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Klinik mit Herz

Das Day Hospital in Innichen Chemotherapie Nachsorgekontrollen

Auf dem kleinen Tisch in der Mitte des hellen Raumes liegt ein kleines Hufeisen aus Metall. Glücksbringer. An diesem Tisch sitzen sie zusammen und besprechen das Tagesprogramm oder sie trinken gemeinsam eine schnelle Tasse Kaffee, bevor es weitergeht oder sie besprechen mit Patienten und Angehörigen Diagnose und Therapie. Rundherum technische Apparaturen, die „Weihnachtsbäume“, die darauf warten behängt zu werden, sprich die Infusionsstellagen für die Chemotherapie-Präparate, an der Wand ein buntes Bild aus der Maltherapie der Krebshilfe.
S ie, das ist das Team der onkologischen Tagesklinik am Krankenhaus Innichen. Sie werben mit dem Slogan „Klinik mit Herz“ und das sind sie auch. Das Team ist eingearbeitet, ein Herz und eine Seele und eine Hand greift in die andere in der Organisation der täglichen Arbeit. Zu dritt sind sie: Die Internistin Evelin Hainz leitet die Abteilung, unterstützt von den Krankenschwestern Isabella Lechner und Barbara Hofmann. Die Patienten kommen hierher zur Chemotherapie, zur Verabreichung von Infusionen im Rahmen der komplementärmedizinischen Behandlung, zu Blutentnahmen oder zum Spülen der subkutanen Katheder. Jeden Morgen von halb acht Uhr bis zum Teil weit in den Nachmittag arbeiten sie. Kein Tag ist wie der andere. Schichtdienst gibt es keinen, die Patienten kommen am Morgen und gehen nach Beendigung der Therapie. Jedes Mal wenn sie kommen, treffen sie auf dieselben vertrauten Gesichter.
Isabella ist die Seele der Abteilung, vom ersten Tag an, seit zehn Jahren versieht sie hier ihren Dienst in den Räumen der ehemaligen Inneren Medizin 1. „Meine erste Patientin“ erzählt sie, winkt mir noch heute auf der Straße zu, wenn sie an mir vorbeigeht.“ Ein gutes Omen! Vorher war sie in der Pädiatrie. Sie weiß, wen sie am besten zusammenlegt, wer was am liebsten isst, wer gerne ein paar Worte tauscht oder wer lieber in Ruhe gelassen wird. Jetzt überprüft sie gerade ein letztes Mal, ob sie alles richtig angehängt hat und kontrolliert die Barcodes. Jeder Patient erhält sein ganz spezielles Präparat, verwechselt werden darf nichts. Die in der Krankenhaus-Apotheke von Bruneck jeden Tag vorbereiteten Chemotherapien tragen einen Barcode, der auf die Patientenkartei geheftet wird. Alles nachvollziehbar.
In ihrem Schutzanzug, mit großer Astronautenbrille, Mund und Nase bedeckt von der weißen Wegwerf-Maske, an den Händen blaue Handschuhe sieht sie aus wie einem amerikanischen Science Fiction-Film entsprungen. Mit dem „Weihnachtsbaum“ verschwindet sie im Zimmer 1, wo die Patientin, eine junge Frau von 37 Jahren, auf ihre Behandlung wartet. Sie hatte gerade zwei Freundinnen zu Besuch, die sich jetzt verabschieden.
Es ist 11.45 Uhr. Für die nächsten vier Stunden wird die Patientin an den Infusionen hängen. Tropfenzähler kontrollieren die genaue Abgabemenge. Bei der kleinsten Störung sind die Schwestern oder die Ärztin gleich zur Stelle. Zwischendurch wird ein Beutel mit physiologischer Lösung angeschlossen, zum Durchspülen der Nieren. Die Schutzkleidung schützt Isabella vor den Dämpfen oder eventuellem Austreten von Flüssigkeit. Die Chemotherapie ist schließlich ein starkes Zellgift. „Die Patienten erhalten es je nach Therapie alle zwei bis drei Wochen; wir sind jeden Tag mehrmals mit diesen Substanzen in Berührung.“ Deshalb der Schutzanzug, den Isabella nur der Vernunft halber erträgt und sobald sie im Behandlungszimmer zurück ist, sofort auszieht. Die Patientin ist angehängt, der Kreislauf geschlossen. Jetzt braucht Isabella den Anzug erst wieder beim Abhängen und bis dahin trägt sie normale Arbeitskleidung, wenn sie in die Zimmer zu den Patienten geht.
Barbara hat sich inzwischen ebenfalls umgezogen, sie bereitet die Chemotherapie für die nächsten Patientinnen vor. In Zimmer 2 sind vier Betten, heute alles Frauen. Die vierte Patientin ist gerade eben angekommen. Eine erhält schon die Therapie. Aus dem Zimmer dringen Stimmen, die Frauen sprechen auf Italienisch und auf Deutsch zmiteinander. Einzugsgebiet ist das gesamte Oberpustertal, aber viele Patienten kommen auch aus Comelico oder Cortina hierher. Barbara ist erst seit zwei Wochen im Day Hospital. Wer ihr beim Arbeiten zusieht, glaubt, sie gehöre schon seit Jahren zum Team. Sie fühlt sich auch so. „Ich würde nicht mehr tauschen“, erklärt sie. „Nicht nur wegen der Arbeitszeiten und weil ich hier keinen Nachtdienst versehen muss. Die Atmosphäre ist einfach einzigartig.“
Agnes Mair aus Gsies bekommt heute keine Chemotherapie sondern eine Vitamin-Infusion. Sie ist in Brixen in onkologischer Behandlung und kommt seit zwei Monaten alle drei Wochen in die Tagesklinik, von 10 bis 19 Uhr. Im Dezember wird entschieden, wie ihre Behandlung fortgesetzt wird. „Ich schätze diese besondere Mischung von familiärer Atmosphäre und professioneller Behandlung.“

