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So hilft Südtirol

Schnell und unbürokratisch/ In neun Jahren 3,3 Mio. Euro an Spenden verteilt

Der Vorstand von „Südtirol hilft“ mit Landeshauptmann, Bischof und Cellina von Mannstein/ Brauerei Forst Der Vorstand von „Südtirol hilft“ mit Landeshauptmann, Bischof und Cellina von Mannstein/ Brauerei Forst Endspurt des großen Spendenmarathons am 23. Dezember im FunkhausEndspurt des großen Spendenmarathons am 23. Dezember im Funkhaus

An Weihnachten ist es allgegenwärtig: „Südtirol hilft“. Wer kennt nicht die große Spendenaktion von Radio Tirol, Südtirol 1, Caritas, Bäuerlichem Notstandsfonds und Südtiroler Krebshilfe? Der große Spendenmarathon am 23. Dezember setzt den Schlusspunkt bis zum nächsten Ersten Advent. Aber eigentlich geht es danach erst richtig los!
Angefangen hat alles vor neun Jahren als drei Hilfsorganisationen auf Anregung von Heiner Feuer, Programmchef von Radio Tirol und Südtirol 1, den Verein „Südtirol hilft“ gründeten: die Südtiroler Krebshilfe, Caritas und der Bäuerliche Notstandsfond. Die jeweiligen Geschäftsführer bilden den Vorstand von „Südtirol hilft“, im Fall der Südtiroler Krebshilfe ist das Koordinator Unterkircher.
Weihnachten ist Spendenzeit. In der Adventszeit erinnern sich viele Menschen derer, die im Schatten stehen und viele Hilfsorganisationen nutzen die besondere von weihnachtlicher Stimmung und familiärer Feiern bestimmte Atmosphäre, um an die Großzügigkeit der Menschen zu appellieren. Überall und natürlich auch in Südtirol. Heiner Feuer steht dem Verein als Präsident vor: „Wir als Medien wurden in der Vorweihnachtszeit regelrecht bombardiert mit Spendenaufrufen, das war fast wie ein Wettlauf und am Ende haben unsere Hörer überhaupt nicht mehr durchgeblickt.“ Die Idee, alles zu bündeln, sollte sich als Glücksgriff erweisen.
Die Gründungsvereine decken unterschiedliche Bereiche ab: Krankheit, Notsituationen von Bauern und Hilfe für Obdachlose und soziale Notfälle. „Südtirol hilft“ beschränkt sich aber nicht nur auf diese drei Gründungsmitglieder, die auch im Vorstand des Vereins vertreten sind, sondern lädt auch andere Vereine zum Mitmachen ein. „Es ist eine offene Aktion“, erklärt Heiner Feuer. Voraussetzung ist allerdings, dass die während der Adventszeit gesammelten Spenden Südtirolern zu Gute kommen und dass die betreffenden Vereine sich verpflichten, in diesen vier Wochen keine weiteren, konkurrierenden Aktionen zu organisieren.“
Der Kreis hat sich erweitert, mittlerweile sind viele wohltätige Vereinigungen Südtirols Partner der großen Südtirol-hilft-Familie. Peter Pan, die Mukoviszidose-Vereinigung, die Vinzenzgemeinschaft – ihr hat „Südtirol hilft“ den „Vinzibus“ finanziert, Licht für Senioren und wie sie alle heißen.
Den Südtirolern gefällt die Idee, zu Weihnachten in Südtirol, im eigenen Haus sozusagen, zu helfen. Im ersten Jahr konnte die Hilfsaktion 50.000 € an Spenden verbuchen, im zweiten Jahr 100.000 €, am 23. Dezember 2014 konnte die magische 500.000 € Grenze überschritten werden. Mit anderen Worten, im letzten Jahr hat im Schnitt jeder Südtiroler einen Euro gespendet! In neun Jahren konnten insgesamt 3,3 Millionen gesammelt und an knapp tausend Familien und Einzelpersonen weitergegeben werden. Tatsächlich sind es tausende Südtiroler, die für die gute Sache spenden. Ähnliche Aktionen wie z. B. „Ein Herz für Kinder“, bzw. Spendenaktionen im ZDF oder in der Bildzeitung in Deutschland können längst nicht solche Zahlen vorweisen. Dort ist man stolz auf 20 Cent pro Einwohner.
Genau hier liegt auch das Erfolgsgeheimnis von „Südtirol hilft“. Jede Spende ist willkommen und jede Spende ist es wert, genannt zu werden und ist sie noch so klein. Ein Achtjähriger, der sein wöchentliches Taschengeld von 5 € spendet ist genauso erwähnenswert wie die Belegschaft einer Firma, die 500 € spendet oder ein Unternehmen, das einen vierstelligen Betrag zur Verfügung stellt. Es zählt die Geste.
