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Mein Leben

Der Abschiedsbrief des Neurologen und Autoren Oliver Sacks

Oliver SacksOliver Sacks

Hautkrebs und auch das Melanom haben bei Früherkennung außerordentlich gute Heilungschancen. Oliver Sacks hatte Pech, nach neun Jahren sind in seiner Leber Metastasen aufgetreten. Sein am 19. Februar in der New York Times veröffentlichter berührender Abschiedsbrief hat die Runde um die Welt gemacht. Das Grundgefühl des 81jährigen ist Dankbarkeit für ein erfülltes Leben.
Bekannt geworden ist Oliver Sacks durch den 1973 erschienenen Roman "Zeit des Erwachens", in dem er seine Erfahrungen mit Patienten beschreibt, die an der sogenannten Europäischen Schlafkrankheit litten. Das Buch wurde 1990 mit Robert de Niro und Robin Williams in den Hauptrollen verfilmt. „Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“ ist ein weiterer Besteller von Sacks. Er hat es verstanden wissenschaftliche Themen in allgemeinverständliche Sachbücher zu verpacken.
Aus seinem Brief spricht nicht Resignation, sondern Abgeklärtheit und Dankbarkeit für ein erfülltes Leben, dessen Ende er gefasst und abgeklärt entgegensieht.
„Vor einem Monat fühlte ich mich mit meinen 81 Jahren gesund und fit, schwamm jeden Tag mehr als einen Kilometer. Dann kam die Diagnose: Metastasen in der Leber. Vor neun Jahren hatte ich eine seltene Form von Melanom am Auge. Der Tumor wurde problemlos entfernt, ich blieb auf dem Auge blind. Eine an sich harmlose Krebsform, ich gehöre aber zu den zwei Prozent, bei denen es weitergeht.
Ich bin dankbar, dass ich seit der ersten Dia­gnose neun gesunde und beschwerdefreie Jahre geschenkt bekommen habe. Neun sehr produktive und erfolgreiche Jahre. Nun wuchert der Krebs in meiner Leber, sein Wachsen kann möglicherweise gebremst werden, Heilung wird es keine geben.

Ich habe beschlossen, in der mir verbleibenden Zeit so intensiv und bewusst wie möglich zu leben und zu arbeiten. Mein Vorbild ist David Hume, einer meiner Lieblings-Philosophen. Als er im April 1776 im Alter von 65 Jahren erfuhr, dass er nicht mehr lange zu leben habe, schrieb er an einem einzigen Tag seine Lebensgeschichte. „Meine Krankheit hat mir kaum Leiden verursacht und ich muss sagen, dass ich trotz des raschen körperlichen Verfalls, keinen Augenblick der Verzweiflung durchlebt habe. Ich gehe mit derselben Leidenschaft wie immer meinen Studien nach und bin in Gesellschaft heiter wie immer“, schreibt Hume.Ich hatte das Glück mehr als achtzig Jahre leben zu dürfen und die fünfzehn Jahre, die ich Hume voraus habe, habe ich mit Arbeit und mit Liebe gefüllt. Fünf Bücher habe ich in dieser Zeit veröffentlicht, meine Biographie geschrieben … Ein paar andere Buchprojekte stehen vor dem Abschluss.…
Eine Zeile von Hume’s Essay berührt mich in besonderem Maße, weil sie genau das ausdrückt, was ich fühle: “Man kann kaum mehr am Leben hängen als ich in diesem Augenblick“, schreibt er.

