Thema
Bestes Gesundheitssystem Europas schaffen
Thomas Schael, Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebs im Gespräch
Er ist zielstrebig und seine Ziele sind hochgesteckt. Der Südtiroler Santitätsbetrieb stehe gut da, sagt sein neuer Generaldirektor Thomas Schael. Trotzdem gebe es noch genügend Verbesserungspotential, so müssten z. B. die vorhandenen Möglichkeiten effizienter genutzt werden und ein einheitliches Kommunikationssystem geschaffen werden. Ein optimistischer Ausblick.
Chance: Herr Schael, Sie haben Ihr neues Amt in einem, nennen wir es sehr kritischen Moment angetreten. Das Gesundheitswesen ist ein ebenso kostenintensiver wie sensibler Bereich. Ihnen fällt nicht zuletzt die Aufgabe zu, eine Reform durchzusetzen, an deren Ausarbeitung Sie nicht mitgewirkt haben.
Thomas Schael: Das stimmt so nicht. Als ich Mitte Juni meine Stelle als Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebes antrat, stand die Ausarbeitung der Reform des Gesundheitsdienstes erst am Anfang und auch jetzt ist diese noch nicht abgeschlossen. Seit Mitte des Jahres bin ich also sehr wohl in den Prozess zur Gestaltung der Gesundheitsreform „Gesundheit 2020“ eingebunden. Beschlossen wird diese dann allerdings von der Politik und mir obliegt anschließend die Umsetzung, damit haben Sie recht.
Chance: Die fetten Jahre sind vorbei. Einsparungen sind unumgänglich. Von der Gesellschaftsentwicklung her ist mit einem Anstieg der Spesen zu rechnen.
Thomas Schael arbeitet an der Umsetzung der Reform "Gesundheit 2020"
Thomas Schael: Ich weiß nicht, was Sie unter fetten Jahren verstehen, aber soweit ich das überblicken kann, ist der Südtiroler Sanitätsbetrieb im Vergleich zu jenen im restlichen Italien finanziell gut bis sehr gut ausgestattet. Es geht auch nicht darum, Einsparungen zu erzielen, sondern darum, die vorhandenen finanziellen Ressourcen so effizient wie möglich einzusetzen und damit den Südtiroler Patientinnen und Patienten die bestmögliche Gesundheitsbetreuung zu garantieren. Denn, wie Sie richtig sagen, die Zukunft hält aufgrund der demografischen Entwicklung – sprich: immer mehr ältere Menschen und chronisch Kranke – für das Gesundheitssystem einige Herausforderungen bereit. Ganz zu schweigen von den Kostensteigerungen die auf uns zukommen, sollte die Reform des Südtiroler Gesundheitswesen nicht angegangen werden. Auf all das müssen wir vorbereitet sein.
Thomas Schael: Diese Befürchtungen entbehren jedweder Grundlage. Gerade durch die eben erwähnte und angestrebte Effizienzsteigerung werden wir auch in Zukunft in der Lage seinen, jeder Südtirolerin und jedem Südtiroler die bestmögliche Gesundheitsversorgung angedeihen zu lassen.
Thomas Schael: Gerade im onkologischen Bereich konnten wir bereits in der Vergangenheit die Qualität der Betreuung und Versorgung steigern. Als Beispiele nenne ich an dieser Stelle die Einführung des Tumorboards und die kürzlich erfolgte ISO-Zertifizierung von Abteilungen innerhalb des gesamten Südtiroler Sanitätsbetriebes im ganzen Land, die in diesem Bereich tätig sind. Der nächste Schritt, der nun erfolgt, ist die klinische Zertifizierung dieser Abteilungen. Sie sehen also, dass auch diese von Ihnen angesprochene Angst, die Versorgungsqualität für Krebspatientinnen und –patienten würde sinken, nicht nur völlig unbegründet, sondern dass sogar eine Verbesserung zu erwarten ist.
Thomas Schael: Den Schwerpunkt meiner Arbeit sehe ich darin, den Transformationsprozess, in dem sich die Südtiroler Gesundheitsversorgung befindet, so zu beeinflussen und zu managen, dass der Südtiroler Sanitätsbetrieb am Ende den Südtiroler Bürgern und Bürgerinnen noch bessere und effizientere Dienste bieten kann. Ich möchte das beste Gesundheitssystem Europas schaffen.