Wie funktioniert aber nun das Ganze? Wer bekommt was und wer entscheidet darüber? Eigentlich ganz einfach. Die Vereine suchen besondere Notfälle aus, bei denen die üblichen Hilfsmaßnahmen nicht greifen. Eine Bauernfamilie hat ihr Haus durch einen Brand verloren. Eine Familie ist in finanzielle Not geraten, weil der Vater, Alleinverdiener, an Krebs erkrankt ist oder nach einem Unfall im Koma lieg. Ein Mann vertrinkt das ganze Geld und seine Frau weiß nicht, wie sie den Kindern Kleidung und Essen bezahlen soll. Eine junge Mutter stirbt. Ein Kind erkrankt an Krebs und benötigt kostspielige Therapien... Es gibt viele unterschiedliche Notsituationen, die individuelle, unbürokratische und schnelle Hilfe brauchen. Nicht nur die Vereine auch jeder einzelne Südtiroler kann einen ihm bekannten Notfall in der Nachbarschaft oder im Dorf melden.
Die Hilfestellungen werden dem jeweiligen Fall angepasst. Eine einmalige Auszahlung, ein monatlicher Dauerauftrag oder ein monatlicher Einkaufsgutschein in einem Lebensmittelgeschäft. Sicher ist, dass das gespendete Geld genau dort hinkommt, wo es hilft.
„Wir sind stolz darauf, dass wir die bei uns eingehenden Spenden zu hundert Prozent weitergeben“, betont Heiner Feuer. Wer bei „Südtirol hilft“ mitarbeitet – und das sind immerhin mehr als fünfzig Personen - tut dies ehrenamtlich, Portospesen und sonst anfallende Kosten werden von Sponsoren wie Raiffeisen, Stiftung Sparkasse, Brennercom oder der Werbeagentur ACC getragen.
Konkurrenz gibt es unter den beteiligten Vereinen nicht. Was an Spenden eingenommen wird, reicht, um viele Notsituationen zu lindern. Es kommt keiner zu kurz. Bei der Krebshilfe zum Beispiel gibt es das ganze Jahr über immer wieder Fälle, wo es kleinere Summen braucht, um über einen momentanen finanziellen Engpass zu helfen oder um Therapien zu finanzieren, bzw. mit den Therapien verbundene Spesen wie z. B. Fahrt- oder Übernachtungskosten. Beim bäuerlichen Notstandsfond gibt es weniger Fälle, aber unter Umständen muss mit Einzelspenden von 20.000 oder auch mehr Euro geholfen werden, wenn z. B. eine Familie durch einen Brand oder durch einen Erdrutsch den Stadl oder gar das Haus verliert. Bei der Caritas braucht es zum Teil kontinuierliche Hilfen über einen bestimmten, absehbaren Zeitraum.
„Jeder Fall wird von dem vorschlagenden Verein eingehend geprüft, bevor er dem Vorstand vorgelegt wird, dann entscheiden wir gemeinsam“, erklärt Präsident Heiner Feuer.
Höhepunkt einer jeden Weihnachtsaktion von „Südtirol hilft“ ist der Spendenmarathon am 23. Dezember. Von 6 bis 22 Uhr laufen die Telefone bei Radio Tirol und bei Südtirol 1 heiß. Prominente, Unternehmer, Vorstandsmitglieder, Moderatoren, Sportler wechseln sich am Spendentelefon ab, Bischof Ivo Muser, Landeshauptmann Arno Kompatscher, Spieler des FC Südtirol u. v. a. m.
Die Moderatoren berichten im Viertelstundentakt den ganzen Tag über Fälle, wo „Südtirol hilft“ helfen konnte. Jeder auf seine ganz persönliche Weise bemüht, den Funken der Begeisterung, die das Südtirol-hilft–Team verbindet, überspringen zu lassen. „Es ist jedes Jahr wieder unglaublich zu sehen, wie unmittelbar die Menschen reagieren“, so Heiner Feuer. „Kurz nach den Fallbeschreibungen laufen die Telefone heiß, dann flaut das Ganze etwas ab bis zur Vorstellung der nächsten Notlage.“ Mit Spannung verfolgen die Südtiroler in jedem Jahr auch die Prominentenversteigerung. Ein Fußballspiel mit LH Arno Kompatscher oder der Besuch der Italienpremiere seines jüngsten Films mit Schauspieler Til Schweiger und eine Komparsen-Rolle in seinem nächsten Tatort sind den Spendern im vergangenen Dezember immerhin 13.000 bzw. 7.000 € wert gewesen, ein Champions League Spiel des FC Bayern in der Allianz-Arena 10.000 €.
Immer stärker wird „Südtirol hilft“ aber inzwischen auch durch Unternehmen, Vereine, Schulkassen u.v.a.m. von außen unterstützt. Im Rahmen des „Forster Weihnachtswaldes“ organisiert die Spezialbierbrauerei Forst verschiedene Aktionen, die im letzten Dezember stolze 50.000 Euro beigetragen haben. Das Unternehmen Rieper und die im HDS zusammengeschlossenen Bäcker und Konditoren haben mit dem Verkauf des speziell entwickelten Adventsbrotes 12.500 Euro erwirtschaftet. Aber auch Schulklassen, die durch den Kuchenverkauf Geld aufbringen oder Theatervereine, die einen Teil der Einnahmen spenden, tragen dazu bei, dass nicht nur konkrete Hilfe, sondern auch gelebte Solidarität geboten wird.
Ist das Weihnachtsfest vorbei, organisiert sich jeder beteiligte Verein wieder seine eigenen Spendenaktionen und diese je nach Ausrichtung nicht nur für Südtirol, sondern auch für Notfälle in aller Welt. Einmal im Jahr aber, zum Weihnachtsfest, ist die Solidarität hausgemacht.

