Aktuell

Ein anderes Weihnachten?

Foto: Othmar Seehauser
Weihnachten. Ein Fest für alle? Ein Fest der Liebe? In erster Linie wohl ein Fest für alle Christen, die an diesem Tag die Geburt Jesu Christus feiern. Unabhängig vom Glauben aber auch ein Fest der Familie. Ein Fest des Wiedersehens, der Freude, des sich Beschenkens. Was am Anfang dieses symbolischen Datums 24. Dezember stand (das sich aus der heidnischen Sonnwendfeier ableitet), nämlich ein bescheidener Stall und eine mit Stroh gefüllte Krippe, davon ist heute nicht mehr viel geblieben. In vielen Teilen der Welt ist Weihnachten zu einem exzessiven Konsumspektakel ausgeartet. Es glitzert und tönt um die Wette. Lichterketten und Werbetafeln, Schaufenster in Rot und Grün und Gold und das oft schon ab Ende Oktober. Sehr organisierte Menschen haben längst ihren Weihnachtsgeschenke-Kauf geplant, andere werden in den letzten Tagen vor dem 24. Dezember Opfer des Weihnachtsstresses. Was kaufe ich wem? Wieviel muss ich ausgeben pro Geschenk?
Fragen, die mit dem ursprünglichen Sinn dieses Festes nichts mehr gemein haben. Was ist die Botschaft des Weihnachtsfests in einer Zeit nicht endender Kriege, angesichts von schutzlos ausgelieferter Zivilbevölkerung, angesichts von Menschen, die alles verloren haben, Menschen auf der Flucht, an deren Ende zu oft ein kaltes Grab am Meeresgrund steht, angesichts von Zerstörung? In einer Zeit, in der das Schicksal unseres Planeten definitiv besiegelt scheint, ohne dass konsequent effiziente und weitreichende Maßnahmen getroffen werden? Könnte das die Botschaft dieses Festes sein? Sich auf die Ursprünge, auf die Essenz des Miteinanders besinnen? Sich fragen, wer an diesem Tag unseren Beistand, unsere Hilfe braucht? Im nächsten Umkreis und auch weit entfernt. Wer ist allein, ausgegrenzt? Wer befindet sich in einer Situation der Not? Wer ist krank und braucht Unterstützung, menschliche Nähe und Wärme. Aber auch, wo und wie kann ich Stellung beziehen, Anteil nehmen, Engagement zeigen?
Und am Weihnachtstag selbst? In unserer Stress bestimmten Zeit, inmitten all dieser Bilder von Zerstörung und Not, die uns oft gar nicht mehr erreichen, angesichts von angekündigten und bereits tatsächlichen Katastrophen fällt es schwer, zu Momenten der Besinnlichkeit zu finden. Aber nicht nur Kinder, Bedürftige und Kranke, wir alle, brauchen gerade auch dieses. Momente der Besinnlichkeit. Des Innehaltens. Der Tradition. Des Lichts. Des unbeschwerten Beisammenseins. Der Hoffnung. Vielleicht ist das das schönste Geschenk, das wir uns in diesem Jahr an diesem Tag machen können: Zusammensein in familiärer Wärme und Unbeschwertheit. Einen Tag versuchen, sich auszuklinken aus all den täglichen Dramen. Einen Tag sich ganz einander zu widmen. Nur einen Tag. Einen Tag Weihnachten leben. Und sich etwas von dieser Wärme und diesem Licht mit in den Alltag nehmen und an andere weiterreichen.
Ich wünsche Ihnen allen Besinnlichkeit, Wärme und Licht
Nicole Dominique Steiner