Thomas Schael: Das Südtiroler Gesundheitswesen verfügt über eine exzellente „Hardware“, sprich, die Häuser und Einrichtungen sind sehr gut bist ausgezeichnet ausgestattet und darin arbeiten motivierte und hochqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Daraus könnte man viel mehr machen – eben durch eine bessere Ausnützung der vorhandenen Möglichkeiten. Wenn nicht viel da ist, dann muss man effizienter arbeiten, um seine Ziele zu erreichen. Und deshalb sind uns andere Sanitätsbetriebe in Italien in Sachen Effizienz etwas voraus.
Thomas Schael: Handlungsbedarf sehe ich in dem Sinn, als dass eine Reform unumgänglich ist. Nichts tun wäre in diesem Fall das Allerschlimmste. Änderungen werden immer mit Skepsis betrachtet, aber wir haben keine Alternative, wenn wir das Südtiroler Gesundheitswesen zukunftssicher machen wollen. Dabei wollen wir die Südtiroler Bevölkerung ebenso mitnehmen wie unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Deshalb versuchen wir, alles, was beschlossen und geplant ist, so transparent wie möglich zu kommunizieren. Leider können wir nicht verhindern, dass so manches von den Medien falsch interpretiert oder bewusst „hochgejazzt“ wird. Da würde ich mir manchmal einen etwas seriöseren Umgang mit den erhaltenen Informationen von Seiten der Medien wünschen.
Thomas Schael: Ärztemangel ist in vielen Ländern ein Thema, egal ob das jetzt Deutschland, die Schweiz, Österreich oder Italien ist. Ein Thema, das uns in Zukunft noch lange beschäftigen wird. Oft wird die Attraktivität des Arbeitgebers aber mit finanziellem Entgelt gleichgesetzt, das dieser bereit ist zu zahlen. Nach dem Motto: die Ärzte gehen dorthin, wo sie am meisten verdienen. Dieser Meinung bin ich nicht. Genauso wie in vielen anderen Bereichen der Berufswelt zählen auch in der Medizin immer mehr die so genannten „weichen“ Faktoren. Wo habe ich eine hohe Lebensqualität? Wo kann ich mich besser verwirklichen? Solche und ähnliche Fragen stellen sich auch Ärztinnen und Ärzte, bevor sie sich für eine Stelle bewerben. Und da, denke ich, können Südtirol und der Südtiroler Sanitätsbetrieb durchaus mithalten. Aber klar, wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen, wir müssen versuchen als Arbeitgeber noch attraktiver zu werden. Helfen wird uns dabei auch die Tatsache, dass in Zukunft Innovation, Forschung und Entwicklung im Südtiroler Sanitätsbetrieb eine größere Rolle spielen werden. In Zusammenarbeit mit Eurac, Claudiana und anderen Partner soll verstärkt in diese Richtung gearbeitet werden.
Chance: Krebspatienten sind für das Gesundheitswesen sehr kostenintensiv. Auch die Vorsorge ist sicher ein Kostenfaktor, der nicht zu unterschätzen ist. Kommen dann Operation(en), Chemo- oder Strahlenbehandlung, Nachsorge, kostspielige Medikamente usw. hinzu. Es werden immer wieder Befürchtungen laut, dass dies dazu führen wird, dass es (wieder) Patienten erster und Patienten zweiter Klasse geben wird.
Thomas Schael: Diese Befürchtungen entbehren jedweder Grundlage. Gerade durch die eben erwähnte und angestrebte Effizienzsteigerung werden wir auch in Zukunft in der Lage seinen, jeder Südtirolerin und jedem Südtiroler die bestmögliche Gesundheitsversorgung angedeihen zu lassen.
Chance: Südtirol ist zu Recht stolz auf seinen Standard in der Krebsbehandlung, der den modernsten Anforderungen entspricht und der auch den internationalen Vergleich nicht scheuen muss. Kann dieser Standard auch in Zukunft gehalten werden? Wie beurteilen Sie die Entwicklung der nächsten zehn Jahre? Viele (Krebs)Patienten fürchten in Zukunft nicht mehr die bestmögliche Versorgung zu erhalten.
Thomas Schael: Gerade im onkologischen Bereich konnten wir bereits in der Vergangenheit die Qualität der Betreuung und Versorgung steigern. Als Beispiele nenne ich an dieser Stelle die Einführung des Tumorboards und die kürzlich erfolgte ISO-Zertifizierung von Abteilungen innerhalb des gesamten Südtiroler Sanitätsbetriebes im ganzen Land, die in diesem Bereich tätig sind. Der nächste Schritt, der nun erfolgt, ist die klinische Zertifizierung dieser Abteilungen. Sie sehen also, dass auch diese von Ihnen angesprochene Angst, die Versorgungsqualität für Krebspatientinnen und –patienten würde sinken, nicht nur völlig unbegründet, sondern dass sogar eine Verbesserung zu erwarten ist.