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Mehr als nur Worte

Rita Ploner über ihre Erfahrungen mit „Betroffene für Betroffene“

Der Bezirksvorstand Brixen. 3. v. li.: Rita PlonerDer Bezirksvorstand Brixen. 3. v. li.: Rita Ploner

Zwei Sachen würde sie ändern, wenn sie könnte. Rita Ploner ist eine der Ersten, die sich an der Aktion des Bezirks Eisacktal „Betroffene für Betroffene“ beteiligt haben. Direkte Kontakte im Sitz der Krebshilfe würde sie Telefonkontakten vorziehen und ein psychologischer Vorbereitungskurs für die Gesprächspartner wäre angesagt.
An Einfühlungsvermögen fehlt es der Kindergärtnerin aus Lajen sicher nicht, ebenso wenig wie an Erfahrung. Dennoch, mit etwas psychologischem Rüstzeug ginge es (noch) besser. Meint Rita Ploner. Die 48jährige hat vor fünf Jahren alles erlebt, was mit einer Krebserkrankung verbunden sein kann. Die Diagnose Brustkrebs im Alter von 43 mit zwei damals noch halbwüchsigen Töchtern. Heute sind Mirijam und Ines 17 und 16 Jahre alt.
Operation, Chemotherapie, Ängste, Hoffnungen, Zweifel, Verzweiflung, Euphorie und Panik, endlose Müdigkeit, Kampfgeist – alles das hat Rita am eigenen Leib erlebt. Und noch mehr. Unmittelbar nach der Erkrankung, die Haare noch stoppelkurz von der Chemotherapie ist ihr Mann ausgezogen. Die Ehe hat der Krankheit nicht standgehalten, Rita war fortan, noch wackelig auf den Beinen, unsicher und von der Krankheit innerlich wie äußerlich gezeichnet, allein verantwortlich für ihre Töchter. Sie hat sich in dieser Zeit Hilfe bei einer Psychologin gesucht, die ihr geholfen hat, dies alles zu verarbeiten.
Mit Mirijam und Ines hat sie von Anfang an ganz offen über alles geredet. Sie teilhaben lassen an allem. „Und wahrscheinlich habe ich sie damit völlig überfordert“, stellt Rita heute, im Nachhinein fest. Wenn sie die Zeit zurückdrehen könnte, würde sie eine psychologische Hilfe sowohl für ihre Töchter als auch für ihren (heute Ex-) Mann beantragen. „Solange Du im Krankenhaus, in Behandlung bist, wird Dir das alles angeboten, danach nicht mehr, da fällst Du in ein Loch.“ Und gerade danach, das weiß sie heute aus Erfahrung, braucht man es umso mehr. Auch das ist Teil der Dinge, die sie gern anderen mitgeben würde.
Rita hat es geschafft. Sie hat sich aufgerappelt, hat die Kraft gefunden, Krankheit und Schicksalsschlägen den Kopf zu bieten. Und gerade deshalb möchte sie nun anderen helfen, möchte ihre Erfahrung weitergeben. Gerade deshalb hat sie sich nach ihrer Krankheit bei der Krebshilfe engagiert.
