Schach dem Krebs
Er heißt ebenfalls Andreas, allerdings Pircher und ist seit einem Jahr am VRC tätig. Der aus Dorf Tirol stammende Internist und Hämato-Onkologe hat in Innsbruck Medizin und molekulare Onkologie (PhD) studiert, dort auch an der Uniklinik gearbeitet und wollte nach Abschluss seiner Facharztprüfung seine Ausbildung noch mit einem Auslandsaufenthalt abrunden. Schon seit vielen Jahren beschäftigt er sich mit der vermehrten Gefäßbildung im Lungenkrebs und hat dazu viele wissenschaftliche Arbeiten verfasst und bereits diverse renommierte Forschungspreise erhalten.
Der Schwerpunkt der Forschung im belgischen Löwen liegt auf dem Gebiet der Blutgefäße und deren Eigenschaften zu wachsen und neue Gefäß-Netzwerke auszubilden, was eine entscheidende Rolle in der Krebsforschung spielt. Seit vielen Jahren weiß man, dass Tumore nur über eine bestimmte Größe hinaus wachsen und metastasieren können, wenn sie ein eigenes Blutgefäß-Netzwerk aufbauen können. Dabei dreht sich alles um die sogenannten Endothel-Zellen, verantwortlich für das Bilden funktionstüchtiger Gefäß-Bäume und somit der zentrale Punkt in der Forschung. Das Team von Prof. Carmeliet, ein Mix aus Ärzten und Biologen, arbeitet in kleinen Forschungsgruppen an verschiedensten Fragestellungen zu diesem Thema. In der Gruppe von Dr. Andreas Pircher sind neben drei Ärzten auch Grundlagenforscher und Biologen tätig. Alles hochkarätige Wissenschaftler aus China, Polen, Belgien, Frankreich, der Schweiz, Deutschland und auch Italien. Pircher ist in der Tat nicht der einzige Italiener am Institut. Der Experte in Biotechnologie Massimiliano Mazzone aus Turin arbeitet seit 2009 am VRC. Er beschäftigt sich in seinen Versuchen mit dem Zusammenspiel von Blutgefäßen und Immunzellen und wie dadurch das Tumorwachstum beeinflusst werden kann.
Wenn Andreas Pircher von seiner Arbeit erzählt, klingt das alles sehr kompliziert. Fachbegriffe und äußerst komplexe Zusammenhänge, die einem Laien nur den Kopf verdrehen. Schlussendlich geht es darum, herauszufinden, wie das physiologische Gefäßwachstum in der Tumorbekämpfung eingesetzt werden kann.
In den ersten Jahren des neuen Jahrtausends, erklärt Pircher, gingen die Krebsforscher noch davon aus, dass Strategien gefunden werden müssten, um das Gefäßwachstum im Tumor zu hemmen und ihn damit gewissermaßen auszuhungern. Die Tumoren haben aber schnell Resistenzen gegen diese Wirkstoffe entwickelt und letztlich wurde nur das umliegende gesunde Gewebe geschädigt. Eine Sackgasse also.
„Heute verfolgen wir Forschungen, die in die entgegengesetzte Richtung führen“, erklärt Pircher. „Wir untersuchen, wie wir das Gefäßsystem heilen können, damit das Gewebe im Tumor nicht geschwächt wird und damit die Gefäße, die Chemo-, Hormon- oder Immuntherapie-Substanzen noch besser in das Tumorgewebe bringen können“.
Besprechung der Darstellung eines Gefäßnetzwerks mit Stefan Vinckier (Experte für Mikroskopie)
Im Labor wird mit Zellgeweben auf Nährlösung experimentiert, aber auch mit Mäusen, um die Wirksamkeit der verschiedenen in Frage kommenden Wirkstoffe zu testen. Prof. Peter Carmeliet ist berühmt für seine genetischen Versuche mit sogenannten Knockout-Mäusen, d. h. genetisch manipulierten Mäusen. Da einige Medikamente, die das Gefäßsystem blockieren bereits für die Therapie verschiedenster Krebsformen zugelassen sind, geht es darum deren Wirksamkeit und Dauer des Therapienutzens zu verlängern. „Wir glauben, dass eine Kombination der herkömmlichen Therapien ggf. in anderer Dosierung in Kombination mit den neuen Therapiestrategien, welche speziell die Stoffwechsel Aktivität von Endothelzellen beeinflussen, den Krebs noch wirksamer bekämpfen kann. Im Augenblick suchen wir nach dem optimalen Einsatz und sehr spezifisch wirkenden Stoffen, die den Glukose-Stoffwechsel in der Endothelzelle unterbinden können.“ Allerdings, so Pircher, kann es noch Jahre dauern, bis diese Grundidee voll entwickelt ist und ein entsprechendes Medikament zur Zulassung kommt.
