Der Park vor dem Fenster legt schon sein Herbstkleid an. Vögel fliegen vorbei. Im Hintergrund erkennt man schemenhaft die Stadt und die umliegenden Berge. Ein friedlicher Ort. Ein Ort zum Innehalten und zum Abschied nehmen. Das Hospiz Martinsbrunn in Meran.
Arbeiten im Team. Eine der regelmäßigen interdisziplinären Sitzungen
Martinsbrunn hat eine lange Geschichte hinter sich, im Treppenhaus hängen noch Fotos aus alten Zeiten, als das Haus dem Zauberberg von Thomas Mann gleich, ein Lungensanatorium mit elegant eingerichteten Aufenthaltsräumen war. Später wurde es ein Lazarett, nach dem Krieg eine Kur- und Geburtenklinik. Mittlerweile ist es eine Klinik für Reha, für post-akute und Langzeit Fälle, für Dermatologie, es gibt eine Ambulanz, ein Labor für Blutproben und eben das Hospiz, bzw. die Palliativstation. Die private subventionierte Belegklinik wird von den Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul geführt.
Eröffnet wurde diese Abteilung vor neun Jahren, anfänglich nur für Krebskranke, mittlerweile finden auch Patienten mit neurologischer oder internistischer Diagnose Aufnahme. Die Hälfte der Patienten kommt für ein paar Tage, um dann wieder gestärkt und schmerzfrei nachhause zu gehen. Die Station verfügt über zwölf Betten in Einzelzimmern, allemit Blick auf den Park, die meisten mit Balkon. Die durchschnittliche Verweildauer der Patienten liegt bei knapp zwanzig Tagen. Manche bleiben nur wenige Tage, manche wochenlang.„Wenn die Indikation gegeben ist, schicken wir niemanden nachhause, wir halten aber auch niemanden zurück, der wieder nachhause möchte und versuchen in Zusammenarbeit mit Familie und Sprengel dieses Zuhausebleiben zu ermöglichen“, erklärt Dr. Andrea Gabis, die ärztliche Leiterin der Palliativstation. Ihr zur Seite steht Dr. Reya Dadyar.
Der Pflegeschlüssel auf dieser Station ist eins zu eins. Zwei Ärzte, neun Pflegerinnen und drei Pfleger, zwei Klosterfrauen und drei Hausfrauen arbeiten auf der Station. Dazu kommen Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Seelsorger, der Psychologe unddie Freiwilligen des Hospizdienstes der Caritas.
„Bei uns herrscht ein anderer Ablauf als im normalen Krankenhaus. Wir haben vor allem eines: Zeit“, betont Dr. Gabis. Besonders wichtig sei für die Arbeit des Teams das Sich-Ziele-Setzen. Erfolge haben. Step bei Step. „Wir sind offen für alle Wünschen des Patienten, er bestimmt, was mit ihm geschieht. Wir setzen einen Kontrapunkt zur aktiven Sterbehilfe. Zu uns kommt man nicht zum Sterben, sondern, um die Zeit, die einem bleibt, besser zu leben.“
Natürlich bedeutet die Arbeit auf einer Palliativstation auch, sich mit dem Tod, mit dem Sterben auseinanderzusetzen. Der Tod als Teil des Lebens. So sehen es die Mitarbeiter der Station und versuchen dies auch ihren Patienten und deren Angehörigen, die frei aus- und eingehen und auch auf der Station übernachten können, zu vermitteln.
Gearbeitet wird hier im Team. Darauf legt Dr. Andrea Gabis größten Wert. An den regelmäßigen interdisziplinären Sitzungen nehmen alle Mitarbeiter der Abteilung teil, von den Hausfrauen, wie das Reinigungspersonal hier genannt wird, über die Pfleger bis zu den Ärzten. Besprochen werden die Patienten, aber auch das Befinden der Mitarbeiter, die zudem regelmäßige Supervisonen haben, ist ein Thema.
