Aktuell

Portrait einer Heilung

Chiara Stoppa verarbeitet ihre Krankheit in einem Theaterstück – Sich selbst begegnen
Seit acht Jahren tingelt sie durch Italien mit ihrem autobiographischen Theaterstück, das sie zusammen mit Mattia Fabris geschrieben hat. Ein Stück, das nicht direkt von Krebs spricht, sondern von Entscheidungen. Entscheidungen, die zu treffen sind, wenn man sich für einen Weg entscheiden muss. Wie das Leben eben so spielt.
Heute ist Chiara Stoppa 39 Jahre alt. Als sie an Krebs erkrankt ist, 2005, war sie 25. Seit drei Jahren hatte sie die Theaterakademie des Theater Piccolo in Mailand abgeschlossen, vor ihr lag eine vielversprechende Theaterkarriere. Und dann plötzlich diese Müdigkeit. Immer war sie müde. Auf Tournée in Messina geht sie ins Krankenhaus. Was sie dort nach den ersten Untersuchungen zu hören bekommt, verschlägt ihr den Atem: Sie hat Krebs, ein Hodgkin Lymphom in fortgeschrittenenm Stadium, ein bösartiger Tumor des Lymphsystems. Es beginnt der Strudel von Untersuchungen, Therapieplänen, die durch unvorhersehbare Komplikationen durcheinander gebracht werden. Die erste Chemotherapie wirkt nicht, ebensowenig die zweite und die dritte. Und das gleiche gilt für die Strahlentherapie. Chiara versucht alles: Komplementärtherapien, Gebete, Pseudoheilige - und anderes mehr. Nichts, sie bzw. ihr Krebs ist resistent gegen alles. Als letzte Möglichkeit bleibt die Rückenmarkstransplantation. Nur: ein geeigneter Spender ist nicht zur Hand, Zeit zum Warten bleibt ihr keine. Ihre Eltern sind nicht kompatibel, ihre Schwester nur zu 50%. Die Ärzte wollen es trotzdem versuchen. Aber hier widersetzt sich Chiara: „Bei 50% wurde mir erklärt, gibt es zwei Möglichkeiten, es klappt, oder ich sterbe.” Chiara will nicht, dass ihre Schwester sich schuldig fühlt, sollte es nicht funktionieren. Alles oder nichts, sagt sie und verweigert jede weitere Therapie und plötzlich kehrt Ruhe ein in ihrem Leben. Sie nimmt sich Zeit zum Meditieren, nimmt eine Onko-Psychotherapie auf. „Und das hat mir das Leben gerettet“, ist sie überzeugt. „Als es mir gelungen ist, Körper, Geist und Seele in Einklang zu bringen.“ Der Augenblick, in dem sie begonnen hat, nachzudenken, welches Leben sie denn überhaupt wollte, was sie sich vom Leben erwartete. Sie entschied sich gegen den Rat der Ärzte, einen letzten Zyklus Chemotherapie zu wagen. Und zum großen Erstaunen aller, dieses Mal sprach der Tumor auf die Therapie an. Im Juli 2018 sind es zehn Jahre, dass sie sich als geheilt betrachten kann.
In ihrem Theaterstück ist die Krankheit Metapher für Veränderung. Sie beansprucht nicht, Wahrheiten zu verkünden. Das Theaterstück ist entstanden, nachdem sie immer wieder gefragt wurde, wie sie es geschafft habe, den Krebs zu überwinden. Die Antwort ist ihre Geschichte. Und wie konnte sie diese besser erzählen, als auf der Bühne? Ihrer Welt. „Erfolg habe ich mir keinen erwartet“, betont sie. „Das war nicht wichtig.“ Es ist ein Stück für alle. Ein Monolog, der Hoffnung weckt, der zum Lachen bringt, zum Nachdenken anregt. Viele kleine Lebensmomente, aneinandergereiht wie die Perlen einer Kette, dramatisch, komisch, skuril: Nach der Diagnose, das Telefon in der Hand und Versionen ausprobieren: Wie sag ich es meiner Mutter? Ein früher Morgen im Krankenhaus, an all jene denken, die jetzt die tägliche Metrofahrt zur Arbeit, eine langweilige Sitzung, einen stressigen Arbeitstag vor sich haben und sie unendlich beneiden… Chiara spielt sich selbst, aber auch alle anderen. Die Mutter Claudia, die Ärzte, Krankenschwestern, Freunde…
Und die Angst? „Ich kann nicht sagen, welche Beziehung ich zur Angst habe“, sagt sie. „Es stimmt, ich habe gelitten, habe geweint, hatte Angst und habe sie auch noch, aber ich konzentriere mich viel lieber auf das Leben!“ Ihre Botschaft für alle, egal ob krank oder nicht: “Entspanne Dich, atme tief ein, öffne Deine Sinne, sei bereit zu wagen und vertraue dir selbst!”
Ja, und das bringt Chiara Stoppa nun schon seit acht Jahren auf die Bühne. In Begleitung eines Technikers, auf der Bühne nur sie und ein kleiner Tisch, der je nach Bedarf Stuhl wird, OP-Tisch, Rollstuhl, Krankenhausbett… Am 1. Juni trat sie auf Einladung der Vereinigung Papavero – Der Mohn im Theater Gries in Bozen auf. Im September 2014 ist das Stück als Buch erschienen: Verlag Mondadori, Ritratto della salute (alla faccia del cancro), Chiara Stoppa und Mattia Fabris.
Die Schauspielerin Chiara Stoppa erzählt seit acht Jahren auf der Bühne die Geschichte ihrer Heilung

