Aktuell

Der Raum der Stille

Rückzugsort inmitten des Krankenhausbetriebs – für PatientInnen,
Angehörige und Mitarbeitende
FOTO: Othmar Seehauser
Groß ist er eigentlich nicht. Der erste Eindruck ist Leere, abgesehen von den Bänken entlang der Wand, einigen Hockern und einem Wandregal sowie zwei großen, handgetöpferten Bodenvasen. Leere und Stille. Auf eine seltsam erfüllende und nicht bedrückende Art und Weise. Der Raum der Stille im neuen Trakt des Krankenhauses Bozen.
Bozner Krankenhaus, neuer Trakt, zweiter Stock, 15 Uhr. Wenn der Aufzug sich öffnet und man den Gang betritt, empfängt einen Stille. Ein großer Kontrast zum geschäftigen und geräuschvollen, zeitweise fast hektischen Treiben im Erdgeschoss und im dritten Obergeschoss, wo wir fälschlicherweise zuerst hingeschickt worden sind. Hier im zweiten Stock befinden sich die Intensivstation und der OP-Trakt. Ab und zu trifft eine Gruppe von ÄrztInnen und PflegerInnen hier draußen zusammen. Tauschen sich aus. Eine Tür öffnet sich und ein Patient wird im Bett aus dem OP-Saal gerollt. Ansonsten ist der Gang menschenleer. Und bis auf ein unbestimmbares Rauschen, das von unten durch den offenen Mittelteil heraufströmt, ist es still.
Der Raum der Stille hätte keinen besseren Ort finden können. Wer um einen Angehörigen in einem der beiden Trakte bangt, aber auch wer hier arbeitet, um Menschenleben kämpft, wer einen Verlust, eine Diagnose verarbeiten muss, kann im Raum der Stille Zuflucht finden. Wirkliche Stille, abgeschirmt vom Krankenhausbetrieb. Ein Raum, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Um zur Ruhe zu kommen. Um einen Dank auszusprechen, Erleichterung oder aber, um sich ungestört seiner Verzweiflung oder Trauer hinzugeben. Um ein Gebet zu richten, an wen auch immer. Die Stille kennt keine konfessionellen Grenzen, sie dient allen. Oder einfach nur, um Stille einwirken zu lassen auf das Chaos, die Wogen im Inneren zu glätten. Zur Ruhe kommen.
Ein langgehegter Wunsch dieser Raum, der mit seinen sanften Erdfarben, der geschwungenen Form der der Eingangstür gegenüberliegenden Wand, die von einem Oberlicht indirekt beleuchtet wird, einlädt. Sanfte Farben, sanfte Formen. Erdfarben auch der Boden, ein Kontrast zum weißgesprenkelten Blau des Krankenhausbodens. Hier herrscht Harmonie. Alle Sinne, nicht nur das Gehör, können hier zu Ruhe kommen. Renate Torggler, bis Mai Leiterin der Krankenhausseelsorge, konnte dieses von ihr so lange gewünschte Projekt gerade noch eröffnen, bevor sie in den Ruhestand getreten ist. Ihre Ansprechpartner waren die Mitglieder des Gartens der Religionen, die in der Künstlerin und Theologin Mirijam Heiler die Person ausgemacht haben, die diesen Raum mit lebendiger Stille füllen, ihn gestalten sollte.
„Es war schon lange unser Ziel, einen Raum für alle Menschen zu bekommen, unabhängig davon, ob sie religiös sind oder nicht und welcher Religion sie angehören. Ein Raum zum sich zurückziehen“, erklärt Renate Torggler. Auch die Krankenhausseelsorge sei schließlich für alle da, betont sie. „Wir stellen uns als katholische Seelsorger vor, bieten unsere Hilfe aber allen an, unabhängig welcher Konfession sie angehören, ob sie Agnostiker oder Atheisten sind. Und die Menschen“, unterstreicht Renate Torggler, „sind frei! Wer nicht mit uns reden möchte, kann uns wegschicken!“
