Thema
Bei Früherkennung ist Prostatakrebs heilbar!
Interview mit Primar Dr. Lukas Lusuardi
Foto: Othmar Seehauser
Mann braucht Glück und eine gute Genetik, um nicht an Prostatakrebs zu erkranken, oder vielleicht besser, um nicht zu früh an Prostatakrebs zu erkranken. Viele Männer über achtzig erkranken daran, aber gefährlich wird dieser Krebs vor allem in jungen Jahren. Ein Gespräch mit dem Primar für Urologie am Krankenhaus Brixen, Priv. Doz. Dr. Lukas Lusuardi.
Chance: Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkrankung beim Mann ab dem 50. Lebensjahr?
Dr. Lusuardi: Das stimmt, in Südtirol sind 18% der Männer davon betroffen, gefolgt von 16% am Kolon-Rektum, 15% in der Lunge und 11% an der Blase und die jährlichen Neuerkrankungen sind im Steigen begriffen.
Chance: Aber die Sterblichkeitsrate spiegelt dieses Verhältnis nicht wieder?
Dr. Lusuardi: Überhaupt nicht. Sie liegt bei 8% und ist im Sinken begriffen. Und auch die Überlebensrate nach fünf Jahren zeigt das: 1990 – 92 lag sie bei 62%, 2002 - 04 bei 89% und 2005 – 07 schon bei 91%. Zum Vergleich: bei Lungenkrebs ist die Sterblichkeit mehr als dreimal so hoch: 26%.
Chance: Diese Zahlen sind auf den Erfolg der Vorsorgeuntersuchungen zurückzuführen?
Dr. Lusuardi: Hierzu ist folgendes zu sagen: Mit Sicherheit ist die Zahl der Erkrankungen auch deshalb gestiegen, weil mehr Männer die Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen und dadurch mehr Erkrankungen entdeckt werden. Die PSA Untersuchung sollten alle Männer ab 45, bzw. ab 40 wenn Familiarität vorliegt, jedes Jahr vornehmen lassen. Aber das Untersuchungsergebnis muss entsprechend evaluiert werden und zudem immer von einer Rektaluntersuchung und bei zu hohen Werten von anderen Untersuchungen wie Biopsie und Ultraschall begleitet sein. Ein erhöhter PSA-Wert heißt nicht immer Prostatakrebs.
Chance: Wenn Symptome auftreten, kann es schon zu spät sein?
Dr. Lusuardi: Der Prostatakrebs verursacht erst im fortgeschrittenen Stadium Symptome wie Knochenschmerzen, Probleme beim Wasserlassen oder Blut im Urin, wenn Harnröhre und/ oder Blase bereits infiltriert sind. Ist der Tumor weit fortgeschritten bzw. metastasiert, dann hat der betreffende Patient schlechtere Karten, weil man ihn nicht mehr heilen wird.
Chance: Der Prostatakrebs ein langsam wachsendes Karzinom?
Dr. Lusuardi: Ja und nein. Das stimmt nicht immer. Es gibt aggressivere und weniger aggressive Formen. Bei einer aggressiven Form muss ich rasch handeln, bei einer langsam wachsenden Form kann ich den Tumor auch nur unter Kontrolle halten und muss (noch) nicht behandeln.
Chance: Nach welchen Kriterien wird die Aggressivität gemessen?
Dr. Lusuardi: Es gibt verschiedene Methoden, die häufigste ist der sogenannte Gleason Score, der das maligne Gewebe auf Abweichungen mit dem normalen Prostatagewebe vergleicht und mit steigender Bösartigkeit in Wachstumsmuster von 1 bis 5 einstuft, den sogenannten Gleason Grad. Das vorherrschende Tumormuster sowie ein weiteres werden unabhängig voneinander erfasst und bewertet.
Chance: Daraus ergibt sich dann der sogenannte Gleason-Score?