Evelyn Messner und Monika Köllemann sind die beiden Pflege-Koordinatorinnen auf der Abteilung. Evelyn ist seit zwei Jahren in Martinsbrunn, vorher war sie Leiterin der Tagesbetreuung im Altersheim St. Pauls. Evelyn kümmert sichauch um die sozialen Belange der Patienten. Hilft bei Beantragung von Pflegegeld und bei anderen bürokratischen Angelegenheiten. „Für mich ist es, als ob die Seele hier reifen würde“, fasst sie ihre Eindrücke von der Station zusammen. Arbeiten auf der Palliativstation empfindet sie als eineBereicherung für ihr persönliches Leben. „Wer hier arbeitet, verliert die Angst vor dem Tod. Im Gegenteil, wir beschäftigen uns positiv damit, lernen von unseren Patienten, wachsen an ihnen.“
Evelyn führt uns stolz durch die Abteilung. Zeigt uns die Chill-Ecke mit bequemen Longchaisen voreinem Panoramafenster. Die bunte Kinderecke. Die Sitzecke, wo auch mit den Verwandten gegessen werden kann. Das Erinnerungsbuch.
Auch die zweite Evelyn auf der Station, Evelyn Anderle, arbeitet seit zwei Jahren hier. Sie kam vom Hauspflegedient im Sprengel. „Was ich hier ganz positiv erlebe, ist die Teamarbeit. Ich habe einerseits die Möglichkeit, mich intensiv mit dem Patienten zu beschäftigen, bin aber nicht allein, kann mich auf den Rückhalt und die Hilfe im Team verlassen.“ Besonders wichtig ist ihr der Aspekt der Freiheit bei ihrer Arbeit. „Kein Patient wird gezwungen etwas zutun. Wenn er nicht essen will, muss er nicht, wenn er nicht aufstehen will, kann er liegenbleiben. Seine Bedürfnisse stehen im Mittelpunkt, nicht der Ablauf der Arbeit auf der Station.“
„Unsere Patienten sind froh, wenn sie hier sind, erleben das Hospiz positiv. Wir gehen auf sie ein, jederPatient bestimmt selbst, was mit ihm passiert. Wir sind ganz offen“, betont Dr. Gabis. Jeder Patient bestimmt auch die Nähe, die er zulässt. Manche möchten mit dem Pflegeteam über ihre Situation sprechen, andere ziehen es vor zu schweigen. Das wird respektiert. Viele haben auch konkrete Fragen, die sie ganz offen in den Raum stellen und auf die sie sich offene Antworten erwarten. Wie wird es sein,was erwartet mich? Wie lange kann ich so noch weiterleben? Dr. Andrea Gabis:„Unsere Aufgabe ist auch, dem Tod als Teil des Lebens einen Sinn zu geben, den Menschen dabei zu helfen, sich bewusst zu verabschieden. Wenn es dem Patienten gut geht, kann er seine Dinge regeln, kann Gespräche führen, kann loslassen …“ Der Patient und seine Angehörigen stehen im Vordergrund. „Die Lebensqualität des Patienten hat für uns absolute Priorität.“
Ohne die Unterstützung der Familienangehörigen und der Freiwilligen des Hospizdienstes der Caritas wäre diese Arbeit so nicht möglich. „Es ist wie ein Puzzle, jeder ist wichtig für das Ganze.“ Auch den Hausfrauen kommt in diesem Sinne eine ganz wichtige Rolle zu. Evelyn Messner: „Die Patienten warten schon immer darauf, dass sie ins Zimmer kommen. Mit ihnen können sie frei reden, ratschen, scherzen oder weinen, ohne dass es um ihren Zustand geht.“
Die Palliativstation ist eine offene Station in jedem Sinn. Hochzeiten wurden hier schon gefeiert, Taufen und wenn es einem Patienten wichtig ist, dann wird über die Hintertür auch der vierbeinige Liebling hereingeschmuggelt. Eben wie es auf der Webseite steht: „Angeboten wird eine umfassende medizinisch, pflegerisch, psychologische sowie seelsorgerische Betreuung. Unser absolutes Ziel ist die bestmögliche Lebensqualität für den Patienten und dessen Angehörige.“ Und auch dieses Zitat von Friedrich Nietzsche steht auf der Webseite: „Gesundheit ist dasjenige Maß an Krankheit, das es mir noch erlaubt, meinen wesentlichen Beschäftigungen nachzugehen.“
Die Palliativstation steht jedem Patienten mit entsprechender Indikation im Rahmen des öffentlichen Sanitätsdienstes offen. Für die Aufnahme müssen selten mehr als ein oder zwei Tage gewartet werden; Patienten von zuhause haben Vorrang vor Patienten, die bereits im Krankenhaus stationär behandelt werden.
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Dr. Andrea Gabis
Evelyn Anderle
Pflegekoordinatorin Evelyn Messner