Im Bozner Krankenhaus gehören der Krankenhausseelsorge acht Mitarbeiter an: acht Seelsorgerinnen, Frauen mit einem abgeschlossenen Theologiestudium. Sie haben die Abteilungen unter sich aufgeteilt und sind, wie auch in den Krankenhäusern Meran und Brixen, in einen 24 Stunden-Dienst eingeteilt. „Wir sind immer abrufbereit, begleiten die Menschen im besten Fall auf dem Weg der Besserung, aber auch durch Schmerz, Trauer oder auf ihrem letzten Weg.“ Um für ihre verantwortungsvolle und fordernde Arbeit gerüstet zu sein, treffen die Krankenhaus-SeelsorgerInnen mehrmals im Jahr zu einer gemeinsamen Supervision zusammen.
Was sind für Renate Torggler die Voraussetzungen, um in der Krankenhausseelsorge arbeiten zu können? „Eine gute Basis ist gefestigt im Glauben sein, die Hoffnung, dass Menschen zu neuem Lebensmut finden und wir ihnen dabei zur Seite stehen können und viel Gottvertrauen!“ Und, was ihr sehr wichtig ist zu vermitteln: „Wir investieren sehr viel Energie in unsere Arbeit, aber wir bekommen auch sehr viel zurück. Von den Menschen und von Gott.“
Als die mit der Gestaltung beauftragte Künstlerin Mirijam Heiler den Raum, der zum Raum der Stille werden sollte, das erste Mal betrat, hatte sie das Gefühl von „clean“, zu „clean“. Der blaue Boden, die sterilen Wände… „Ich habe unmittelbar das Bedürfnis nach Erde gespürt, nach Erde und nach Naturfarben.“ Herangegangen ist sie an ihre Aufgabe mit der Fragestellung „Was würde ich brauchen oder suchen, in einem Rückzugsraum?“ Ganz spontan fiel ihr, die im Nebenstudium Theologie studiert hat, Taizé ein, die ökumenische Bruderschaft, die nahe dem ostfranzösischen Cluny jedes Jahr ein europäisches Jugendtreffen organisiert. Offen für alle. Begegnungen zwischen den Nationen und zwischen den Konfessionen, im Zeichen des Vertrauens und des Friedens. „Ich wollte das Gefühl, das ich bei den Begegnungen in Taizé empfunden habe, in diesen Raum transportieren.“
Es stand für sie sofort fest, dass der Raum grundsätzlich leer sein sollte, bereit die Gedanken und Sorgen, Hoffnungen und Gebete der Menschen aufzunehmen, die dort einen Rückzugsort suchen. „Nicht der Raum soll mich füllen, sondern ich den Raum!“ Die Erdfarbe, eine abgerundete Wand, auf die Licht von oben fällt, Symbol für ein sich wendendes Blatt – ein Zeichen der Hoffnung, der Wende, des Weitergehens, der Zuversicht und des Muts. Zwei mit Wasser gefüllte Tongefäße (gefertigt in der Werkstatt des psychiatrischen Reha-Zentrums). Die Regalwand am Eingang des Raumes ist noch leer und bereit, Symbole aufzunehmen, die die Angehörigen der verschiedenen Religionen vielleicht dort deponieren möchten.
Für die Verwirklichung ihres künstlerischen Projekts hat sich Mirijam Heiler intensiv mit den Seelsorgerinnen und den Mitgliedern des Gartens der Religionen auseinandergesetzt. „Der Raum hat auch die ideale Größe, mehr als fünf Menschen finden dort nicht Platz. Er ist nicht zu klein, aber auch nicht so groß, dass man sich verloren vorkommt, selbst wenn man ihn alleine betritt.“
Die Krankenhausseelsorgerinnen nutzen ihn sehr gerne für Gespräche und auch die Mitarbeiter des Krankenhauses schätzen es, sich bei Bedarf in die aufnehmende Stille zurückziehen zu können, die auch nicht von Meditationsmusik gestört werden soll. Die Außenwand des Eingangs des Raums lädt mit Schriftzeichen in mehr als zwanzig Sprachen zum Eintreten ein. Ein Raum für alle.
Raum der Stille
Stanza del Silenzio
Spazi dal Silens
Salle de Silence
Camera tācerii
Room of Silence
Dhomë e Heshtjes

