Kommentar

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Dr. Nicole Dominique Steiner
Chefredakteurin
Die Sommerausgabe der Chance ist bunt gemischt. Kein Hauptthema, aber viele Aspekte, die mit der Krankheit Krebs und mit der Krebshilfe zu tun haben. Ich habe die beiden neuen Primare der Chirurgie in Bruneck und der HNO - Abteilung in Bozen und zwei weitere Ärzte interviewt. Und stelle immer wieder fest: Südtirols Patienten sind in den besten Händen!
Als Aufmacher haben ich eine Rubrik gewählt: Wege der Hoffnung. Vor unserer Haustür, in Trient wird jedes Jahr einer der wichtigsten Preise weltweit für die Krebsforschung vergeben. Und zu diesem Anlass versammeln sich dort Jahr für Jahr die weltbesten Forscher. Die Pezcoller Stiftung prämiert aber nicht nur Exzellenzen, sondern investiert auch in die Zukunft, in dem sie Forschungsstipendien an junge Forscher vergibt.
Ferdinand Seiwald und Antonino Brillante sind zwei Personen, die jeder auf seine Weise, der Krebshilfe und damit auch allen Betroffenen helfen und geholfen haben. Ferdinand Seiwald, weil er der Krebshilfe Pustertal seit 2008 den Erlös der Versteigerung von vier Ochsen gespendet hat. Und Antonino Brillante, der der Krebshilfe Zeit schenkt. Viel Zeit. Wenn es etwas zu tun gibt, ist Antonino zur Stelle und packt mit an. Ein herzliches DANKE allen beiden!
So und jetzt möchte ich ein heikles Thema ansprechen. Die Diskussion um die Impfpflicht. Die Zeitungen sind voll von Pro und Kontra. Und jetzt werde ich sehr persönlich. Ich habe vier Kinder. Sie sind gegen alles geimpft, was es gibt. Sie haben die damaligen Pflichtimpfungen (geboren zwischen 1993 und 2001) erhalten, aber auch alle freiwilligen Impfungen. Mein Jüngster ist auch gegen Papilloma-Virus geimpft, meine Töchter sowieso. Ich selbst habe mich mit meinem Mann dieses Jahr gegen Meningitis impfen lassen.
Warum ich Ihnen das erzähle? Weil ich der Meinung bin, dass Impfen keine persönliche Angelegenheit ist, die von einer mehr oder weniger alternativ-orientierten Weltanschauung, abhängt sondern vielmehr eine Pflicht. Ausdruck von Solidarität, vor allem aber der sozialen Verantwortung der Gesellschaft gegenüber. Wenn ich geimpft bin, wenn meine Kinder geimpft sind, dann können sie nicht nur selbst nicht an bestimmten Krankheiten erkranken, die dank der Impfungen so gut wie ausgestorben waren (denn jetzt sind sie wieder im Kommen!) und die z. T. gravierende Auswirkungen haben können. Nein, sie stellen auch keine Gefahr für andere dar, die aufgrund ihrer gesundheitlichen Verfassung besonders anfällig sind und ein geschwächtes Immunsystem haben. Wie z. B. Krebskranke! Ich kann mich aus meiner Kindheit noch gut erinnern an Menschen, die nach einer Erkrankung an Polio (Kinderlähmung) stark gehbehindert waren. Oder an Personen, die infolge von Masern erblindet oder ertaubt sind. Wollen wir das wirklich wieder riskieren? Und auch wenn es nur eine Grippeschutzimpfung ist. Wer an Krebs erkrankt ist/ war, darf sich nicht impfen lassen, wenn ich mich impfe, schütze ich nicht nur mich, sondern auch jene, die auf diesen Schutz verzichten müssen! Ich wünsche Ihnen allen einen wunderschönen Sommer
Ihre Nicole Dominique Steiner

Thema

Der Pezcoller-Forschungspreis

In Trient werden jedes Jahr die weltweit besten Krebsforscher ausgezeichnet
Einer der hochdotiertesten und weltweit wichtigsten Krebs-Forschungspreise wird jedes Jahr von der Pezcoller-Stiftung in Trient vergeben. Bisher gibt es zwanzig Preisträger. Drei von ihnen wurden anschließend auch mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Paul Nurse, Mario Capecchi und Elizabeth Blackburne in 2001, 2007 bzw. 2009.