„Aber mir geht es nicht darum, meine Geschichte zu erzählen“ betont sie. Unter Umständen hört sie nur zu. Beantwortet nur Fragen, sollten welche gestellt werden. „Schließlich geht es nicht um mich, sondern um die Person, die meine Hilfe sucht.“ Das ist ganz wichtig für sie, bei „Betroffene für Betroffene“: Der andere steht im Vordergrund. „Es geht um die jetzt und gerade betroffene Person und sie bestimmt, was sie braucht, was sie von der Begegnung will.“
Keine Frage, bisher sind nur Frauen an sie herangetreten. Drei waren es im ersten Jahr, Männer möchten keine Schwäche zeigen, möchten sich nicht öffnen Aus Angst? Aus Stolz? Aus Unfähigkeit, weil sie in sich gefangen sind? Wer weiß…. „Mit zwei Frauen hatte ich nur Telefonkontakt und das tut mir leid“, sagt Rita Ploner rückblickend. „Es waren gute Gespräche, aber der direkte Kontakt könnte besser helfen. Da könnte ich eine Hand hinstrecken, eine Schulter umfassen, Nicht-Gesagtes und Unsagbares aus den Gesten und den Augen lesen. Einfach nur zeigen, dass ich da bin und verstehe, auch ohne Worte.“ Die dritte Frau ist aus ihrem Dorf und so kam es zu mehreren persönlichen Treffen.
Als sie selbst in der akuten Krankheitssituation war, gab es eine solche institutionalisierte Hilfe noch nicht. Aber Rita hatte Glück. „Ich habe eine Frau gefunden, die meine Erfahrungen auch durchlebt hatte und bei der ich das Gefühl hatte, ich kann mich fallenlassen, weil ihr nichts fremd ist, auch wenn jede Krebs-Geschichte ganz anders ist.“
Rita Ploner steht heute mitten im Leben. Arbeitet Vollzeit im Kindergarten in Klausen. Lebt intensiv mit ihren Töchtern zusammen. Sie kann nicht nur beraten, zuhören und verstehen; sie ist zugleich auch ein Beispiel. Sie sehen, macht Mut. Eine noch junge Frau, die ihren Krebs und die nachfolgende Lebenskrise überwunden hat und die ihr Leben wieder fest in der Hand hat. Genau das, was vielen während der Krankheit als unerreichbares Ziel erscheint.
„Betroffene für Betroffene“ heißt die Aktion des Bezirks Eisacktal, der von der scheidenden Landes- und Bezirksvorsitzenden Renate Jöchler vor etwas mehr als einem Jahr noch vorgestellt wurde. Die Idee ist ebenso einfach wie zielführend. Wer anders als selbst Betroffene, könnte besser verstehen, was in einem krebskranken Menschen vor sich geht. Das Bezirksbüro vermittelt die (Telefon)Kontakte.
Die Gesprächspartner für die neu Betroffenen sind Menschen, die ihre Krebserkrankung hinter sich haben. Die Möglichkeit zu persönlichen Treffen und vor allem eine psychologische Schulung der Gesprächspartner wäre sicherlich zielführend. Die Gespräche sind völlig offen, es liegt an den Bedürfnissen der jeweiligen Betroffenen, ob praktische Fragen geklärt werden, z. B, auch im Zusammenhang mit Arbeitsrecht bzw. Invaliditätsregelungen oder ob es um die Gefühlsebene, um Lebensfragen oder auch um Krisensituationen, Kindererziehung, Partnerschaft und Familie, Beziehung zu den Mitmenschen geht.