Aktuell

Das ist nicht der Josef, den ich kenne…

Josef Mayr: Schleichend wurde alles anders und grau in grau – Diagnose Meningeom
FOTO: Othmar Seehauser
Achtundzwanzig Jahre, ein aktives, beruflich und privat ausgefülltes Leben, aber zunehmend wird alles anders. Immer häufiger krank, keine Lust mehr zu nichts, ein Dunkel-Grau-Schleier und große Zweifel, die Arbeit meist nur mehr eine Last. Das war das Jahr 2022/2023 für Josef Mayr. Bis zum 10. November…
Josef Mayr war eigentlich nie krank gewesen, aber ab Mitte 2022 hatte er einen Infekt nach dem anderen. Nebenhöhlenentzündungen. Erkältungen. Fieber. Antibiotika. Als seine Schwester Katharina aufgrund der Vorbereitungen für ihre Hochzeit beim Arbeiten etwas kürzer trat, empfand er diese zusätzliche Belastung als enormen Stress. Der sonst immer positiv eingestellte 28jährige mit dem fröhlichen Naturell verlor nach und nach die Freude an allem, empfand auch die Arbeit im Familien-Weingut Erbhof Unterganzner immer belastender, teilte sich in seinem Freundeskreis weniger mit und auch die Musik, die seit seiner Kindheit eine wichtige Rolle in seinem Leben spielte, das Trompetenspiel, erfüllte ihn nicht mehr wie zuvor. Er wurde sich selbst fremd.
Nach einer starken Erkältung im März 2023 war plötzlich sein Geruchssinn weg. Blieb weg. Eine Katastrophe für einen Kellermeister und Winzer! Mehrere Arztbesuche blieben ohne Ergebnis und als der HNO-Arzt ihm aufgrund des anhaltenden Verlusts des Geruchssinnes anriet, Beruf zu wechseln, versank Josef Mayr endgültig in eine Depression. Zweifel an allem. Alles überforderte ihn, erinnert er sich. So sehr, dass er fast seine eigene Hochzeit im Juli 2023 abgesagt hätte. Die Liebe und der Zuspruch seiner Frau Franka gaben ihm Halt. „Das ist nicht der Josef, den ich kenne“, sagte sie sich damals. Was er als Angst vor dem großen Tag interpretiert, hält aber auch nach dem Fest noch an. Er findet den ihm bekannten Josef Mayr, sein eigenes Ich nicht mehr, findet trotz aller Versuche nicht aus dem Loch heraus, das ihn zu verschlingen scheint, versinkt immer tiefer, ist von extremen Selbstzweifeln geplagt, fühlt sich seinem Alltag nicht mehr gewachsen. Der Zusammenhalt seiner Familie, immer wieder reden, sich angenommen fühlen, helfen ihm über die Tage. Er fühlt sich wie Sisyphos, der immer wieder von neuem den schweren Stein auf den Berg rollen muss. Am letzten Tag der Weinernte, am 8. November 2023, ist er völlig verausgabt. Am 10. November, einem Freitag, sieht er bei der Musikprobe plötzlich die Noten doppelt. Er beschließt, am nächsten Morgen in die Erste Hilfe des Bozner Krankenhauses zu gehen. Und das ist der Neubeginn seines Lebens.
Nach der Visite geht alles sehr schnell. Ein Strudel der Ereignisse. Erste Untersuchungen ergeben einen zu starken Druck der Gehirnflüssigkeit. Eine Computerresonanz zeigt, woran es liegt. Der 28jährige hat ein Meningeom, einen Hirnhauttumor von der Größe eines Apfels. Er ist es, der durch Druck auf das Vorhirn den Verlust des Geruchssinnes verursacht hat, er ist es, der die Gemütsveränderungen hervorgerufen und zu einer Schwächung des Immunsystems geführt hat. Schnelles Handeln ist angesagt. Eine Operation am Gehirn ist eine äußerst delikate Angelegenheit. Josef Mayr bespricht sich mit Frau und Familie und beschließt, sich den Ärzten in Bozen anzuvertrauen. In der Nacht von Samstag auf Sonntag kehrt er ins Krankenhaus zurück, wird in der Neurologie aufgenommen. Er sagt ja zu allem. Eine Magnetresonanz stellt die genaue Lage des Tumors dar.
Am darauffolgenden Donnerstag, 16. November – die Daten sind für ihn wie in Stein gemeißelt – wird Josef Mayr von den Neurochirurgen Primar Dr. Andreas Schwarz und Vizeprimar Dr. Massimo Tripodi operiert. Sie können das Gewächs von 8,8 x 7,2 cm in einer achtstündigen Operation rückstandslos entfernen, ohne das Gehirn in Mitleidenschaft zu ziehen. Es handelt sich um ein atypisches Meningeom: WHO-Grad-II-Meningeome haben ein erhöhtes Wachstumspotential und neigen dazu, das umgebende Gewebe zu infiltrieren. Sie können nachwachsen, aber es handelt sich nicht um einen bösartigen Tumor, d. h. das Meningeom streut nicht und kann keine Metastasen verursachen. Josef Mayr hat Glück. Der Tumor ist zwar schon sehr groß, aber er hat noch nicht das umgebende Gehirngewebe infiltriert.
„Schon am ersten Tag nach der Operation erschien mir die Welt plötzlich wieder in Farben, als ob mit dem Druck in meinem Kopf auch alles Dunkle entfernt worden sei“, erinnert Josef sich. Nach einer Woche kommt er nach Hause, nach weiteren acht Wochen kann er seine Arbeit am Weingut langsam wieder aufnehmen, er findet Schritt für Schritt seine Kräfte wieder, zusammen mit der ihm verloren gegangenen Freude an seiner intensiven und anstrengenden Arbeit. Im nächsten Jahr wird er den Unterganzner Hof (in der 11. Generation) von seinem Vater Josephus übernehmen, aber Kellermeister und damit verantwortlich für die gesamte Weinproduktion ist er schon seit sechs Jahren.
Heute, ein Jahr später, steht Josef wieder ganz in seinem Leben und auch der Geruchssinn ist dabei wiederzukommen. Noch nicht ganz perfekt, aber er ist zuversichtlich. Heute kann er über diese dunkle Zeit offen reden. Er hat gerade die Kontrolluntersuchungen hinter sich gebracht. Alles ok! Für vier Jahre zweimal im Jahr, danach einmal im Jahr und dann, nach zehn Jahren, keine Kontrollen mehr. Vergessen wird Josef diese Episode nicht. Sie hat ihm gezeigt, wie wertvoll das Leben ist, wie sehr er auf die ihm nahestehenden Menschen bauen kann. Und: Wie leicht alles aus dem Ruder laufen kann. „Meine Einstellung zum Leben hat sich geändert“, betont er. „Ich schau ein bisschen mehr auf mich.“ Auch die Musik hat ihn wieder. Seit März darf er wieder Trompete spielen, in der Musikkapelle Zwölfmalgreien, im Franziskaner Chor und in der Bigband. Und wenn er den sich rundenden Bauch seiner Frau Franka anschaut, dann ist alles nur noch Dankbarkeit und Glück. Im Januar werden sie zu dritt sein…