demnach gelten ehemalige KrebspatientInnen 10 Jahre nach Abschluss der Behandlungen als geheilt, sofern in diesem Zeitraum kein Rückfall auftritt. Anfragen nach Informationen über eine frühere onkologische Krankengeschichte, z.B. durch Versicherungen oder Banken, sind nach Ablauf dieses Zeitraumesuntersagt. Bei einer Krebsdiagnose vor dem 21. Lebensjahr, wird diese Frist auf 5 Jahre verkürzt. Darüber hinaus schützt das Gesetz die Rechte geheilter Personen in Bezug auf Adoption, Zugang zur Arbeitswelt und berufliche Bildung sowie die Teilnahme an öffentlichen und privaten Wettbewerben.