„Wir Forscher arbeiten nicht zuletzt auch aus diesem Grund gerne schon mit bereits vorhandenen Medikamenten, die aber für ganz andere Pathologien eingesetzt werden.“ Sollte sich ein solches Mittel als erfolgversprechend erweisen, kann die neue Therapie schneller an Patienten eingesetzt werden, ohne dass der lange Weg zur Zulassung eines völlig neuen Medikaments eingeschlagen werden muss. Ein weiterer Vorteil ist auch, dass bei Verwendung bereits vorhandener Medikamente die pharmazeutische Industrie in die Forschung investiert. Und dank dieser Mittel kann die Forschung noch intensiver weitergeführt werden.
Dr. Andreas Pircher befasst sich in seiner Arbeit mit den Gefäßzellen von Lungenkrebspatienten. Er isoliert sie, legt Kulturen an, untersucht ihren Stoffwechsel und sucht nach Unterschieden zum Stoffwechsel von nicht entarteten, gesunden Zellen. „Dabei vermuten wir, dass der Stoffwechsel der Gefäßzellen, der alles entscheidende Motor ist- wenn man diesen blockiert, kann möglicherweise längerfristig das Tumorwachstum unterdrückt werden.“
Dieser neue Ansatz, die Endothelzellen bei ihrer Wurzel und ihrem Motor zu schwächen, wurde bisher noch nicht gezeigt und scheint erfolgsversprechend zu sein, jedoch wird es noch viele viele Versuche und viele viele Stunden Arbeit brauchen, bis dieser wissenschaftliche Ansatz vielleicht einmal im klinischen Alltag realisiert werden kann. "Dieser Gedanke allein lässt aber das Forscherherz höherschlagen und ist um so mehr Ansporn und Motivation weiter zu arbeiten"., betont Andreas Pircher
Andreas Pircher
Leuven ist Sitz der Katholischen Universität, die weltweit zu den renommiertesten Universitäten zählt, in einem internationalen Ranking belegt sie Platz 35. Derzeit studieren dort über 55.000 Studenten, etwa 16% kommen aus dem Ausland. Die KUL hat 15 Fakultäten. Die Universitätskliniken genießen einen ausgezeichneten Ruf und das Vesalius Research Center gehört zum Vlaams Instituut voor Biotechnologie (VIB), dem flämischen Institut für Biotechnologie, wo mehr als 1.200 Wissenschaftler aus über 60 Ländern Grundlagenforschung zu den molekularen Bausteinen des Lebens betreiben.
aber nicht sicher ein Ganzes ergeben. Das ist dann natürlich eine unglaubliche Emotion! Nicht jeder realisiert auf Anhieb Top-Ergebnisse. Der Alltag der Forschung heißt, immer wieder von vorne beginnen zu können, mit der gleichen Begeisterung und Neugierde und ja, ein Stückweit auch Besessenheit.
Dr. Andreas Pircher: Ich bin sehr glücklich, dass ich über ein Schrödinger Stipendium für junge Wissenschaftler die Gelegenheit habe, hier an diesem Top-Labor Forschung auf höchstem Niveau durchzuführen. Hier ist alles sehr tiefgründig, sehr standardisiert, wirklich absolut very high level. Die Möglichkeit mit Forschern aus aller Welt auf Du und Du zu sein, Schulter an Schulter zu arbeiten, ist ungemein spannend. Aber was mich am Ende doch noch mehr interessiert, ist der direkte Kontakt mit Patienten, ist die Grundlagenforschung in die Praxis umzusetzen. Ich werde also mit Sicherheit nach zwei Jahren wieder in einem Krankenhaus arbeiten. Was ich hier gelernt und gelebt habe, ist auf jeden Fall wichtig, um mich noch besser in den klinischen Alltag einbringen zu können.