Dr. Enzo Galligioni
Die Stiftung wurde 1980 von Professor Alessio Pezcoller (1896 – 1993) ins Leben gerufen. Der Ex-Primar der Abteilung für Chirurgie am Krankenhaus Santa Chiara in Trient hat sein gesamtes Vermögen für die Förderung der biomedizinischen Krebsforschung zur Verfügung gestellt. Erster Preisträger war 1988 Vincent De Vita, Direktor des amerikanischen National Cancer Institute. Seit 1997 gehören dem Entscheidungskomitee auch Forscher an, die vom AACR ernannt werden, der amerikanischen Krebsforscher-Vereinigung, die weltweit 37.000 Mitglieder zählt.
Ein Gespräch mit dem Direktor der Pezcoller Stiftung, Dr. Enzo Galligioni, bis 2016 Primar der Abteilung für Onkologie am Krankenhaus Santa Chiara in Trient.
Chance: Der Pezcoller Preis wird jedes Jahr aus den weltbesten Krebsforschern ausgewählt.
Dr. Galligioni: Ja und Voraussetzung dabei ist, dass die Forscher und ihre Projekte international bekannt sind, dass sie bereits wichtige Ergebnisse erzielen konnten bzw. dass diese Forschungsergebnisse bereits klinisch Anwendung gefunden haben und vor allem, dass es sich um Forschungen handelt, die weitergehen.
Chance: Aus wie vielen Personen setzt sich das Preiskomitee der Stiftung zusammen?
Dr. Galligioni: Aus acht Mitglieder, die selbst zu den Top-Wissenschaftlern weltweit gehören. Ein absolut hochkarätiges Komitee. Die Hälfte ernannt vom AACR, die anderen von uns. USA und Europa. Dieses Jahr kamen sie aus New York, Boston, Houston und Philadelphia sowie aus Heidelberg, Rom, Amsterdam und Barcelona.
Chance: Wie funktioniert die Kandidatur?
Dr. Galligioni: Der Preis wird vergeben, das heißt man kann sich nicht darum bewerben. Die Konkurrenten werden von Wissenschaftlern vorgeschlagen, die ihrerseits an bekannten Forschungsinstituten arbeiten. Dieses Jahr standen 31 Kandidaten zur Wahl!
Chance: Aus was besteht der Pezcoller Preis?
Dr. Galligioni: Der Preisträger erhält die Summe von 75.000 Euro. Mit der Annahme des Preises akzeptiert er zur Preisvergabe nach Trient zu kommen und an der Universität Trient, die auch im Verwaltungsrat der Stiftung vertreten ist, und an der Universität Padua eine „lectio magistarlis“ zu halten. Ebenfalls im Verwaltungsrat vertreten sind übrigens auch das Regierungskommissariat, die Provinz Trient sowie die Gemeinden Trient und Rovereto und Vertreter der Stiftung Caritro.
Chance: Wo wird der Preis überreicht?
Dr. Galligioni: Es gibt zwei Übergaben. Während des jährlichen Kongresses des AACR, in diesem Jahr vom 1. – 5. April in Washington mit 21.900 Wissenschaftlern aus achtzig Nationen, erhält der Preisträger eine Medaille. Das Preisgeld wird in Trient im Castello del Bonconsiglio übergeben, dieses Jahr fand die Feier am 5. Mai statt.
Chance: Womit beschäftigt sich der Preisträger 2017, Dr. David Morse Livingstone?
Dr. Galligioni: Livingstone ist sowohl Onkologe als auch Forscher und Dozent. Seine Forschungen haben die Therapie von Brustkrebs und Eierstockkrebs revolutioniert und sind von höchster Aktualität.
Chance: Er befasst sich mit Genetik?
Dr. Galligioni: Seit 25 Jahren erforschen Livingstone und sein Forschungsteam, dem er den Preis gewidmet hat, die Entstehung von Brustkrebs und von Eierstockkrebs. Vor allem haben sie das Verhalten einer Reihe von spezifischen Genen untersucht, die die Entstehung dieser Krebsarten im Normalfall verhindern. Im Fall einer Mutation verliert das Gen diese Reparatur-Eigenschaft und die betreffende Frau läuft ein wesentlich höheres Risiko, an diesen Krebsarten zu erkranken. Und nicht nur, dieses mutierte Gen kann auch weitervererbt werden. Ich spreche von BRCA1 und BRCA2.
Wir verdanken es der Arbeit von Dr. Livingstone, dass diese Gene heute identifiziert und isoliert werden können. Dass Frauen getestet und wenn die Mutation vorliegt, entsprechenden Vorsorgemaßnahmen bzw. Vorkehrungen unterzogen werden und dass bereits farmakologische Therapien entwickelt worden und in Entwicklung sind, die spezifisch auf diese Gene wirken.