Chance: Was sehen Sie als Schwerpunkt Ihrer Tätigkeit?
Thomas Schael: Den Schwerpunkt meiner Arbeit sehe ich darin, den Transformationsprozess, in dem sich die Südtiroler Gesundheitsversorgung befindet, so zu beeinflussen und zu managen, dass der Südtiroler Sanitätsbetrieb am Ende den Südtiroler Bürgern und Bürgerinnen noch bessere und effizientere Dienste bieten kann. Ich möchte das beste Gesundheitssystem Europas schaffen.
Chance: Sie sind ja beileibe kein Neuling im italienischen Sanitätswesen. Wie fällt der Vergleich aus mit Situationen, die Sie bisher kennengelernt haben? Wo kann Südtirol dazulernen, bzw. was kann von Südtirol anderswo als Beispiel dienen?
Thomas Schael: Das Südtiroler Gesundheitswesen verfügt über eine exzellente „Hardware“, sprich, die Häuser und Einrichtungen sind sehr gut bist ausgezeichnet ausgestattet und darin arbeiten motivierte und hochqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Daraus könnte man viel mehr machen – eben durch eine bessere Ausnützung der vorhandenen Möglichkeiten. Wenn nicht viel da ist, dann muss man effizienter arbeiten, um seine Ziele zu erreichen. Und deshalb sind uns andere Sanitätsbetriebe in Italien in Sachen Effizienz etwas voraus.
Chance: Im Zuge der anstehenden Gesundheitsreform, die bis 2020 durchgezogen werden soll, stehen Sparmaßnahmen und grundsätzliche Entscheidungen an, die unpopulär sind, auch wenn sie daraufhin zielen, eine immer bessere Versorgung zu gewährleisten – Stichwort Anzahl der Krankenhäuser, Geburtenabteilungen bzw. Neuordnung der Tumorchirurgie. In der Öffentlichkeit ist ein ungutes Klima entstanden, das auch für politische Interessen ausgenutzt worden ist. Sehen Sie hier Handlungsbedarf?
Thomas Schael: Handlungsbedarf sehe ich in dem Sinn, als dass eine Reform unumgänglich ist. Nichts tun wäre in diesem Fall das Allerschlimmste. Änderungen werden immer mit Skepsis betrachtet, aber wir haben keine Alternative, wenn wir das Südtiroler Gesundheitswesen zukunftssicher machen wollen. Dabei wollen wir die Südtiroler Bevölkerung ebenso mitnehmen wie unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Deshalb versuchen wir, alles, was beschlossen und geplant ist, so transparent wie möglich zu kommunizieren. Leider können wir nicht verhindern, dass so manches von den Medien falsch interpretiert oder bewusst „hochgejazzt“ wird. Da würde ich mir manchmal einen etwas seriöseren Umgang mit den erhaltenen Informationen von Seiten der Medien wünschen.
Chance: Networking ist heute Grundbedingung für jede Art von Tätigkeit. Viele Abteilungen der Krankenhäuser stehen in regem (inter)nationalen Austausch. Auf Landesebene scheint die Kommunikation, vor allem zwischen Krankenhaus und Peripherie, sogar zwischen einzelnen Abteilungen im gleichen Krankenhaus, zwischen Patient und Arzt, nicht zuletzt auch zwischen Sanitätsbetrieb und Öffentlichkeit aber nach wie vor ein Problem zu sein.