Pina Orioli Monti ist seit drei Jahren Patientin in der Tagesklinik Innichen. „Wir werden hier so verwöhnt, dass wir fast gerne herkommen“, meint sie. Trotz allem sei es kein trauriger Ort und im Gespräch mit den Bettgenossinnen vergehe der Tag auch immer sehr schnell.
Seit der Reform der Tumorchirurgie werden in Innichen keine Krebsoperationen mehr vorgenommen. Die verantwortliche Ärztin der Abteilung, Evelin Hainz, findet das in Ordnung so. „Es waren ja nur wenige Fälle. Wir schicken unsere Patienten je nach Diagnose in die spezialisierten Zentren nach Bruneck, Brixen, Bozen oder Meran und stehen in engem Kontakt mit den dortigen Kollegen.“

Team mit Herz, v. l. Isabella Lechner, Dr. Evelin Hainz und Barbara HofmannTeam mit Herz, v. l. Isabella Lechner, Dr. Evelin Hainz und Barbara Hofmann

Die Voruntersuchungen für die Diagnose können zum Großteil in Innichen durchgeführt werden, wie z. B. Darm- oder Magenspiegelung. Das Blut wird hier abgenommen und ins Labor nach Bruneck oder Brixen geschickt. Jeden Dienstag-Nachmittag findet die Videokonferenz mit dem Tumorboard in Bozen statt, wo alle Fälle interdisziplinär diskutiert werden und die Ärzte der unterschiedlichen Spezialisierungen gemeinsam die Therapie entscheiden. Die Patienten erfahren ihre Diagnose in Innichen, das ihr Referenzzentrum auch nach dem Eingriff bleibt. Dienstags und donnerstags können die Patienten bei Bedarf mit dem Onko-Psychologen sprechen.
Nicht jeder Tag ist gleich, aber im Schnitt sind es vier bis sechs Patienten, die zur Chemotherapie ins Day Hospital kommen. Zunehmend hat es das Team in Innichen auch mit jungen Patienten zu tun. „In der Regel sind die jüngeren Patienten sehr aufgeklärt, schon wenn sie zu uns kommen und sie stellen viele Fragen zu Prognose und Therapie. Nicht selten holen sie auch Zweit- und Drittmeinungen ein“, erklärt Dr. Hainz.