Ich fühle mich lebendiger denn je und ich wünsche mir und hoffe, dass ich in der Zeit, die mir bleibt, meine Freundschaften noch vertiefen kann, dass ich mich von den Dingen, die mir lieb sind, verabschieden kann, dass ich weiter schreiben, reisen und neue Dinge kennenlernen kann.
Ich werde mutig, klar und offen sein, mich noch fester mit der Welt verbunden fühlen. Ich werde Spaß haben und - warum nicht – mir Zeit für einige Verrücktheiten nehmen.
Es ist, als ob ich mit einem Male alles vieler klarer sähe, keinen Zweifel mehr habe. Es ist keine Zeit mehr für Unnützes. Ich konzentriere mich auf das Wesentliche, auf meine Arbeit und auf die Menschen, die mir lieb und wichtig sind. Ich verschwende meine Zeit nicht mehr mit den allabendlichen Nachrichten und ich werde mich nicht mehr mit Politik oder mit der Erwärmung der Erdoberfläche befassen.
Das hat nichts mit Gleichgültigkeit zu tun, es ist vielmehr ein Loslösen. Natürlich macht mir die Krise im Mittleren Osten Sorgen, natürlich sind mir der Klimawandel und die wachsende soziale Ungerechtigkeit nicht egal, aber diese Dinge betreffen mich nicht mehr, sie gehören der Zukunft an. Es erfüllt mich mit großer Freude, wenn ich fähigen jungen Menschen begegne – … Ich habe das beruhigende Gefühl, dass die Zukunft in guten Händen ist.
In den letzten zehn Jahren war ich oft mit dem Tod konfrontiert. Die Zeit meiner Generation ist am Ablaufen, und jeden Todesfall in meinem Umkreis habe ich als Verlust empfunden … Wenn wir gehen, bleibt eine Lücke, niemand ist gleich wie der andere. Man kann Menschen nicht ersetzen. Nie. … Es ist das genetische und neurologische Schicksal von jedem von uns, einzigartig zu sein, unseren eigenen Weg zu finden, unser eigenes Leben und unseren eigenen Tod zu leben.
Sicher gibt es auch Augenblicke der Angst. Aber das vorherrschende Gefühl ist Dankbarkeit. Ich habe geliebt und bin geliebt worden. Ich habe viel bekommen und ich konnte viel geben, ich habe gelesen und geschrieben, ich bin viel gereist … Die Tatsache auf unserem wunderschönen Planeten zu leben, zu fühlen und zu denken sehe ich als ein großes Privileg an, ein einzigartiges Abenteuer.“

Aktuell

Vom Krebs geheilt

Langzeitstudie der italienischen Tumorregister – Erfreuliche Aussichten

Eine Krankheit überleben oder aber geheilt sein. Bisher fiel ein Betroffener, der 15 oder 20 Jahre nach seiner Krebsdiagnose gesund ist, in die Kategorie überlebend. In einer Anfang des Jahres veröffentlichten Studie bricht die Vereinigung der italienischen Tumorregister zum ersten Mal ein Tabu und benutzt offiziell den Begriff „geheilt“.
Was auf den ersten Blick kaum mehr als ein semantisches Spiel zu sein scheint, hat – zumindest auf die Betroffenen – doch einen großen Einfluss. Geheilt ist eben doch etwas anderes als überlebend.
In der Vereinigung AIRTUM sind derzeit 40 Tumorregister in ganz Italien zusammengeschlossen. Diese decken etwa 51% des Territoriums ab, erfassen die Daten aller gemeldeten Krebspatienten und werten diese zu statistischen Zwecken aus. Ende des Jahres sollen weitere 18 Register dazukommen, damit wären 70 % Italiens abgedeckt.
Daten über Krebspatienten werden seit 1976 erfasst, als die ersten Krebsregister ihre Arbeit aufnahmen. Nun wurden zum Stichtag 1. Januar 2010 die seit 1976 von 29 Tumorregistern erfassten Daten in einer groß angelegten Studie zusammengefasst. Das erfreuliche Ergebnis: Immer mehr Menschen überleben ihre Krebsdiagnose nicht nur fünf Jahre oder neun Jahre, sondern auch 15, zwanzig Jahre und mehr. Nach Ansicht der Experten von AIRTUM, Anlass für eine Begriffsänderung: Geheilt. Zum Stichtag 1. Januar 2010 waren es laut den Tumorregistern in Italien 27 % der Krebskranken bzw. 704.648 Menschen, deren Lebenserwartung nach der Krankheit identisch mit jener von Menschen ist, die keinen Krebs hatten. Immerhin entspricht diese Zahl 1,2 Prozent der Gesamtbevölkerung Italiens.