Dr. Lusuardi: Genau. Das Minimum beträgt 6 (3+3), das Maximum 10 (5+5). Gleason 6 ist ein niedriger Wert, bei dem wir zuwarten können, bei 10 wird sofort operiert und anschließend bestrahlt, das heißt mit einer multimodalen Therapie behandelt.
Chance: Wann ist der kritischste Moment im Leben eines Mannes bezüglich Prostatakrebs?
Dr. Lusuardi: Die Hauptinzidenz liegt in Europa bei 65 – 66 Jahren. Aber es gibt auch Männer mit 40, die an Prostatakrebs erkranken, wenn sie eine entsprechende negative genetische Veranlagung haben.
Chance: Es gibt mittlerweile verschiedene chirurgische Methoden.
Dr. Lusuardi: Wir unterscheiden zwischen dem herkömmlichen operativen Eingriff und dem laparoskopischen Eingriff, der in Brixen am häufigsten angewendet wird. Dadurch haben wir eine schnellere Heilung, geringere Wundschmerzen und vor allem auch geringe Blutungen. Ich persönlich kann mich an keinen Fall erinnern, wo eine Bluttransfusion erforderlich war.
Chance: Und der herkömmliche operative Eingriff?
Dr. Lusuardi: Da gibt es zwei Methoden. In einem frühen Anfangsstadium, wenn keine Lymphknoten entfernt werden müssen, kann der Zugang über den Damm erfolgen. Ansonsten werden über einen Schnitt im Unterbauch zunächst die Lymphknoten im Becken entfernt und dann die Prostata und die Samenblasen.
Chance: Gibt es Unterschiede bezüglich der negativen Folgen bei den Operationsmethoden?
Dr. Lusuardi: Nein, eigentlich nicht. Bis jetzt liegen keine Studien vor, die nachweisen, ob Kontinenz und Potenz nach dem laporoskopischen Eingriff weniger beeinträchtigt sind als bei der traditionellen Chirurgie. Das hängt von verschiedenen Komponenten ab: Von der Lage des Tumors, von der Expertise des Operateurs und natürlich vom Stadium des Tumors. Bei Früherkennung können sowohl die für den Schließmuskel und die Erektion zuständigen Nerve, erhalten werden. Die erwähnten Operationsverfahren, die allesamt in Südtirol durchgeführt werden, haben jedenfalls alle vergleichbare Langzeitergebnisse, bezüglich der Tumorfreiheit.
Chance: Nach der Operation müssen die Patienten sich einer Strahlentherapie unterziehen. Heute ist diese ja um ein Vielfaches effizienter als noch vor zehn Jahren. Könnte sie in die Chirurgie ersetzen?
Dr. Lusuardi: Bei ganz kleinen Läsionen kann man schon heute fokal mit verschiedenen Energiequellen vorgehen, aber eine richtige Alternative zum chirurgischen Eingriff ist das noch nicht. Die moderne Bestrahlungstherapie ist wesentlich effektiver und weniger belastend und wirkt auch schmerzstillend bei Knochenmetastasen. Wir unterscheiden zwischen der externen Strahlentherapie und der Brachytherapie, bei der winzige radioaktiver Körperchen in die Prostata eingesetzt werden, die gezielt radioaktive Strahlung absetzen.
Chance: Die Diagnose Prostata-Krebs ist für die Männer ein Schock. Und das nicht nur, weil das Wort Krebs mit Angst verbunden ist, sondern vor allem auch wegen den Folgen einer Prostatabehandlung.
Dr. Lusuardi: Eine Krebsdiagnose ist immer ein Schock. Was die Folgen betrifft, im ersten Moment denken viele Männer gar nicht daran. Es geht schließlich ums Überleben. Aber wir klären unsere Patienten schon auf bevor die Fragen kommen. Natürlich mit der entsprechenden Sensibilität und möglichst im Beisein der Partnerin. Man(n) muss wissen, was auf ihn zukommt!
Chance: Sie meinen die Spätfolgen wie Inkontinenz und Impotenz?