Thomas Schael: Das sehe ich nicht so. Sie sprechen von mehreren verschiedenen Kommunikationskanälen, die meiner Meinung nicht vergleichbar sind. Networking ist eine Sache, interne Kommunikation eine andere und externe Kommunikation mit Medien und Öffentlichkeit wiederum eine andere. Wir versuchen jedenfalls in alle Richtungen offen zu kommunizieren, sei es intern, sei es extern. Über verschiedene Kanäle – Rundmails, Intranet, Internet und unser vierteljährlich erscheinendes Magazin „one“, das auch online zugänglich ist, – versuchen wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Bürger und Bürgerinnen über den Südtiroler Sanitätsbetrieb auf dem Laufenden zu halten. Unsere Kommunikationsabteilung versorgt die Medien nahezu täglich mit Informationen.Chance: Das mag ja alles sein, aber im Krankenhaus Bozen gibt es Abteilungen, die untereinander keine Patienten-Daten austauschen bzw. einsehen können, weil sie unterschiedliche Computersysteme laufen haben. Die Ärztekammer fordert seit langem die Einführung eines einheitlichen Systems…
Thomas Schael: Einen Teil der Kommunikationsproblematik, nämlich die unterschiedlichen IT-Systeme der Bezirke, sind wir dabei zu lösen. Dafür nehmen wir auch einiges an Geld in die Hand, nämlich rund hundert Millionen in den nächsten fünf Jahren. Grundsätzlich muss man sagen, dass die Kommunikation innerhalb eines so großen Betriebes mit rund 9.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht einfach ist. Es gibt sicher Verbesserungspotential, da gebe ich Ihnen recht. Aber wie gesagt, wir arbeiten daran.Chance: Apropos Peripherie: Es ist oft die Rede von einem gewissen Ungleichgewicht. Im Landeskrankenhaus Bozen sind gewisse Dienste hoffnungslos überfüllt und die Patienten müssen entsprechende Wartezeiten in Kauf nehmen. Auf dem Land werden nicht alle Dienste zu hundert Prozent genutzt. Hinzu kommt seit dem letzten Jahr die freie Arztwahl. Wie wird sich das Ihrer Meinung nach auswirken?
Thomas Schael: In dem Maße, wie es oft pauschalisiert wird, besteht dieses Ungleichgewicht Peripherie – Bozen gar nicht, aber es stimmt, dass noch einiges optimiert werden könnte. Und genau das streben wir mit der Neuordnung des Südtiroler Gesundheitswesens an. Die von der EU garantierte freie Arztwahl innerhalb Europas, die vergangenes Jahr durchgesetzt wurde, hat auf das Südtiroler Gesundheitssystem kaum Auswirkungen gezeigt. Die Versorgung, die wir bieten, hat in allen Bereichen eine hohe Qualität und nur in Ausnahmefällen suchen die Betreuten Hilfe im Ausland. Die Südtiroler und Südtiroler vertrauen dem Südtiroler Sanitätsbetrieb und wir arbeiten hart daran, dieses Vertrauen weiterhin zu festigen.Chance: In den vergangenen Wochen gab es immer wieder Meldungen in der Tagespresse, dass Südtirol für Ärzte nicht mehr attraktiv sei. Meldungen von Spezialisten, die abwandern, bzw. gar nicht erst versuchen, nach Südtirol zu kommen. Meldungen von Allgemeinärzten, die vorzeitig in Pension gehen bzw. sich gar nicht erst niederlassen. Was ist an diesen Meldungen dran und was muss getan werden, um dem drohenden Ärztemangel entgegenzuwirken?
Thomas Schael: Ärztemangel ist in vielen Ländern ein Thema, egal ob das jetzt Deutschland, die Schweiz, Österreich oder Italien ist. Ein Thema, das uns in Zukunft noch lange beschäftigen wird. Oft wird die Attraktivität des Arbeitgebers aber mit finanziellem Entgelt gleichgesetzt, das dieser bereit ist zu zahlen. Nach dem Motto: die Ärzte gehen dorthin, wo sie am meisten verdienen. Dieser Meinung bin ich nicht. Genauso wie in vielen anderen Bereichen der Berufswelt zählen auch in der Medizin immer mehr die so genannten „weichen“ Faktoren. Wo habe ich eine hohe Lebensqualität? Wo kann ich mich besser verwirklichen? Solche und ähnliche Fragen stellen sich auch Ärztinnen und Ärzte, bevor sie sich für eine Stelle bewerben. Und da, denke ich, können Südtirol und der Südtiroler Sanitätsbetrieb durchaus mithalten. Aber klar, wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen, wir müssen versuchen als Arbeitgeber noch attraktiver zu werden. Helfen wird uns dabei auch die Tatsache, dass in Zukunft Innovation, Forschung und Entwicklung im Südtiroler Sanitätsbetrieb eine größere Rolle spielen werden. In Zusammenarbeit mit Eurac, Claudiana und anderen Partner soll verstärkt in diese Richtung gearbeitet werden.
Chance: Zum Abschluss eine persönliche Frage: Sie sind Deutscher, leben seit 1988 in Italien. Welchen Eindruck haben Sie von Südtirol, bzw. den Südtiroler Verhältnissen?
Thomas Schael: Südtirol hat sehr geordnete Verhältnisse (lacht). Wie gesagt, der Südtiroler Sanitätsbetrieb hat die besten Voraussetzungen, um europaweit mit den Besten mithalten zu können. Diese müssen nur konsequent und effizient genutzt werden. Es gilt, eine Vision für das Südtiroler Gesundheitssystem zu entwickeln und diese dann umzusetzen.