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Mit Ruderschlägen gegen den Krebs

Dragon Boat Wochenende in Venedig für die Frauen der Bewegungstherapie
Ein Training der ganz besonderen Art haben die Mitglieder der Bewegungstherapie des Brustzentrums Meran und der Bonvicini-Klinik in Bozen absolviert: Einführung in das Dragon Boat Rudern mit Trocken- und Rudertraining in der Lagune von Venedig. Ein Bericht von Valentina Vecellio.
Dragon Boat Rudern ist eine Sportart, die gerade für brustoperierte Frauen sehr geeignet ist, besonders für die Rehabilitation der durch Operation und Strahlentherapie in Mitleidenschaft gezogenen Beweglichkeit im Schulter-Armbereich. Valentina Vecellio, zertifizierte klinisch-onkologisches Sporttrainerin und selbst Betroffene, begleitete die Gruppe. Schon 1996 hat der kanadische Sportarzt Don McKenzie diese Therapie durch ein Pink Ladies Pilotprojekt bekannt gemacht, an dem sich damals 24 Frauen beteiligt hatten.
Die Tradition des Dragon Boat Ruderns stammt aus China und wurde schon im 5. Jahrhundert von den Fischern praktiziert, um sich die Flussgötter wohlgesinnt zu machen. Die schmalen und langen Boote haben die stilisierte Form eines Drachens und bieten Platz für 10 bis 20 Personen, begleitet vom Steuermann und einem Tamburin, das den Rythmus angibt.
Nach drei Tagen unermüdlichen Trainings in der Halle und mit den Booten hatten die Südtiroler Pink Ladies die Ehre unter Anleitung von “Kapitän“ Andrea Bedin, Präsident der Venice Canoe & Dragon Boat a.s.d., den Canal Grande entlangzufahren. Eine unbeschreibliche Erfahrung war es, Gondeln gleich elegant unter den Brücken durchzugleiten, angeheuert von zahlreichen Touristen und Venezianern, die sich dieses Schauspiel nicht entgehen lassen wollten. Und keine Frage: wie die echten Gondolieri erhoben auch die Südtirolerinnen unter den Brücken ihre Ruder zum symbolischen Gruß gen Himmel.
Auf dem Wasser der Kanäle erlebten die Frauen ein Venedig, wie es sonst nur wenige sehen, jenseits der Touristenwege. Jenes der vollgehängten Wäscheleinen, des Alltags in einer der schönsten Städte der Welt. Und das alles im Zeichen der Solidarität und der Gemeinschaft, des Team-Buildings und der Selbsterkenntnis, der wertvollen Erfahrung, „Wir sitzen alle in einem Boot“. Dragon Boat Rudern stärkt nicht nur Arme und Schultern, sondern auch den Geist und das Selbstbewusstsein.
Valeria Paolini hat das Südtiroler Team in besonderem Maße unterstützt. Gebürtig aus Mestre, hat auch sie nach ihrer Brustkrebserkrankung das Dragon Boat kennengelernt. Dank dieser sportlichen Aktivität hat sie nicht nur ihr physisches Gleichgewicht wiedergefunden, sondern auch ihre Depression überwunden. 2016 hat sie an der Olympiade in Moskau teilgenommen.
Das Training besteht aus dem Erlernen der Basis-Manöver, der Auswahl der beiden Hauptruderinnen, das Erlernen der Signale, die den Rythmus angeben, das Rudern nach Anweisung und das intuitive Rudern. Und das war auch der magischste Augenblick des Wochenendes: Als es gelungen ist, ohne Anweisung und alle im gleichen Rythmus auf dem Boot durch das Wasser zu gleiten und die Ruder im gleichen Takt die Wasseroberfläche einschnitten.
Steuermann Andrea Bedin war überrascht von der Ausdauer der Frauen und von ihrer Willenskraft. „Noch ein paar Trainingsstunden mehr und nächstes Jahr könnt ihr an der “Voga Longa” teilnehmen!" Das regelmäßige Training mit Valentina Vecellio in der Bewegungstherapie, ob in der Halle oder im Schwimmbad, hat den Frauen Kraft und Ausdauer verliehen.
Und es war auch Valentina, die mit Hartnäckigkeit und Ausdauer das Projekt Dragon Boat vorangetrieben hat. Die Südtiroler Krebshilfe ist ihr entgegen gekommen und hat großzügig das Dragon Boat Training finanziert, so dass die Frauen nur die Kosten für Verpflegung, Unterkunft und Reise tragen mussten. Ein Traum ging in Erfüllung!
Zurück von Venedig haben die Frauen der Bewegungstherapie nicht nur neues Selbstvertrauen gefunden, sie sind nun auch Teil eines weltweiten Netzwerkes von über 200 Dragon Boat Gruppen in 26 Ländern. Und wer weiß, bei der nächsten Voga Longa geht vielleicht tatsächlich ein Boot mit rosa Besatzung an den Start!
Die stolzen Pink Ladies aus Südtirol mit ihren Dragonboat-Trainern und mit Valeria Paolini
Links: Die Besatzung des Dragonboats / Rechts: Andrea Bedin mit Valentina Vecellio