Dr. Lusuardi: Dieser Gedanke ist verständlicherweise sehr erschreckend. Aber für jede dieser Störungen gibt es heute Lösungen, zufriedenstellende Lösungen. Es gibt Medikamente und auch gut funktionierende Implantations-Prothesen, die diese Dysfunktionen komplett beheben können. Wichtig ist, dass die Männer sich damit auseinandersetzen und das annehmen. Wichtig sind auch die psychoonkologische Betreuung des Mannes und natürlich die Unterstützung von Seiten der Familie und vor allem der Partnerin.
Chance: Auch die Hormontherapie ist ja sehr belastend für einen Mann…
Dr. Lusuardi: Eben und gerade deshalb ist die regelmäßige Vorsorge so wichtig, eine Hormontherapie wird erst im fortgeschrittenen Stadium aktuell. Lassen wir es nicht so weit kommen!
Die Prostata
Die Prostata oder Vorsteherdrüse ist eine akzessorische Geschlechtsdrüse des Mannes und produziert einen Teil des Spermas. Sie liegt unterhalb der Harnblase und umkleidet den Anfangsteil der Harnröhre (Urethra) bis zum Beckenboden.
Sie gleicht in Größe und Form einer Kastanie. An die Rückseite der Prostata grenzt der Mastdarm (Rektum). Deshalb kann sie vom Enddarm aus mit den Fingern ertastet und beurteilt werden.
Sie gleicht in Größe und Form einer Kastanie. An die Rückseite der Prostata grenzt der Mastdarm (Rektum). Deshalb kann sie vom Enddarm aus mit den Fingern ertastet und beurteilt werden.
PSA - Prostata spezifisches Antigen
Das Prostatasekret macht 20-30 Prozent der Spermamenge aus. Das Sekret der Prostatadrüsen ist milchig-trübe, dünnflüssig und leicht sauer. Neben zahlreichen anderen Stoffen enthält es Enzyme (Fermente). Das sind Eiweiße mit wichtigen Aufgaben wie die saure Prostata-Phosphatase und das PSA (prostata-spezifisches Antigen), das das Sperma, den Samen, verflüssigt. Ein weiterer Inhaltsstoff ist Spermin; es schützt die DNA (Erbinformation) der Spermien (Samenfäden).
Häufigkeit des bösartigen Prostatatumors Nationaler und internationaler Vergleich |
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Mittelwert x 100.000 |
Mittelwert Weltweit |
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Südtirol (2006-2010) | 140,2 | 79,2 |
Tirol (2011-2013) | 146,2 | 83,2 |
Trentino (2003-2006) | 108,6 | 55,0 |
Venezien (2003-2006) | 150,5 | 74,7 |
Quelle: Pool AIRTUM Südtiroler Tumorregister |
Prostatatumor: Häufigkeit und Verteilung auf Gesundheitsbezirke in ≤ Zeitraum 2006 - 2009 |
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Bezirk | 2006 | 2007 | 2008 | 2009 | Mittelwert 2006-09 |
Mittelwert 2008-09 |
Bozen | 162 | 164 | 175 | 184 | 171 | 180 |
Meran | 70 | 95 | 89 | 101 | 89 | 95 |
Brixen | 51 | 35 | 36 | 26 | 37 | 31 |
Bruneck | 5 | 40 | 48 | 58 | 50 | 53 |
Gesamt | 338 | 334 | 348 | 369 | 347 | 359 |
% pro Bezirk | ||||||
Bozen | 47,9% | 49,1% | 50,3% | 49,9% | 49,3% | 49,3% |
Meran | 20,7% | 28,4% | 25,6% | 27,4% | 25,5% | 25,5% |
Brixen | 15,1% | 10,5% | 10,3% | 7,0% | 10,7% | 10,7% |
Bruneck | 16,3% | 12,0% | 13,8% | 15,7% | 14,4% | 14,4% |
Gesamt | 100,0% | 100,0% | 100,0% | 100,0% | 100,0% | 100,0% |
Quelle: Pool AIRTUM . Südtiroler Tumorregister |