Wie die Patienten die Zeit der Therapie verbringen ist ganz unterschiedlich. Einige lesen, andere spielen mit dem Handy oder schlafen. Es entwickeln sich Freundschaften. Auf dem Korridor ist plötzlich Kichern zu hören. Zwei Medicus Comicus laufen vorbei, Priscilla und Susy. Auf dem Weg zu den Stationen im Obergeschoss. Jeden Donnerstag-Vormittag sind sie in Innichen, am Nachmittag in Bruneck.
Das erste Zimmer im Korridor ist ein kleines Einzelzimmer. Am Tag unseres Besuches ist es besetzt von Anton Schönegger. Mann der ersten Stunde nennt er sich lachend. Er ist seit zehn Jahren regelmäßiger Gast. Der selbständige Elektriker aus Vierschach ist kein Krebspatient, er leidet an einer seltenen Autoimmunerkrankung und muss in mehr oder weniger großen Abständen Immunglobulin-Infusionen erhalten. Er schätzt die Zuvorkommenheit und die Flexibilität der Tagesklinik. Wenn es sein muss kann er seinen Termin verschieben oder vorverlegen. No problem.
Die Tagesklinik liegt im Hochparterre. Von den großen Fenstern schaut man hinaus in den Garten des Krankenhauses. Ende Oktober sind die Bäume bunt gefärbt. Heute, Donnerstag 23. Oktober, fällt in dichten großen Flocken der erste Schnee. Von den Betten sieht man Garten und Himmel. „Eine unserer Patientinnen, erzählt Evelin Hainz versonnen mit ihrer melodischen mädchenhaften Stimme, „lässt ihr Bett immer der Sonne nachrücken, wenn sie hier ist.“

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Erste Bestandsaufnahme seit Inkrafttreten der Reform der Tumorchirurgie