Lang leben nach dem KrebsLang leben nach dem Krebs

Insgesamt verlängert sich die Lebenserwartung der Menschen (zumindest in Europa und in den entwickelten Ländern) zusehends. Italien liegt Statistiken gemäß mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 82,5 Jahren im Jahr 2013 weltweit (!) an dritter Stelle nach Hongkong (83,5) und Japan (83,1), in Deutschland liegt die durchschnittliche Lebenserwartung bei 81 Jahren. Mit zunehmender Lebenserwartung steigt auch die Zahl der Krebsfälle, aber es steigt auch die Anzahl der Personen, die als geheilt zu betrachten sind. Glaubt man der Studie von AIRTUM sind es pro Jahr drei Prozent mehr Personen, die nach einer Krebserkrankung als geheilt zu betrachten sind.
Patienten, denen vor dem 44. Lebensjahr ein Krebs diagnostiziert wurde, haben laut den Untersuchungen von AIRTUM eine höhere Chance auf ein Langzeitüberleben als Patienten, die bereits über 65 oder über 70 waren, als sie an Krebs erkrankten.
Grund der positiven Entwicklung ist mit Sicherheit das öffentliche Vorsorgeprogramm, das immer mehr greift und immer mehr Menschen dazu bringt, sich regelmäßig den Screenings zu unterziehen. Die sogenannte sekundäre Prävention mit PAP-Test, Mammographie, PSE-Test für die Prostata sowie die Untersuchung auf Blut im Stuhl , um Dickdarmkrebs im Frühstadium zu erkennen, trägt Früchte. Je früher ein Tumor erkannt wird, desto größer ist die Chance auf Heilung.
Hinzu kommen die neuen Tumortherapien (z. B. jene auf Molekularebene), die immer gezielter auf die Tumorzellen wirken, ohne das umliegende Gewebe zu schädigen und weniger belastend sind als die traditionelle Chemotherapie. Auch die Aufrufe zu einem verantwortlichen Lebensstil, der primären Prävention, scheinen zumindest bei einem Teil der Bevölkerung mehr und mehr zu greifen.
Mit dem Langzeitüberleben der Krebspatienten sind neue Aufgaben für das öffentliche Gesundheitssystem und auch für die Gesellschaft verbunden, aber auch Anstöße für neue Studien hinsichtlich Wiedereingliederung in die Gesellschaft und hinsichtlich Lebensqualität von ehemaligen Krebspatienten.
Ein wichtiger Teil der Arbeit der Tumorregister dient der Programmierung. Dank der über große Zeiträume erfassten Daten kann das öffentliche Gesundheitswesen, kann die Politik planen und reagieren. Nicht nur hinsichtlich von möglichen Krankheitsentwicklungen, sondern auch von Ausgaben, Bereitstellung von Dienstleistungen, Krankenhausbetten, Ärzten usw. Ehemalige Krebspatienten bedürfen spezifischer Kontrollen, aber nicht nur. Es gilt Langzeitschäden der Behandlung Rechnung zu tragen, psychologische Betreuung zu gewährleisten, die Integrierung in das Arbeitsleben zu organisieren, den allgemeinen Bedürfnissen dieser Menschen Rechnung zu tragen: Familiengründung, Rentenansprüche usw.
Noch vor dreißig Jahren kam die Diagnose Krebs einem Todesurteil gleich. Bis vor kurzem wurde diese Krankheit als chronisches Leiden gehandelt. Nun ist der erste Schritt zu hoffnungsvollen Horizonten getan, an deren Ende das Wort Heilung steht!