Chance: Abgesehen von diesem Forschungspreis vergibt die Stiftung Pezcoller noch weitere Auszeichnungen?
Dr. Galligioni: Ja, es gibt den alle zwei Jahre vergebenen und im Augenblick ausgesetzten Anerkennungs-Preis für Mediziner und Forscher, der z. B. an Umberto Veronesi vergeben worden, der nebenbei 1988 Präsident des ersten Pezcoller-Preiskomitees war. Dann vergeben wir den Pezcoller Foundation – EACR Cancer Researcher Award zusammen mit der Europäischen Krebsgesellschaft. Es handelt sich dabei um eine Auszeichnung für junge Wissenschaftler mit weniger als 15 Jahren Forschungstätigkeit nach Abschluss des Doktorats, die bereits durch vielversprechende Ergebnisse auf sich aufmerksam gemacht haben.
Chance: Aber das ist bei weitem noch nicht alles…
Dr. Galligioni: Nein, und wir sind sehr erfreut darüber, dass die Pezcoller Stiftung im Trentino von der Bevölkerung sehr wahrgenommen wird. Nicht nur, dass zahlreiche Bürger bei der Steuererklärung die Fünf Promille unserer Stiftung zukommen lassen. Es gibt auch viele Trentiner, die testamentarisch ihr Vermögen der Stiftung zugedacht haben, um damit zwölfmonatige oder sogar zweijährige Forschungsstipendien zu finanzieren. Immer im Bereich der Krebsforschung.
Chance: Die Stiftung vergibt aber nicht nur Preise und Stipendien!
Dr. Galligioni: Jedes Jahr organisieren wir hier in Trient das Pezcoller-Symposium, eine Tagung, an der Top-Forscher aus aller Welt teilnehmen – dieses Jahr am 22. und 23. Juni. Im Dezember hingegen laden wir jedes Jahr zu einer onkologischen Ärzte-Weiterbildung ein.
Chance: Sie waren bis Mai 2016 und für zwanzig Jahre Primar der Onkologie am Krankenhaus Santa Chiara in Trient,davor haben sie am onkologischen Zentrum in Aviano gearbeitet.
Dr. Galligioni: Ich bin Facharzt für Onkologie und Radiotherapie. Als ich aus Altersgründen von meiner Arbeit im Krankenhaus ausgeschieden bin, war es für mich klar, dass damit meine aktive Karriere als Arzt beendet ist, vor allem, weil es außerhalb des Krankenhauses fast unmöglich ist, sich entsprechend fortzubilden. Ich habe mich dem Volontariat gewidmet. Ich bin Vizepräsident der italienischen Krebsliga, LILT, des Trentino und im vergangenen September hat mir die Pezcoller Stiftung den Vorsitz angetragen. Es ist eine große Ehre für mich und gibt mir zudem die Möglichkeit weiter im Bereich der Onkologie tätig zu sein und auf dem neuesten Stand zu bleiben, ohne die Verantwortung für Patienten tragen zu müssen.
Professor David Morse Livingstone
Vor 74 Jahren in der Kleinstadt Salem im Norden Bostons geboren.
Studium an der Harvard Medical School (Diplom 1961) und an der Tufts Medical School (bis 1965). Seit 1973 Professor für Genetic an der Medical School Harvard.
Heute ist er Vizedirektor und Ordinarius für Genetik am Dana-Farber Krebs Institut Harvard und Direktor der Abteilung für Humangenetik am Institut für onkologische Human-Genetik Charles A. Dana.
Doktor Alessio Pezcoller (1886 – 1993)
Geboren am 23. April 1886 in Rovereto, seine Familie stammte aus dem Gadertal. Studium der Medizin in Innsbruck und Florenz.
Bis 1937 an der „Clinica Chirurgica” Mailand und anschließend Primar der Chirurgie am Krankenhaus Trient, wo er sich vornehmlich der Onkologie widmete, die damals Teilgebiet der Chirurgie war. Pezcoller widmete sein Leben der Arbeit als Arzt und der Forschung.
Nachdem er 1966 in den Ruhestand getreten ist, arbeitete er an der Idee einer Stiftung und bezog vorausblickend in seine Überlegungen auch die Stiftung Caritro von Trient und Rovereto als Fördermitglieder sowie die Gemeinden Trient und Rovereto mit ein.
1980 wurde die Stiftung offiziell gegründet, bis zu seinem Tod, 1993, stand Alessio Pezcoller seiner Stiftung als Ehrenpräsident vor.