Seit vergangenen Januar sind die Bestimmungen im Rahmen der Reform der Tumorchirurgie in Kraft. Nicht alle Kritiker der Reform, vor allem unter den Chirurgen, haben sich damit abgefunden, aber die tägliche Praxis zeigt, dass es funktioniert. Das Herz der Reform ist die Schaffung des Tumorboards, das alle sieben Krankenhäuser und alle Fachkräfte und Experten zusammenschaltet.
D r. Luca Armanaschi, Direktor des Amts für klinische und strategische Entwicklung, ist zuständig für die Vereinheitlichung des Sanitätsbetriebes sowie für die Förderung der Umsetzung und Weiterführung der klinischen Reform im Krankenhausbereich und auf dem Territorium durch Unterstützung von entsprechenden organisatorischen Veränderungen. Wir haben ihn um eine erste Bestandsaufnahme gebeten.
Chance: Was ist für sie der Schwerpunkt der Reform?
Dr. Luca Armanaschi: In den vier Südtiroler Schwerpunktkrankenhäusern, Bozen, Meran, Brixen und Bruneck können wir den Patienten das Maximum an Kompetenz und Erfahrung bieten. Jeder onkologische Patient in Südtirol hat die Gewissheit, dass er von einem in seiner Pathologie erfahrenen Chirurgen operiert wird.
Chance: Können sich die Patienten aussuchen, von welchem Chirurgen sie operiert werden möchten?
Dr. Luca Armanaschi: Nein, das nicht, aber es existiert eine Liste mit allen zugelassenen Namen, so dass der Patient sich genau informieren kann, wer derjenige ist, der den Eingriff durchführt. Es hängt schlussendlich davon ab, wo die Erstdiagnose erstellt wurde, wo der Patient wohnt. Die im Rahmen der Reform geforderten Zertifikationen gelten in allen Bereichen, Gynäkologie, Gastro, Hals-Nasen-Ohren, allgemeine Chirurgie, Urologie… All diese Chirurgen müssen eine bestimmt Anzahl von Operationen im Jahr nachweisen. Zahlen, die wir nicht erfunden haben, sondern die internationalen Protokollen entnommen sind.
Chance: Mit der Reform ist die Einführung eines wichtigen Instruments verbunden, des Tumorboards.
Dr. Luca Armanaschi: Genau und über dieses Tumorboard können wir alle Personen, die sich mit dem jeweiligen Fall befassen sozusagen an einem runden Tisch zusammenführen. Das Tumorboard vernetzt alle. Das Diagnose-Team, Chirurgen, diejenigen, die den Patienten während des Follow-Up betreuen. Der Patient kann sich sicher sein, dass sein Fall von allen Seiten beleuchtet worden ist, Wissen und Erfahrung von den verschiedenen Figuren, Ärzte, Chirurgen, Radiologen, Techniker, Pflegepersonal, Psychologen usw. fließt zusammen. Das Tumorboard bedient sich der Kompetenzen und Erfahrungen aller. Jeder Fall wird vorgestellt von dem Arzt, der die Diagnose gestellt hat, die Therapie, das gesamte Behandlungsprotokoll liegt dann aber nicht im Ermessen eines einzelnen, sondern wird gemeinsam interdisziplinär diskutiert und entschieden. Pro und kontra werden abgewogen, jeder Spezialist bringt seine Erfahrungen, seine ganz besondere Kompetenz mit ein. Der Patient kann versichert sein, dass sein ganz besonderer Fall unter jedem Blickwinkel beleuchtet und nach bestem Wissen und Gewissen gemäß der neuesten Erkenntnisse behandelt wird.
Chance: Wie läuft dieses Tumorboard konkret ab?
Dr. Luca Armanaschi: Alle Krankenhäuser nehmen an den wöchentlichen Sitzungen teil. Ich sage alle, im Augenblick fehlt noch Schlanders, aber nicht mehr lange. Zurück zur Frage. Jeden Dienstag ab 14 Uhr werden Fälle von Dickdarmkrebs präsentiert, mittwochs um die gleiche Zeit geht es um Hals Nasen Ohren-Patienten, donnerstags um Brustkrebspatientinnen. Beteiligt sind die jeweiligen Fachärzte, Radiologen, Techniker, Onkologen, Therapeuten, Techniker, Krankenpflegepersonal, Psychologen das heißt, alle, die in irgendeiner Weise in die Behandlung der jeweiligen Patienten eingebunden sind.
Chance: Man ist also vom direkten Gespräch, vom Telefonat zum virtuellen Kontakt übergegangen.
Dr. Luca Armanaschi: Nein, da täuschen Sie sich. Vorher wurde eben nicht miteinander geredet, der Austausch, zumal interdisziplinärer Natur war eine absolute Ausnahme. Es gab keine Kommunikation. Schon gar nicht von einem Krankenhaus zum anderen. In diesem Sinne hat das Tumorboard auch eine, nennen wir es weiterbildende Funktion. Jeder Teilnehmer kann von den Erfahrungen, von den Exzellenzen des anderen profitieren. Man kann sich austauschen über Nebenwirkungen, über alternative Pharmaka, über mögliche Allergien usw. Sollte während einer Sitzung kein gemeinsamer Nenner gefunden werden, sollten unterschiedliche Ansätze für das Behandlungsprotokoll vorliegen, so ist dies Anlass, weitere Experten zu Rate zu ziehen, bzw. nach weiteren Alternativen zu forschen, bis wirklich jeder der Teilnehmer zufrieden ist und die gewählte Lösung voll und ganz mittragen kann.
Chance: Sie haben vier Gebiete genannt, zu denen sich das Tumorboard trifft. Das ist ja nicht alles…
Dr. Luca Armanaschi: Mit Jahresbeginn werden auch die Fälle im Bereich Urologie, weibliche Genitalien, und Magen zur Diskussion kommen.
Chance: Das Netz musste neu aufgebaut werden?
Dr. Luca Armanaschi: Wir haben über 20.000 € in die modernste Technologie investiert. Es ist mir in der Tat wichtig zu betonen, dass die Reform der Tumorchirurgie nicht als Sparmaßnahme anzusehen ist. Im Gegenteil. Diese Reform zielt darauf, die Patienten in Südtirol gemäß modernster internationaler Standards zu behandeln.
Chance: Was ist mit den Chirurgen, die außen vor geblieben sind, also die an den peripheren Krankenhäusern arbeiten, wo keine Tumorchirurgie oder nur in ganz beschränktem Ausmaß durchgeführt werden darf? Haben sie die Möglichkeit an anderen Krankenhäusern in Südtirol an solchen Operationen teilzunehmen?
Dr. Luca Armanaschi: Sie meinen, ob sie sich von einem zum anderen Krankenhaus bewegen, austauschen können? Von unserer Seite steht dem Nichts entgegen, das muss der jeweilige Sprengel entscheiden, der direkte Arbeitgeber, der diesen Chirurgen bezahlt.

Dr. Luca ArmanaschiDr. Luca Armanaschi