Aktuell

Ein Netzwerk, das dich trägt

Die Landesversammlung 2024 der SKH – Wechsel an der Spitze
FOTO: Othmar Seehauser
Ein Abschied und zwei new Entries, Maria Claudia Bertagnolli übernimmt den Vorsitz der SKH von Ida Schacher, der neue Landesrat für Gesundheitsvorsorge und Gesundheit, Dr. Hubert Messner, hat es sich nicht nehmen lassen, an der Landesversammlung teilzunehmen. Fast zehntausend Mitglieder, zahlreiche Dienstleistungen für Betroffene, von Lymphdrainage über finanzielle Soforthilfen bis zu einem reichen Kursangebot, ein in über 40 Jahren dichtgewebtes Netzwerk, das die Betroffenen trägt.
Sie war sehr gerührt, Ida Schacher, die am 13. April in Bozen ihre letzte Landesversammlung eröffnet hat. Zehn Jahre war sie Landespräsidentin. Zehn sehr intensive Jahre, die ihr viel abgefordert und viel gegeben haben. Jahre, in denen sie aktiv die vielen Entwicklungen mitverfolgen und zum Teil auch mit beeinflussen konnte, die dem Wort Krebs einiges von seinem Schrecken nehmen konnten. Im Mittelpunkt standen und stehen – sie wird Stellvertreterin ihrer Nachfolgerin sein und ist weiterhin Vorsitzende des Oberpustertales – für sie die Menschen. Ein Wort, ein Händedruck und alles darum herum, was die Krebshilfe im psycho-sozio-sanitären Bereich anbietet. Kurse, Lymphdrainage, Ausflüge, Vorträge, Veranstaltungen, Konzerte, Spendensammlungen… Möglich gemacht wird dieses dichte Netz auch von den 567 ehrenamtlichen Mitarbeitern und den 22 Angestellten.
Die neue Landesvorsitzende Maria Claudia Bertagnolli, die in der ersten Sitzung des Zentralvorstandes nach der Landesversammlung bestätigt wurde, würdigte in ihrer kurzen, in beiden Landessprachen gehaltenen Vorstellungsrede die Arbeit ihrer Vorgängerin. Auch für sie stehen die Betroffenen mit ihren Bedürfnissen im Vordergrund, es wird ihr Bestreben sein, das Miteinander zwischen den einzelnen Bezirken auszubauen sowie die Zusammenarbeit mit der Landesregierung und auch den anderen Vereinigungen, die ähnliche Ziele wie die Krebshilfe vertreten, nach dem Motto, gemeinsam können wir noch besser helfen.
Der neue Landesrat für Gesundheitsvorsorge und Gesundheit, Dr. Hubert Messner, war zur Versammlung gekommen, um den Mitgliedern der Krebshilfe höchstpersönlich zu versichern, dass er ein offenes Ohr haben und ein aufmerksamer Ansprechpartner sein werde. „Neben der medizinischen Betreuung braucht es auch das, was sie den Menschen geben können, in dieser Situation der Angst, Trauer und Wut, nämlich Verständnis, Kraft und Zuversicht.“ Der Name des Assessorates wurde auf sein Betreiben hin geändert.
Der Tätigkeitsbericht war in diesem Jahr Luise Vieider anvertraut, die schon mehrmals als Couch durch die Klausurtagung des Zentralvorstands geführt hat. In Kürze einige Daten. 2.482 Mitglieder haben 2023 Dienstleistungen genutzt. Davon 553 Patienten, die insgesamt 7.345 Stunden Lymphdrainage in Anspruch genommen haben. 98 Mitglieder haben 542 Stunden APEO Behandlungen für Hände, Füße und neuerdings auch Gesicht erhalten. Betroffene, die vor der Chemotherapie Eizellen oder Samenzellen entnehmen und einfrieren lassen wollten, wurden finanziell unterstützt, ebenso wie 505 Familien mit insgesamt 206.884,49 Euro aus dem Hilfsfonds, weitere 21 Familien mit 57.650 Euro über die Initiative Südtirol hilft. Dank der Mitgliedsbeiträge, Spendenaktionen und Benefizveranstaltungen kann sich die Krebshilfe zu 49 Prozent selbst finanzieren, 51 Prozent der Spesen trägt das Land Südtirol, inklusive der Therapiekosten. Am Landesausflug 2023 nach Meran haben 190 Mitglieder teilgenommen. Veranstaltungen wie der Rosenverkauf (bzw. in Meran Geranien und im Pustertal Kräutersträußchen), Infostände und Veranstaltungen wie der Pustertaler Benefizlauf, helfen der Krebshilfe nicht nur finanziell, sondern sind auch eine gute Möglichkeit, um über die Aktivitäten der Vereinigung zu informieren, bzw. um auf die Wichtigkeit der Vorsorge hinzuweisen. Die Pressekonferenz der Krebshilfe zum Weltkrebstag am 4. Februar ist jedes Jahr ein willkommener Pressetreff. Die kleinen Pausen der Veranstaltung wurden musikalisch vom Sing-Ensemble Yesterday aus Niederdorf begleitet.
Wie gewohnt wurde der Krebshilfe von der Rechnungsprüferkommission unter Giuseppe Paulato eine einwandfreie und vorbildliche Geschäftsführung bestätigt, die Landesversammlung klang mit einem Empfang aus, bei dem es Gelegenheit zum Wiedersehen und zu angeregten Gesprächen gab.